Springsteen in Frankfurt: Rock für Freiheit und Hoffnung

Bruce Springsteen rockt Frankfurt mit politischer Botschaft. Die harten Gitarrenklänge prägen das Konzert und vermitteln eine eindringliche Warnung.
Bruce Springsteen hat die E-Street Band mit ihren Gitarren bewaffnet. Der amerikanische Superstar musste 75 Jahre alt werden, um seinen Konzerten in Europa einen härteren Rock-Sound zurückzugeben. Gewiss, die Bläser und die Chöre sind noch da. Aber jetzt müssen die harten Gitarrenklänge stärker in die Pflicht genommen werden, immer wieder stehen die Band-Mitglieder mit diesen Instrumenten beisammen.
Die Botschaft, die hier gespielt wird, soll nicht überhört werden: Es ist, so sieht Springsteen das, Gefahr im Verzug.
Das „Land of Hope and Dreams“, seine amerikanische Heimat, ist aus seiner Sicht einer autokratischen und korrupten Regierung anheimgefallen. Denn die Menschen waren bereit, einem „Rainmaker“ zu glauben, der ihnen bis heute das Blaue vom grauen Himmel verspricht.
Man hört es deutlich: Es gibt im Wortsinn viel zu besprechen an diesem Abend im Frankfurter Waldstadion. Und die Besucher bekommen das sogar schriftlich, jedenfalls im ersten Teil des Konzerts, dem ersten seit 2012, das Springsteen hier gegeben hat: Wie sehr hat sich die Welt seitdem verändert, und nicht zum Besseren, wie er findet.
Die für seine Verhältnisse sehr kurze Tour, die ihn nun wieder nach Frankfurt geführt hat, hatte in Manchester begonnen, im legendären San-Siro-Stadion in Mailand wird sie bald enden. Von einer Rückkehr dorthin träumt Bandmitglied Steven Van Zandt schon seit der Corona-Zeit, wie man im Dokumentarfilm „Letter to You“ auf Apple TV nachschauen kann: Weil die Fans dort die Noten besonders gut träfen, so heißt es dort.
Aber die Frankfurter Fans konnten in der Hinsicht in ihrem ausverkauften Stadion am Mittwochabend gewiss mithalten. „No Surrender“ erklingt zu Beginn.
Und dieses Mal wird das Lied nicht einfach als Mitsing-Gassenhauer gespielt, sondern mit einer aktuellen Botschaft: Aufgeben gilt nicht, Amerika ist immer noch ein tolles Land mit tollen Menschen, Springsteen hat seinen Fans in den vergangenen Jahren nichts Falsches erzählt, diese Nachricht ist ihm wichtig.
Aber im Moment ist Gefahr im Verzug. Zum Glück hat man noch einander. Jetzt gilt es, die Zeit der harten Gitarrenklänge („Death to My Hometown“) zu überstehen, auch an einsamen Tagen („Lonesome Day“).
Die Liebe zum Land und zu den Menschen wird nicht erkalten („My Love will Not Let You Down“). Selbst dann nicht, wenn man gefangen zu sein scheint: Das Lied, ein Cover von Jimmy Cliff mit dem Namen „Trapped“, hat Springsteen schon vor langer Zeit eingespielt, einst auf dem Flughafen in Amsterdam auf einer Jimmy-Cliff-Cassette wiederentdeckt, aus Reggae hat er Rock gemacht. Härter eingespielt alles, so wie vieles an diesem Abend, an dem im Zweifel die Gitarre auf der Bühne noch einmal nachgestimmt werden muss. „Trapped“ jedenfalls spielt er auf dieser Konzertreise das erste Mal auf der Bühne.
Was hingegen immer so ist: Seine Reden und die Liedtexte, die ihm in dem Kontext besonders wichtig sind, werden auf Deutsch untertitelt, um die Botschaft auch dem Frankfurter Publikum klar zu vermitteln.
Die politische Haltung Springsteens, der sich in Wahlkämpfen traditionell für die Kandidaten der Demokraten in Amerika stark macht, ist so präsent wie nie – ein roter Faden, der sich durch den gesamten ersten Teil der Show zieht, der von der Band klar mitgetragen wird, und für den Springsteen einmal auch um Verzeihung bittet: „Ich weiß, das jedes Land seine eigenen Probleme hat.“

Und so sehr seine politischen Statements vom Publikum auch begrüßt werden, so sehr ein jeder bereit zu sein scheint, seine eigene Gitarre in Springsteens Sinne im „House of Thousand Guitars“ erklingen zu lassen, um „My City of Ruins“ wieder aufzubauen: Eine gewisse Erleichterung ist auch zu spüren, als es danach zum Aufatmen in einen zweiten Teil der Nacht („Because the Night“) und bald auch in die Zugaben aus der bewährten Springsteen-Hitparade geht.
Dafür sind schließlich alle zum „Boss“ gekommen, pünktlich hat man zu erscheinen, wie man weiß. Tatsächlich fängt er auch diesen Konzertabend zwei Minuten vor dem eigentlichen Beginn an, eine Vorband gibt es nicht, dafür fast drei Stunden Programm. „Born in the U.S.A.“ spielt er tatsächlich oder erst recht auch auf diesem Konzert, am Beginn der Zugaben nach gut zwei Stunden, „Born to Run“, „Bobby Jean“ und „Dancing in the Dark“ gehen nahtlos ineinander über.
Zwischendurch findet sich Zeit, dem Waldstadion zum 100. Geburtstag zu gratulieren, Traditionen weiß Springsteen zu schätzen, ein Gespür für zeitliche Dimensionen hat er auch. Dafür ist er alt genug, und er weiß, das Dinge vergehen, Lebensbegleiter, Bandmitglieder sterben.
Im Jahr 1985 sei er das erste Mal im Stadion gewesen, erinnert er sich, wie wahr: Das war am 15. Juni 1985, also vor fast exakt 40 Jahren. Damals war Bruce Springsteen 35 Jahre alt, und das Saxophon spielte noch Clarence Clemons. Das macht heute sein Neffe Jake ganz ausgezeichnet und immer besser. Er muss eine Lücke füllen. Denn Clarence ist am 18. Juni 2011 gestorben – und damit schließt sich der Kreis ins Hier und Jetzt der E-Street-Band: Am warmen Sommerabend dieses 18. Juni 2025 erinnert Springsteen im Waldstadion mit dem schon immer Clemons gewidmeten Song „10th Avenue Freeze-Out“ und eingespielten Videosequenzen daran, wie der „Big Man“ in die Band eingetreten ist.
Es ist das Lied, zu dem jeder im Stadion daran denkt, wann er selbst als Fan in die Band eingetreten ist. Hier wird der Soundtrack des eigenen Lebens gespielt.
Am Ende wird Springsteen Jake umarmen, nachdem er mit „Twist and Shout“ das ganze Rund zum Tanzen gebracht und mit dem Bob-Dylan-Cover „Chimes of Freedom“ zum politischen Hauptthema des Konzerts, dem Kampf um Freiheit in der Heimat, zurückgekehrt ist.
Es wird ein langer Weg nach Hause werden, für Bruce Springsteen, Steven Van Zandt, Nils Lofgren, Garry Tallent, Roy Bittan, Max Weinberg und die anderen Musiker mit ihrer Botschaft, die sich in Europa so viel leichter spielt als in der Heimat. Da unterscheidet sich das San Siro in Mailand nicht vom Waldstadion in Frankfurt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung