Ein Irrtum wird wieder populär: Überall Nationalismus

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Ein Irrtum wird wieder populär: Überall Nationalismus

Ein Irrtum wird wieder populär: Überall Nationalismus
Gefahr für die Demokratie :
Wenn immer mehr Nationen wieder „groß“ werden wollen
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Der Nationalismus erlebt in vielen Ländern der Welt einen Aufschwung. Über die Geschichte einer Idee, die mit der Demokratie verwandt ist – und zugleich eine tödliche Gefahr für sie.

Wladimir Putin will, dass die Russen ihre Geschichte als lange Serie glänzender Siege eines Volkes sehen, das seit Tausend Jahren durch Sprache, Glaube und Sitten geeint sei. So habe es unbeugsam allen Eindringlingen von Dschingis Khan über Napoleon bis zu Hitler widerstanden und ein großes Reich geschaffen. Alles, was dieses Bild stört, wird als unbedeutende Fußnote abgetan oder als Verleumdung Russlands zurückgewiesen.

Russlands Verfassung schützt die „historische Wahrheit“. Sie spricht von der „Heldentat des Volkes bei der Verteidigung des Vaterlands“ und verbietet deren „Herabwürdigung“. Wer in Russland Putins Version der Vergangenheit infrage stellt, riskiert Gefängnis.

Solche Gefahren drohen in den USA nicht. Aber auch Donald Trump will mit staatlichem Zwang eine Sicht auf die Geschichte durchsetzen, in der Kritik am eigenen Land keinen Platz hat. Ende März erließ er ein Dekret zur „Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte“. Darin kündigt er an, feindlichen Versuchen ein Ende zu setzen, die Geschichte der USA in ein schlechtes Licht zu rücken.

Beide, Putin und Trump, sind mit dem Versprechen angetreten, ihre Nationen nach Jahren des – im Falle Amerikas angeblichen – Niedergangs zu neuer Größe zu führen. Was für Trump die Losung „Make America Great Again“ ist, ist bei Putin der unzählige Male wiederholte Satz, Russland erhebe sich wieder von den Knien. Um das gewünschte Bild einstiger Größe zu erschaffen, werden dunkle Seiten der Geschichte ausgeblendet und Widersprüche übertüncht.

In dem von Donald Trump geplanten „Nationalgarten amerikanischer Helden“ sollen Statuen von Kämpfern gegen die Sklavenbefreiung im 19. Jahrhundert neben denen schwarzer Bürgerrechtler stehen, die einen wie die anderen als Ge­genstand nationalen Stolzes. In Putins Russland werden das Zarenreich und die Sowjetunion gleichermaßen verehrt. Stalin, der Millionen Menschen – die Mehrzahl davon Russen – ermorden ließ, wird als Sieger des Zweiten Weltkriegs und Schöpfer eines starken russischen Staates und Imperiums gefeiert.

Trump und Putin mit auffallenden Gemeinsamkeiten

Der Weg, auf dem Trump und Putin an die Macht gekommen sind, die Gesellschaften, in denen sie groß geworden sind, und ihr Auftreten unterscheiden sich stark, und doch haben die beiden auffallende Gemeinsamkeiten. Sie sind typische Repräsentanten einer Strömung, die gerade fast überall auf der Welt einen neuen Aufschwung erlebt und dabei ist, die auf dem Streben nach Kooperation gegründete internationale Ordnung der vergangenen Jahrzehnte zu zerstören: des Nationalismus.

Diese neue nationalistische Welle hat viele unterschiedliche Gestalten: Putins Krieg gegen die Ukraine, Trumps Drohungen gegen Grönland, Panama und Kanada, Chinas Militärmanöver vor Taiwan, der Umbau des multireligiösen Indien zu einem Staat der Hindus, die Wahlerfolge EU-skeptischer oder gar EU-feindlicher Populisten in Ländern wie Italien, Frankreich, Spanien, Rumänien, Ungarn, Polen und anderen europäischen Ländern.

Will die USA groß machen: Präsident Donald Trump
Will die USA groß machen: Präsident Donald TrumpAFP

Dass Putin und Trump über die Geschichte ihrer Länder bestimmen wollen, ist kein Zufall. Das gehört zum Wesen des Nationalismus, der die eigene Nation über alles andere stellt . „Das Vergessen – ich möchte fast sagen: der historische Irrtum – spielt bei der Erschaffung einer Nation eine wesentliche Rolle“, schrieb der französische Historiker Ernest Renan in einem Text mit dem Titel „Was ist eine Nation?“ im Jahre 1882. Mit der von Renan gestellten Frage haben seither unzählige Historiker, Soziologen und Politikwissenschaftler hart gerungen.

Dabei stellt sich diese Frage den meisten modernen Menschen gar nicht: Die Existenz von Nationen ist für sie ebenso selbstverständlich wie die von Städten und Dörfern, Feldern und Wäldern. Dass es Nationen gibt, wird selbst von jenen meist nicht infrage gestellt, die sich – zum Beispiel wegen einer Migrationsgeschichte – keiner zugehörig fühlen. Der Nationalismus, der doch Besonderheiten der Nationen betont und Wert darauf legt, voneinander abzugrenzen, ist darin universell wie kaum eine andere Idee.

Was ist eigentlich eine Nation?

Mit ihren Nationen verbinden viele Menschen starke Gefühle: Liebe und Hass, Freude und Trauer. Das macht Olympische Spiele und Eurovision Song Contests so attraktiv – und hat zu vielen Millionen Kriegstoten, Vertreibungen und Völkermord geführt. Nationale Begeisterung hat Freiheitsbewegungen angetrieben und den Weg in schlimmste Un­terdrückung bereitet. Die Idee der Na­tion hat eine unbestreitbare Kraft. Doch sobald man zu definieren versucht, was eine Nation eigentlich ist, wird deutlich, wie schillernd und widersprüchlich der Begriff ist. Staat, Sprache und Religion gehören zwar oft zu einer Nation, sind aber keine eindeutigen Kriterien.

Die meisten Staaten sind heute Nationalstaaten, doch Staat und Nation sind nicht das Gleiche. Es gibt Nationen ohne eigenen Staat und Nationen, deren Siedlungsgebiet über die Grenzen ihres Staates hinausreicht. Besonders sichtbar wird das, wenn Völker für einen eigenen Staat kämpfen, wie Ende der Achtzigerjahre in der Sowjetunion und Jugoslawien. Oder wenn ein Staat ein Recht auf Einmischung in einen Nachbarstaat beansprucht, wie es Russland in der Ukraine mit der Begründung tut, dort würden Russen unterdrückt.

Will Russland groß machen: Präsident Wladimir Putin
Will Russland groß machen: Präsident Wladimir PutinAP

Im Alltag sprechen in der Ukraine viele Menschen Russisch. Doch die meisten von ihnen verstehen sich als Ukrainer und verteidigen ihr Land gemeinsam mit ukrainischsprachigen Ukrainern gegen den russischen Aggressor. Dass Menschen mit gleicher Muttersprache verfeindeten Nationen angehören, ist kein Sonderfall. In Lateinamerika ist Spanisch in achtzehn Staaten die Landessprache. Das hat nicht verhindert, dass sie Kriege gegeneinander geführt haben. Und Iren sprechen zwar Englisch, haben sich ihre Unabhängigkeit aber Anfang des 20. Jahrhunderts gegen England er­stritten.

Für die Identität vieler Nationen spielt die Religion eine große Rolle. Religiöse Trennlinien können zu nationalen Trennlinien werden, wie das bei den katholischen Kroaten, den orthodoxen Serben und den muslimischen Bosniaken der Fall war, die sich sprachlich kaum voneinander unterscheiden. Historisch zwingend war ihre Trennung in drei Völker nicht, wie ein anderes Beispiel vom Balkan zeigt: In der Nationalbewegung der mehrheitlich muslimischen Albaner spielten Ende des 19. Jahrhunderts Katholiken eine führende Rolle.

Weder etwas Naturgegebenes noch etwas Altes

Auch gemeinsame historische Erfahrungen können zum Entstehen einer Nation beitragen. Das kann zum Beispiel der Kampf für ein politisches Ziel sein wie der Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten im 18. Jahrhundert, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft Seite an Seite gegen die britischen Truppen standen; oder die geteilten Lebensbedingungen in schwierigen Zeiten. Aber auch da besteht keine Gesetzmäßigkeit.

Das gemeinsame Erleben der Menschen der Sowjetunion hat tief in den Alltag jedes einzelnen hineingereicht. Das gilt für die Schrecken der Stalin-Zeit und der deutschen Besatzung ebenso wie für die ruhigen Jahrzehnte danach. Alle Sowjetbürger haben als Schüler die roten Halstücher der kommunistischen Jugendorganisationen getragen, sind in der Mangelwirtschaft mit Beziehungen und Tauschgeschäften über die Runden gekommen, haben über die gleichen Filme gelacht. Das ist bis heute spürbar. Trotzdem hielt Russen, Ukrainer, Georgier, Armenier, Moldauer und Balten am Ende nichts mehr zusammen.

Will Indien groß machen: Indiens Premierminister Narendra Modi
Will Indien groß machen: Indiens Premierminister Narendra ModiReuters

Der britische Historiker Hugh Seton-Watson kam zu dem Schluss, eine wissenschaftlich haltbare Definition von „Nation“ sie nicht möglich. Er hat indes vor fast fünfzig Jahren den wohl elegantesten Versuch einer solchen Definition formuliert: Eine Nation existiere dann, schrieb er, „wenn eine signifikante Zahl von Menschen in einer Gemeinschaft glaubt, sie bildeten eine Nation, oder sich so verhält, als bildeten sie eine“. Wie groß eine solche Gruppe sein muss, um „signifikant“ zu sein, hat Seton-Watson bewusst offengelassen. Es kommt auf die politische Wirkung an.

Nationen sind eine erfolgreiche Erfindung der Neuzeit

In der Vorstellung vieler Menschen sind ihre Nationen etwas Naturgegebenes und sehr Altes. Doch in Wirklichkeit sind Nationen im heutigen Sinne erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Es gibt keine „alten“ und „jungen“ Nationen – in der historischen Perspektive sind sie alle neu. Wenn Putin von der „tausendjährigen Geschichte des russischen Volks“ spricht, sind mehr als achthundert Jahre davon eine Fiktion.

Will Ungarn groß machen: Ministerpräsident Viktor Orbán
Will Ungarn groß machen: Ministerpräsident Viktor OrbánAFP

Die modernen Nationen sind Produkte historischer Zufälle und zielgerichteter Arbeit. An ihrer Erschaffung waren Literaten beteiligt, die historische Legenden mit neuen Inhalten füllten (oder Fälschungen angeblicher alter Dichtungen in die Welt setzten), politische Aktivisten, die daraus politische Programme formten, und Staatsmänner, die sie zur Grundlage ihrer Herrschaft machten. Nationen sind die erfolgreichste und folgenreichste politische Erfindung der Neuzeit.

Ihre Geschichte begann, als mit den Revolutionen in Amerika und Frankreich eine neue Kraft die Religion und die dynastische Nachfolge als Legitimationsquellen von Herrschaft ablöste: das Volk. Die Idee einer politischen Gemeinschaft, der anstelle einer kleinen Gruppe Privilegierter alle Bewohner eines Landes angehören, war emanzipatorisch.

Aber sie wäre abstrakt geblieben ohne weit zurück reichende geschichtliche Erzählungen und Gründungsmythen. Sie erst schufen die Illusion einer gemeinsamen Abstammung, die aus bis dahin nebeneinanderher lebenden sozialen Gruppen, aus Städtern und Dorfbewohnern, aus Bauern, Handwerkern und Händlern eine „vor­gestellte Gemeinschaft“ (so der ameri­kanische Historiker Benedict Anderson) machte.

Teilhabe, Meinungsfreiheit und soziale Gerechtigkeit

Was bei Trump heute „Make America Great Again“ heißt, hieß in vielen Na­tionalbewegungen des 19. Jahrhunderts „na­tionales Erwachen“ oder „Wieder­geburt“. Die damals entstandenen nationalen Mythen handeln von verlorenen Zeiten des Ruhms, von einem Neuanfang nach einem Zusammenbruch, von Kämpfen gegen Eindringlinge und vom Abschütteln eines fremden Jochs. Im Namen der Nation wurden politische Teilhabe, Meinungsfreiheit und soziale Gerechtigkeit gefordert.

Der nationale Gedanke war für Revolutionäre wie für Re­former das Vehikel, mit dem sie Ver­änderungen vorantrieben. Mit dem Schaf­fen von Nationalstaaten gingen die Überwindung feudaler Machtverhältnisse und die Einrichtung moderner Verwaltungen einher.

Will China groß machen: Präsident Xi Jinping
Will China groß machen: Präsident Xi JinpingAFP

Alle großen politischen Ideologien und Systeme sind irgendwann im Laufe ihrer Geschichte Verbindungen mit dem Nationalismus eingegangen: Monarchie, Liberalismus, Sozialismus und auch Kommunismus. Weil er mehr Gefühl als ausformulierte Idee und mehr Erzählung als Abstraktion ist, ist der Nationalismus anschlussfähig an jede Kultur, jede Religion und jedes politische System. Darin steckt der Grund für seinen weltumspannenden Erfolg.

Ihrer Abstammung nach sind Nationalismus und Demokratie enge Verwandte. Aber wie es unter Verwandten so ist: Ihre Beziehung ist vielschichtig, verwickelt und konfliktreich. Man ist sich feind geworden und kann doch nicht voneinander lassen. Der Nationalstaat ist die Grund­lage der Demokratie, der Nationalismus ist für sie eine tödliche Gefahr.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten die europäischen Monarchien noch, nationale Bestrebungen zu unterdrücken. Dann gingen sie dazu über, den Nationalismus in ihre eigenen Dienste zu stellen. Die zu einer heiligen Sache verklärte Nation sollte die Herrscher wieder so unantastbar machen wie einst das Gottesgnadentum. Die Vorstellung, die Nation sei so etwas wie ein natürlicher Organismus, in dem alle gesellschaftlichen Schichten – jede an ihrem vorbestimmten Platz – vereint sind, diente dazu, die Abwehr sozialer Forderungen und die Unterdrückung abweichender Mei­nungen zu begründen.

Will Italien groß machen: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni
Will Italien groß machen: Ministerpräsidentin Giorgia MeloniAP

Der Keim dazu war bereits in den Schriften früher demokratischer Vorkämpfer des Nationalismus gelegt. In ihnen findet sich das Bild von der Nation als Körper, der gesund gehalten werden muss, indem man ihn von Parasiten und Schädlingen reinigt und Geschwüre notfalls herausschneidet. Schon im sogenannten Völkerfrühling der Jahre 1848/49 forderten manche Revolutionäre nicht nur Einigkeit und Freiheit für das eigene Volk, sondern auch die Unterdrückung und Assimilierung anderer. Die religiöse Überhöhung der Nation wurde nicht von reaktionären Kräften erfunden. Sie haben sie von jenen Propheten des Fortschritts übernommen, die die Nation als Sache des Volkes mit viel Pathos über alle Herrscher stellten.

Es blieb kein Raum für Kompromisse

So begann schon in den scheinbar unschuldigen Anfängen des Nationalismus der Weg in jene Hölle, die das 20. Jahrhundert war. Wo geheiligte Ansprüche auf Gebiete aufeinanderprallten, blieb kein Raum für Kompromisse. Damit einher ging eine hohe Bereitschaft, für die große Sache zu töten und getötet zu werden. Um Nationen rein zu halten, wurden Minderheiten ihre Sprachen genommen, wurden Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und zu Tausenden ermordet.

Der Nationalismus hat eine blutige Spur durch das ganze 20. Jahrhundert gezogen, und das nicht nur in den Schlachten der beiden Weltkriege. Der Völkermord an den Armeniern, die Kämpfe um die Grenzen der Staaten, die nach dem Ersten Weltkrieg aus der Erbmasse der zusammengebrochenen Monarchien hervorgegangen waren, Stalins Hungermord an Ukrainern, Kasachen und Wolgadeutschen, der Holocaust, der in einem wahnhaften Verlangen nach nationaler Reinheit begangene Genozid der Roten Khmer in Kambodscha, die Kriege in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens – die Liste ist unvollständig.

In Europa hofften nach dem Zweiten Weltkrieg viele, angesichts der Millionen von Toten habe sich der Nationalismus für immer diskreditiert. Das Wort war so toxisch geworden, dass selbst die harten Nationalisten nicht mehr als solche bezeichnet werden wollten. Aber wirklich verschwunden war der Nationalismus auch in Europa nie – schließlich ist die Nation für die meisten Menschen die Gemeinschaft geblieben, der sie sich vor allem zugehörig fühlen.

In den Jahren 1989/90 erlebte Europa noch einmal einen Völkerfrühling. Von nationalen Gefühlen angetriebene Freiheitsbewegungen brachten im Osten Eu­ropas kommunistische Diktaturen zum Einsturz, aber gleichzeitig zeigte sich in Jugoslawien, in den Pogromen gegen Armenier in Aserbaidschan und der Vertreibung von Aserbaidschanern aus Nagornyj Karabach, im Bürgerkrieg in Georgien das Zerstörerische nationaler Leidenschaften. In Russlands Krieg gegen die Ukraine prallen heute die repressive und die freiheitliche Version nationaler Ideen direkt aufeinander.

Eine Zeit mit vielen gleichzeitigen globalen Veränderungen

Der Nationalismus entwickelte seine große Kraft im 19. Jahrhundert in einer Zeit rasanter wirtschaftlicher und sozialer Umwälzungen. Die Industrialisierung rief eine Völkerwanderung aus den Dörfern in die rasch wachsenden Städte hervor, Familienverbände und damit soziale Sicherheiten lösten sich auf. Gleichzeitig wurden Zeitungen und Bücher zu Massenprodukten. Neue Ideen fanden so zu ei­ner in Bewegung geratenen Bevölkerung, die nach neuen Identitäten und Gemeinschaften suchte.

Wir leben in einer Zeit, in der wir von einer Vielzahl gleichzeitig geschehender globaler Veränderungen mit ihrer Geschwindigkeit und ihrem Ausmaß überwältigt werden: Der Klimawandel stellt Lebensräume und hergebrachte Wirtschaftsmodelle infrage, Covid hat das Vertrauen in Staat und Wissenschaft brüchig werden lassen, Migrationsströme verändern Aussehen und soziales Gefüge der Städte, die wirtschaftlichen und po­litischen Kräfteverhältnisse in der Welt verschieben sich vom Westen nach Asien. Und gleichzeitig wälzt die digitale Revolution sowohl die Arbeitswelt als auch die Kommunikation der Menschen um.

Es ist nicht verwunderlich, dass das mit einem Erstarken nationalistischer Kräfte einhergeht, die eine Rückkehr zu verlo­renen Sicherheiten und alter Größe versprechen. Der Nationalismus nimmt dabei neue Formen an, bedient sich anderer Symbole und einer anderen Sprache als vor hundert oder zweihundert Jahren. Aber die heutigen Nationalisten folgen den gleichen Mustern wie die vergan­gener Zeiten. Der Nationalismus ist zugleich wandlungsfähig und konstant. Und ihn umweht der Gestank von Massengräbern, den er im 20. Jahrhundert angenommen hat.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

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