Messe | Polizeikongress: »Es kommen kaum kritische Stimmen zu Wort«
Lieber Herr Krüger, was ist der Polizeikongress für eine Veranstaltung?
Sie wird organisiert vom Behördenspiegel, einer kommerziellen Verlagsgruppe für den öffentlichen Dienst. Dort kommen Polizei, Minister*innen und Wirtschaftsvertreter*innen zusammen. Die Veranstaltung hat einen starken Messe- und Verkaufscharakter.
Welche Technologie wird ausgestellt?
Man merkt stark, dass Technik aus dem militärischen Bereich für die Polizei anwendbar gemacht werden soll. Drohnen können so hoch fliegen, dass sie quasi unsichtbar sind. Gleichzeitig können sie mit Technik gekoppelt werden, die Menschen mit Laser markiert. Es ging auch um Künstliche Intelligenz: Der US-Hersteller Axon hat seine Bodycams mittlerweile so weit entwickelt, dass Aufnahmen in Echtzeit sprachübersetzt werden. Weitere Kameras aus anderen Gegenden können in polizeilichen Lagezentren aufgeschaltet werden. In Echtzeit kann automatisiert nach Personen mit bestimmten Merkmalen gesucht werden. Da ist schon eine Menge möglich mittlerweile. Allerdings wird dadurch der Datenberg für die Polizei immer größer. Auch das ist ein Thema, bei dem KI eine Rolle spielt.
Das Ganze heißt aber »Kongress«.
Es werden auch Foren, Gesprächsrunden und Panels angeboten mit Themen, die für die Polizei relevant sind. Das ist einerseits sinnvoll, weil es Menschen aus verschiedenen Professionen zusammenbringt. Aber das fachliche Niveau ist nicht immer besonders hoch. Ich war zum Beispiel bei einem Panel zu Demokratie und Diversität in der Polizei. Dazu gäbe es viel zu sagen. Aber es kam kaum etwas Kritisches vor.
Kommen dorthin auch Kritiker*innen?
Man trifft hier mittlerweile auch Leute aus dem Bereich der kritischen Wissenschaft – eine Minderheit, aber sie sind da. Auch Amnesty International ist seit 2016 hier. Gleichzeitig ist es aber so, dass auf dem Polizeikongress kaum kritische Stimmen auch zu Wort kommen.
Angenommen, Amnesty könnte auf dem Kongress sprechen. Worüber?
Über Rassismus und Polizeigewalt. Es würde um Untersuchungseinrichtungen gehen, um Kennzeichnungspflicht. Sicher auch um ein Thema, das häufiger unter dem Radar bleibt: der Menschenrechtsschutz innerhalb der Polizei wie der interne Umgang mit Rassismus oder mit Sexismus gegenüber Polizeibeamt*innen.
Und das Anprangern von Missständen?
Auch das ist ein Thema. Die Polizei kann ein Haifischbecken sein. Wenn Polizist*innen Dinge melden, kann das erhebliche Konsequenzen haben, man gilt dann als »Kameradenschwein«.
Wie steht Amnesty zum verstärkten Einsatz von Tasern und Bodycams?
Taser sollten den Spezialeinheiten vorbehalten bleiben. Bei Polizei auf Streife überwiegen die Risiken – gerade in Bezug auf die Anwendungsschwelle, die immer weiter absinkt, und die Todesgefahr für bestimmte vulnerable Gruppen. Was Bodycams angeht, sind wir nicht dagegen. Es ist aber wichtig, dass auch Bürger*innen die Möglichkeit haben, das Einschalten verlangen zu können. Da ist die Datensicherheit wichtig, und dass Aufnahmen lange genug gespeichert werden, sodass Bürger*innen, falls sie Fehlverhalten bemerkt haben, später noch darauf zugreifen können. Auch die Justiz profitiert von den Möglichkeiten der Bodycam, um Sachverhalte aufzuklären. Auch wenn sie nur einen Teilbereich der Realität aufnehmen können.
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