Jetzt aber schnell! Sechs Ausstellungen, die in dieser Woche enden

Caspar David Friedrich in seinem Jubiläumsjahr zum letzten Mal: Weimar fügt dem Ausstellungsreigen einen grandiosen Schlusspunkt an: mit dem Blick der Klassik-Stadt auf den Romantiker.
„Die Schau zeigt alles, was Weimar von Friedrich heute besitzt (drei Gemälde, acht Zeichnungen, ein Skizzenbuch, fünf Grafiken, zwei Autographen)“, schreibt Andreas Platthaus, „es ergänzt die Idee der Ausstellung vom Zusammenhang von Klassik und Romantik perfekt, wenn aus dem Berliner Kupferstichkabinett zwei frühe Friedrich-Aquarelle kommen, mit denen er 1799 zwei Szenen aus Schillers 'Räubern' illustrierte. Der Meisterromantiker liebte die Weimarer Klassiker; auch sein seit 1945 vermisstes Weimarer Gemälde entstand als Umsetzung eines Goethe-Gedichts, 'Schäfers Klagelied' von 1803, das Friedrich in der ihm vertrauten Szenerie der Insel Rügen ansiedelte. Goethe dürfte sehr charmiert gewesen sein. Wie sehr er Friedrichs Können schätzte, wird neu deutlich durch eine weitere Entdeckung: die bislang unbekannte Zeichnung eines Wiesenstücks, die Friedrich am 1. Januar 1807 anfertigte und an Goethe geschickt haben muss. Sie lag bis zur Vorbereitung der Ausstellung unerkannt unter dessen eigenen botanischen Zeichnungen.“

Schnelle Schiffe, korrekt verkürzte Leichen und Bücher zerstörende Christusknaben: Vittore Carpaccio war der originellste Maler der Frührenaissance in Venedig, wie Stuttgarts Staatsgalerie eindrücklich belegt.
„Nach den Myriaden religiöser Andachtsbilder in den Jahrhunderten davor waren derartige Aufbrechungen der todernsten Heilsgeschichte überaus gefragt, wie das Parallelphänomen der herumalbernden Engel und Madonnen mit Papageien auf Hans Baldung Griens Bildern nördlich der Alpen zeigt“, schreibt uns Kunstkritiker Stefan Trinks: „Selten bereitet eine Schau zur Frührenaissance neben dem großem Sehvergnügen auch noch so viel Deutungslust wie bei diesem Intellektuellen mit Pinsel.“

Hatte Hofrat Behrens einen Burnout? Und wie raubte Clawdia Chauchat Hans Castorp den Verstand? Diese und andere Fragen klärt eine Lübecker Ausstellung zu Thomas Manns Jahrhundertroman „Der Zauberberg“.
„Die Zauberberg-Ausstellung ist nicht riesig, aber bietet anhand von geschickt gewählten Objekten Zugänge zu einem Roman, der heute Jüngeren wohl nicht mehr leicht zugänglich ist“, schreibt unser Literaturkritiker Jan Wiele: „Sie nähert sich zunächst sachlich den medizinischen Aspekten des Buches (Tuberkulose, Röntgen, Liegekuren), um dann dessen traum- und märchenhaften Charakter aufzuzeigen. Wie bebildert, betönt man einen Roman? Hier darf natürlich eine Videoinstallation zu den Halluzinationen des Schnee-Kapitels nicht fehlen. Eindrücklich aber sind auch manche Requisiten, die als Phantasievehikel ins Buch führen sollen: etwa ein ärmelloses Kleid, das so aussehen könnte wie jenes, in dem Clawdia Chauchat Hans Castorp im Kapitel 'Walpurgisnacht' endgültig um den Verstand bringt. Oder das Modell einer Stinkmorchel, also jener Pilzart, die unter den vielen Phallussymbolen des Romans als das deutlichste gelten kann und die mit ihrem Verwesungsgeruch zugleich auf seine Thematik von Verfall und Tod verweist.“

Erst der Pinsel verleiht Skulpturen Leben: Der Prado in Madrid zeigt in einer Ausstellung, wie Maler und Bildhauer dafür Hand in Hand arbeiteten.
„Das Halbdunkel im Madrider Prado erinnert an eine Bühne. Scheinwerfer setzen die barocken Figuren in Szene: betend, leidend, blutend. Manche mit Zähnen aus Elfenbein, Fingernägeln aus Horn und Augen aus Glas„, schreibt der Europa-Korrespondent Paul Ingendaay: „Aber es sind nicht diese Accessoires, sondern die Farben, die den hölzernen Skulpturen auf beklemmende Weise täuschend echtes Leben einhauchen. Zum ersten Mal stehen in Madrid Bildhauer und Maler gleichberechtigt nebeneinander: Sie arbeiteten Hand in Hand.“

Wo Stalin und Freud auf dem Leinwand-Sofa liegen: Die Wiener Albertina zeigt Adrian Ghenies von Egon Schiele inspirierte Schattenbilder.
„Adrian Ghenie beschäftigt sich in seinen Werken intensiv mit den Nachwehen des stalinistischen Terrors. Seine Gemälde sind somit auch Abdrücke einer vergifteten Atmosphäre. Diese zeigt sich auch in diesem Werkzyklus, wobei die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Abstraktion verschwimmen. Es scheint sich eher um Spiegelbilder einer verzerrten Realität als um Schattenbilder zu handeln“, schreibt unsere Ausstellungskritikerin Karoline Heinzl. Von vielen Werken Schieles existierten heute nur noch Schwarz-Weiß-Fotografien. „Insgesamt dürfte es sich bei den verschwundenen und zerstörten Bildern geschätzt um ein Viertel von Schieles Gemälden handeln.“ Zwar erwecke Ghenie „mit seinen Gemälden die Originale Schieles wieder zum Leben und schenkt ihnen neue Farbe, doch handelt es sich dabei keinesfalls um eine unkritische Rekonstruktion. Vielmehr ist das Echo des 21. Jahrhunderts sehr laut und hallt klar über Schieles Werke hinweg. Trotzdem sind auch Bezüge zu Schieles Zeit und der Endzeitstimmung des Fin de Siècle der Jahrhundertwende zu erkennen.“

Kleine Anfänge, große Beharrlichkeit: Eine Ausstellung in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek zeigt die Geschichte des Rowohlt Verlags mit seinen wichtigsten Büchern.
„Kuratiert von Michael Töteberg, Uwe Naumann und Martin Setzke, zeigen flache Vitrinen und ein verglaster Bücherschrank in chronologischer Abfolge Stationen der Verlagsgeschichte“, schreibt der Literaturkritiker Tilman Spreckelsen über die Ausstellung: „Verpassen sollte man sie nicht, schon wegen der gediegenen Form, mit der hier entschlossen Konturen einer Verlagsgeschichte gezeigt werden, ohne dem Besucher diese Lesart aufzudrängen.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung