Krieg gegen den Iran: Gehen Israel die Raketen aus?

Trotz des massiven Angriffs Israels gegen iranische Militäreinrichtungen scheint der Iran in Israel schwerere Schäden angerichtet zu haben als erwartet. Der Sender Al Jazeera berichtet, unter anderem sei ein Gebäude des Verteidigungsministeriums in Herzliya und ein Gebäude des Mossad in Tel Aviv getroffen worden. Aich eine Öl-Raffinerie in der Nähe von Haifa wurde demnach getroffen und musste geschlossen werden: Aus Israel gibt es dazu keine Bestätigungen, im Land herrscht eine strenge Militärzensur. Israelische Sicherheitskräfte kontrollieren alle Einschlagstellen, das Fotografieren oder Filmen ist verboten.
Das Problem für Israel: Der Armee könnten die „Arrow“-Abfangraketen zur Abwehr iranischer ballistischer Raketen ausgehen, wenn sich der Krieg noch länger hinzieht. Das berichtet das Wall Street Journal (WSJ) unter Berufung auf einen Pentagon-Beamten. Auch die Washington Post beschreibt das Dilemma und berichtet, dass Israel einen Abnützungskrieg ohne US-Unterstützung nicht lange durchhalten könnte.
Das gemeinsam von Israel und den USA entwickelte System war bisher entscheidend für das Abfangen ballistischer Raketen. Doch könnte es Israel schwerfallen, die iranischen Angriffe zu neutralisieren: Es gebe wachsende Befürchtungen, dass die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) angesichts der Intensität iranischer Angriffe ihre Verteidigungswaffen aufbrauchen, so das WSJ.
Laut WSJ verstärken die Vereinigten Staaten seit Monaten die Raketenabwehr und die Luftabwehr Israels. Im Falle anhaltender Feindseligkeiten werde das Land jedoch unweigerlich mit einem Mangel an „Arrow“-Vorräten konfrontiert sein, da es sich nicht leisten könne, über einen längeren Zeitraum ballistische Raketen abzufangen. Daher müsse die Israelische Armee (IDF) dringend handeln. Ein IDF-Sprecher sagte dem WSJ, dass das israelische Militär zwar auf jedes Szenario vorbereitet sei, sich jedoch nicht zu Fragen im Zusammenhang mit Munition äußern könne.
Auch in der Washington Post kommen Insider zu Wort, die vor einer kritischen Lage warnen: Ohne Nachschub aus den USA oder ein verstärktes Engagement der US-Streitkräfte könnte Israel seine Raketenabwehr nur noch zehn bis zwölf Tage aufrechterhalten, falls der Iran sein Angriffstempo hält, so die Einschätzung der US- und israelischen Geheimdienste. Ein anonymer Informant sagte der Zeitung, dass Israels Verteidigungssysteme bereits am Ende dieser Woche weniger Raketen abfangen könnten, da die Verteidigungsmunition rationiert werden müsse. „Sie werden auswählen müssen, was sie abfangen wollen. Das System ist bereits überlastet“, so der Informant.
Auch ist der militärische Schutz Israels mit hohen Kosten verbunden. Die israelische Finanzzeitung The Marker hat berechnet, dass die Raketenabwehr Israels jede Nacht etwa 285 Millionen US-Dollar kostet.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt daher darauf, dass die USA in den Krieg eintreten werden. Wie weit das Engagement bereits reicht, ist unklar. US-Präsident Donald Trump hat über seine Web-Plattform die Überlegenheit von US-Waffen gepriesen, den Iran zur bedingungslosen Kapitulation aufgefordert und dem Land mit schlimmsten Konsequenzen gedroht, wenn der Iran mit den USA nicht einen Deal schließen sollte. „Wir führen heute Militärschläge durch“, sagte der republikanische US-Senator Ted Cruz am Mittwoch dem Journalisten Tucker Carlson. Was das genau bedeutet, blieb offen. Eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus endete am Dienstagabend ohne eine Entscheidung über Angriffe auf den Iran, berichtete das Wall Street Journal. US-Beamte sagten ABC News, die nächsten 24 bis 48 Stunden seien entscheidend, da bald eine Entscheidung darüber fallen könnte, ob Washington sich der israelischen Militäroperation anschließt.
Die US-Marine hat Berichten zufolge ihre Kriegsschiffe von ihrem Stützpunkt in Bahrain – der Heimat der Fünften Flotte – abgezogen. Die Associated Press bezeichnete dies anhand von Satellitenbildern als vorsorgliche Maßnahme wegen der steigenden Bedrohungslage. Die Amerikaner rechnen demnach mit Anschlägen auf ihre Militäreinrichtungen. Sollten die USA auf israelischer Seite in den Konflikt eintreten, sei der Iran bereit, amerikanische Militärstützpunkte in der Region anzugreifen, berichtete die New York Times unter Berufung auf Quellen. Die jemenitische Huthi-Bewegung Ansar Allah hat sich bereit erklärt, sich dem Konflikt anzuschließen. „Wir werden den Iran bei der Abwehr zionistischer Angriffe unterstützen, so wie wir unsere Brüder im Gazastreifen unterstützt haben“, sagte Politbüromitglied Mohammed al-Bukhaiti in einem Interview mit Al Jazeera.
Russland und China halten sich noch bedeckt. Peking und Moskau haben beide Seiten zu einem Ende der Kämpfe aufgerufen. Der Iran wird von Russland militärisch unterstützt, etwa im Bereich der Luftabwehr. Für China ist der Iran ein wichtiger Verbündeter im Nahen Osten. Peking hatte vor einigen Jahren eine Aussöhnung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien herbeigeführt. Laut dem Daily Telegraph hat China mindestens drei Boeing-747-Frachtflugzeuge über geheime Flugrouten in den Iran umgeleitet. Der erste Flug erfolgte einen Tag nach Beginn der israelischen Operation, zwei weitere trafen später am selben Tag ein.
Berliner-zeitung