Treffen zwischen Merz und Trump: Bräsige Bürolooks, peinliche Präsente – die Stilkritik

Der Bundeskanzler hat einen eigenwilligen Deko-Geschmack. „Ich würd’s am liebsten selbst behalten“, säuselt Merz in die Handykamera, den Blick zärtlich auf ein Bild geheftet. Der Clip ist im Regierungsflieger gen Washington entstanden und geht derzeit auf Youtube rum; bei der fraglichen Wanddekoration handelt es sich um die gerahmte Urkunde, die Merz wenige Stunden später Donald Trump überreichen wird.
Es ist eine Kopie der Geburtsurkunde vom Großvater des US-Präsidenten, Friedrich Trump, ein Merz’scher Namensvetter, 1869 in Kallstadt geboren, ein echter Pfälzer. Keine schnöde DinA4-Kopie immerhin, die irgendein Kanzleramtspraktikant eben mal im Berliner Copyshop ausdrucken ließ, nein, „das hat das Auswärtige Amt der Bundesrepublik so angefertigt, mit dieser Kaligraphie, wirklich sensationell“, flötet Merz, „ich würd’s am liebsten selbst behalten!“
Doch ein Wandplatz im eigenen Büro an der Willy-Brandt-Straße 1? Gar eine Hängung über dem heimischen Kamin in Arnsberg-Niedereimer? Daraus wird leider nichts – Donald Trump will das Präsent tatsächlich behalten. „Danke, das ist wunderschön, fantastisch“, sagt er, als ihm Merz am Donnerstag schließlich das gülden gerahmte Dokument in Washington überreicht. Und: „Wir werden es an einem Ehrenplatz aufhängen!“
Wo genau? Wir hätten da eine Idee: Vielleicht direkt neben die andere Kopie des großväterlichen Geburtsscheines, die Trump bereits vor einigen Jahren von anderer Seite überreicht bekam. Seinerzeit habe schließlich schon Kai Diekmann, der frühere Bild-Chef, Donald Trump das gleiche Geschenk gemacht: Er habe die Geburtsurkunde „Trump als Kopie schon 2017 zu Beginn seiner 1. Amtszeit zu unserem Interview mitgebracht“, wie er am Donnerstagabend stolz auf X twittert – bei Axel Springer hat man offenbar ein ähnlich schlechtes Händchen für Gastgeschenke wie im Auswärtigen Amt.

Denn wie oft, in wie vielen Reden, zu wie vielen Gelegenheiten will man eigentlich noch erwähnen, dass Trump auch deutsche Wurzeln hat? Wann wird man den Irrglauben endlich aufgeben, dass dieser gänzlich unspannende Umstand, der übrigens auf etwa 40 bis 50 Millionen Amerikaner und damit auf rund 12 Prozent der gesamten US-Bevölkerung zutrifft, die Beziehung zwischen dem Präsidenten und den Deutschen positiv beeinflussen könnte?
Kai Diekmann findet's gutFriedrich Merz jedenfalls gibt nicht auf: „Dass Sie auch aus Deutschland sind, Ihre Familie, das ist ja ein gutes Omen für unsere Zusammenarbeit“, sagt er beim Pressetermin im Oval Office, eine klamme Hoffnung, wie sie vor ihm schon Merkel und Scholz formuliert hatten. Doch diese Einfallslosigkeit ist nur eine kleine Episode eines recht ereignislosen Treffens; dass sich das Mitbringsel als peinliche Dublette erweist, bringt wenigstens nach hinten raus ein bisschen Spannung rein.
Schließlich gibt es – anders als zu Selenskyjs Pulli-Skandal vor ein paar Wochen – auch zu den Outfits der beiden Staatsmänner nicht viel zu sagen: Merz im dunklen Anzug, Trump im dunklen Anzug, Merz mit einer kleinstgemusterten Krawatte, Trump mit einer republikanerroten Krawatte, Merz mit seiner berühmten Haarinsel, Trump mit seiner berüchtigten Zuckerwattefrisur.

Also zurück zu den Geschenken: Sowohl Kai Diekmann damals als auch Merz jetzt hatten noch weitere Gaben dabei. Diekmann, so berichtet er auf X, hatte Trump – Sensation! – ein Stück der Berliner Mauer mitgebracht, wenigstens keinen der Betonkrümel, die man noch heute in den Souvenirshops rund um den Checkpoint Charlie kaufen kann, sondern einen richtig schweren Wende-Brocken, unterschrieben von Gorbatschow, Bush und Kohl.
Und Friedrich Merz? Der hatte für seinen Fast-Landsmann noch einen Golfschläger dabei – was für eine geistloses Geschenk, das in seiner betont maskulinen Bräsigkeit nur von der feierlichen Übergabe einer teuren Uhr, einer seltenen Zigarre oder eines Playboy-Jahresabos übertroffen worden wäre.
Doch bei Trump kann man mit derlei Altherren-Präsenten freilich punkten; er ist bekanntlich Golf-Fan, so wie Merz. Gleich also werden vor der kitschreichen „Real Housewives“-Kulisse des ovalen Büros schwungvolle Abschläge geübt – was für ein grandioser Ausdruck deutsch-amerikanischer Männerfreundschaft.
Immerhin Kai Diekmann findet's gut: „Kein Selenskyj-Moment im Oval Office!“, jubelt er auf X. Der Bundeskanzler „klar und selbstbewusst auf Augenhöhe“ mit dem Präsidenten. „Respekt und Glückwunsch an Friedrich Merz zu diesem Erfolg auf seiner bisher wichtigsten Reise!“
Berliner-zeitung