Großes Chaospotenzial, wenn es schief läuft: Kann Merz den unberechenbaren Trump beim G7-Gipfel ruhig halten?


Trumps erster G7-Gipfel seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus steht an. Kann der unberechenbare Präsident eingebunden werden?
Die Weltpolitik ist im Krisenmodus: Drängende Themen warten, wenn die Chefs der sieben großen westlichen Industriestaaten am Montag im kanadischen Kananaskis ihre Gipfelgespräche aufnehmen. An einem der vielen Krisenherde eskalierte die Lage kurz vor dem G7-Gipfel: Israel und der Iran liefern sich die bisher größte militärische Auseinandersetzung in ihrem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt.
Das G7-Treffen ist der erste multilaterale Gipfel, an dem US-Präsident Donald Trump seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus teilnimmt. Für die Gipfelpartner geht es darum, den unberechenbaren Rechtspopulisten zu besänftigen, einzubinden - und diplomatischen Schaden abzuwenden.

Letztlich geht es um die Handlungsfähigkeit der westlichen Staatengruppe in einer aus den Fugen geratenen Welt. Die G7 verstehen sich traditionell als Hüter einer dialogorientierten und regelbasierten Weltordnung. Ein Ausscheren der USA würde den Westen als globalen Akteur weiter schwächen - zur Freude Russlands und Chinas. "Das wichtigste Ziel wird sein: Die sieben größten Industrienationen der Welt sind sich einig, und sie sind handlungsfähig": So drückte es Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor seinem Abflug nach Kanada aus.
Neben Deutschland und den USA gehören noch Kanada, Frankreich, Japan, Italien und Großbritannien der G7-Gruppe an. Seit Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt gibt es große Differenzen zwischen den USA und den restlichen G7-Staaten etwa im Umgang mit Russland und der Ukraine, in der Zollpolitik, und auch bei Themen wie Klimaschutz und Entwicklungshilfe.
Trump hat Chaospotenzial: Er könnte einen Eklat provozieren und den Gipfel platzen lassen. Multilateralen Institutionen wie den G7 misstraut er zutiefst. "Trump sieht solche Foren vor allem als Einengung der USA", sagt die Europaexpertin Rachel Rizzo von der Denkfabrik Atlantic Council. "Er betrachtet sie nicht als geeignetes Mittel, Macht und Einfluss der USA auszuweiten." Druck von Seiten der G7-Partner werde sich Trump nicht gefallen lassen.
Im Berliner Kanzleramt wird darauf verwiesen, dass Trump beim letzten G7-Gipfel in Kanada 2018 für einen Eklat sorgte: Nach seiner Abreise zog er noch im Flugzeug seine Unterschrift unter das Abschlussstatement zurück, weil er sich über den damaligen kanadischen Premierminister geärgert hatte. Das Kanzleramt wertet den Gipfel nun als "Test". Wie verhält sich Trump "in einer Teamsituation?": So formuliert es ein Merz-Berater.

Aus aktuellem Anlass wird die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran weit oben auf der Agenda stehen. Die Unterhändler der G7 ringen um eine gemeinsame Stellungnahme. Kanzler Merz und die europäischen Partner wollen zudem bei Trump für schärfere Sanktionen gegen Russland und mehr Hilfe für die Ukraine werben. Auch um Wege zur Beilegung des von Trump entfesselten Zollstreits soll es gehen.
Auf eine ausführliche Abschlusserklärung, mit der ein G7-Gipfel normalerweise die gemeinsamen Positionen formuliert, soll von vornherein verzichtet werden - zu ungewiss wäre es, ob Trump sich hier einbinden ließe. Es soll aber sachbezogene Einzel-Erklärungen geben – etwa zur Wirtschaftssicherheit, zur Versorgung mit kritischen Rohstoffen, und zur Zusammenarbeit bei neuen Technologien.
An handfesten Beschlüssen wahrscheinlich nicht viel. Der direkte Austausch auf Chefebene zu brisanten Themen ist für die Diplomatie aber wichtig. "Dieser Austausch ist der zentrale Wert der G7“, findet Kanzler Merz. Vielleicht wird nach dem Gipfel klarer sein, inwieweit die USA unter Trump zur Zusammenarbeit in multilateralen Gremien bereit sind - wie etwa bei dem politisch sehr wichtigen Nato-Gipfel in der Folgewoche in Den Haag, bei dem es auch um den Fortbestand des Bündnisses in der jetzigen Form geht.
Möglicherweise wird ja die Eitelkeit den US-Präsidenten in der Runde der G7 besänftigen. Der G7-Experte John Kirton von der kanadischen University of Toronto weist darauf hin, dass Trump turnusgemäß Gastgeber beim G7-Gipfel 2027 sein wird. Und diese Rolle wolle er gewiss auskosten: "Er wird jetzt nicht die goldene Gans G7 schlachten, bevor er in zwei Jahren mit seinem 'größten und besten Gipfel aller Zeiten' vor der ganzen Welt glänzen kann", sagt Kirton.
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