Frieden in Gaza, durch Druck auf Israel – frühere Staatsbeamte fordern Waffenexportverbot

Diplomatischer Bemühungen zum Trotz geht das Sterben in Gaza unvermindert weiter. Die israelische Armee beschoss am Donnerstag das Flüchtlingslager in Bureidsch und tötete mindestens 55 Zivilisten.
Ehemalige Regierungschefs und hochrangige Beamte kritisieren das Vorgehen Israels scharf. Israels Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert warf der Regierung seines Landes vor, im Gazastreifen Kriegsverbrechen zu begehen und zugleich keine Strategie zu haben, wie der Krieg beendet werden kann. In den vergangenen Tagen hätten führende israelische Kabinettsmitglieder gefordert, den Küstenstreifen auszuhungern. „Was ist das, wenn nicht ein Kriegsverbrechen?“, sagte Olmert dem US-Sender CNN.
USA legen Plan für Waffenruhe vorDie Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe durch den Gaza-Krieg der Integrität des Staates Israel und dem israelischen Volk einen „erheblichen Schaden“ zugefügt. Zudem habe die politische Führung keine Vision für die Zukunft, um den Krieg zu beenden und die noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu befreien.
Aus den USA wird unterdessen ein neuer Vorschlag zur Beendigung der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen unterbreitet. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff skizzierte am Donnerstag einen neuen Plan für eine sechzigtägige Waffenruhe. Demnach sollten zehn im Gazastreifen festgehaltene israelische Geiseln in zwei Schritten binnen einer Woche freigelassen werden, hieß es in mehreren Medienberichten. Zudem sollten die Leichen von 18 Verschleppten übergeben werden.
Im Gegenzug sollten 125 Palästinenser freikommen, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden, sowie 1.111 Gaza-Einwohner, die seit dem 7. Oktober 2023 festgenommen worden waren. Außerdem sollten die Leichen von 180 Palästinensern übergeben werden.
Den Berichten zufolge sollen während der zweimonatigen Waffenruhe Gespräche über ein Ende des Gazakriegs geführt werden. Im Falle einer Einigung zwischen Israel und der Hamas sollten die restlichen Geiseln und die sterblichen Überreste von Verschleppten übergeben werden.
Ehemalige hochrangige Beamte fordern Verbot von WaffenexportenDer Vorschlag sieht demnach ebenfalls vor, dass die Hilfslieferungen im Gazastreifen wieder von den Vereinten Nationen und den internationalen Hilfsorganisationen übernommen werden. Die israelische Armee soll sich wieder auf die Positionen vor Beginn der jüngsten Offensive im März zurückziehen.
Aus Protest darüber, dass ihre Regierungen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen unterstützen, sind in den USA und in Europa zahlreiche hochrangige Beamte zurückgetreten. Josh Paul war im amerikanischen Außenministerium für die Waffenlieferungen der USA zuständig. Er trat bereits am 17. Oktober 2024 aus Protest gegen die Biden-Regierung zurück, „weil ich nicht glaube, dass von den USA gelieferte Waffen zur Tötung von Zivilisten eingesetzt werden sollten“, wie er im Gespräch mit der Berliner Zeitung damals erklärte. Nun hat Paul zusammen mit dem deutschen früheren EU-Palästina-Beauftragten Sven Kühn von Burgsdorff, dem Politikwissenschaftler Mitchel Plitnick und dem Nahost-Experten Mouin Rabbani eine Analyse vorgelegt, wie ein Ende der israelischen Militäroffensive durchgesetzt werden kann.
Ein wichtiger Baustein wäre dabei für die EU-Mitgliedstaaten das Assoziierungsabkommen mit Israel aufzukündigen. So haben die Niederlande eine formelle Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen Israels im Rahmen des Assoziierungsabkommens eingeleitet. Der niederländische Vorschlag wurde Mitte Mai 2025 von einer Mehrheit der EU-Außenminister angenommen, mit Unterstützung von 17 Mitgliedstaaten, darunter Irland und Spanien.
„Dieses Abkommen ist für Israel von enormer Bedeutung. Die EU ist Israels größter Handelspartner und macht 28,8 Prozent der gesamten Exporte Israels und 34,2 Prozent seiner Importe aus“, heißt es in der Analyse. Im Gegensatz dazu hätten die Exporte nach Israel im Jahr 2024 nur 0,7 Prozent der gesamten Exporte der EU in Länder außerhalb der EU (Extra-EU-Exporte) aus. „Diese Asymmetrie verschafft der EU erheblichen Einfluss in Handelsgesprächen“, heißt es weiter.
Außerdem lieferten mehrere Regierungen weiterhin tödliche Waffen an Israel und tauschten Geheimdienstinformationen aus, was einen direkten Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen darstelle. So müsse die Öffentlichkeit dafür sensibilisiert werden, dass ein Exportverbot von F-35-Kampfflugzeugen und deren Komponenten – insbesondere durch die USA, Großbritannien, Italien, die Niederlande und Unternehmen in Kanada und Australien durchgesetzt werde.
Israels Außenminister nächste Woche in BerlinDeutschland ist nach den USA Israels zweitgrößter Waffenlieferant, mit einem Anteil von 30 Prozent an den gesamten Rüstungseinfuhren. Bundeskanzler Friedrich Merz kritisierte am Mittwoch erstmals den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen öffentlich. Auch wenn aus der SPD Stimmen lauter werden, die eine Beschränkung von Waffenexporten nach Israel fordern, hat die Bundesregierung noch keine Schritte unternommen, um auf ein Ende des israelischen Militäreinsatzes in Gaza hinzuwirken. Im Gegenteil, hatte Merz noch vor wenigen Wochen erklärt, Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen vorliegt, in Deutschland empfangen zu wollen.
Am Donnerstag teilte der deutsche Außenminister Johann Wadephul mit, dass er in der kommenden Woche Israels Außenminister Gideon Saar in Berlin empfangen werde. „Wir setzen den freundschaftlichen, aber (...) kritischen Dialog mit der israelischen Regierung fort“, sagte Wadephul bei einem Besuch in Washington. Wadephul sagte, Kritik an der israelischen Regierung sei nötig, weil die Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen „in den letzten Tagen prekärer geworden, und zwar dramatisch prekärer geworden“ sei.
Berliner-zeitung