Ajax Amsterdam verspielt Titel: Wie der Eredivisie-Rekordmeister die Meisterschaft aus der Hand gab

Schlusspfiff in Eindhoven: Die PSV hat ihre Hausaufgaben erfüllt – 4:1-Heimsieg am 33. und vorletzten Spieltag in der niederländischen Eredivisie gegen Heracles Almelo. Einige Fans verließen am späten Mittwochabend nach dem Spiel das Stadion. Die meisten der 35.000 Zuschauer aber blieben noch ein paar Minuten. Der Grund: Die Partie des Meisterschaftskonkurrenten Ajax Amsterdam, vor dem Spiel einen Punkt vor Eindhoven positioniert, war noch nicht beendet. Ajax führte bis tief in die Nachspielzeit mit 2:1 beim FC Groningen. PSV-Fans zückten ihre Handys, um die letzten Minuten der Ajax-Partie auf dem Display anzuschauen.
Die Hoffnung: ein spätes Tor für Groningen und die damit verbundene Tabellenführung. Das Ergebnis: Groningen traf tatsächlich noch zum 2:2, in der neunten Minute der Nachspielzeit, in Unterzahl nach einer Roten Karte gegen Luciano Valente. In Eindhoven brandete Jubel aus – erst aus der einen Ecke im Stadion, dann aus der anderen und irgendwann, als es alle mitbekommen hatte, von überall. Kaum zu glauben: Die von Ex-BVB-Trainer Peter Bosz gecoachte PSV hat einen Spieltag vor dem Ende der Saison die Spitzenposition in der Eredivisie übernommen.
Das ist besonders bemerkenswert, weil Ajax vor rund vier Wochen bei neun Punkten Vorsprung auf die PSV noch wie der sichere Meister aussah. Seitdem hat der Rekordmeister allerdings vier Spiele am Stück nicht gewonnen und in diesem Zeitraum nur zwei Punkte gesammelt. Eindhoven holte dank einer Serie von nunmehr sechs Siegen in Folge Woche für Woche auf, und zog ein Spiel vor dem Saisonende vorbei.

Entsetzen in Amsterdam: Ajax-Fans hatten auf eine Meisterfeier gehofft. Es folgte Ernüchterung.
Quelle: IMAGO/ANP
„Es ist nie leicht, nach einem Last-Minute-Ausgleichstreffer zu sprechen“, sagte der konsternierte Ajax-Coach Francesco Farioli. „Ein Tor in der Schlussminute hat uns früher in dieser Saison Freude bereitet, aber heute sind es Tränen.“
Seltsam kommt der Einsturz der Mannschaft daher, die mit Jordan Henderson (34), Davy Klaassen (32) und Wout Weghorst (32) über enorme internationale Erfahrung verfügt. Coach Farioli mahnte noch vor zwei Wochen, als die Talfahrt langsam Fahrt aufnahm, dass „wir unsere Emotionen gut im Griff haben – Panik oder Angst helfen uns nicht weiter“. Von kühlem Kopf ist allerdings seit Wochen keine Spur. Nach dem späten Nackenschlag in Groningen kam es zu einer wilden Rudelbildung auf dem Platz. Das Team, das bis Mitte April von Sieg zu Sieg eilte, kann auf einmal keine Spiele mehr gewinnen.
Gegen den FC Utrecht (0:4) und die NEC Nijmegen (0:3) kassierte Ajax sogar heftige Klatschen. Der Gegentreffer gegen zehn Groninger in der Nachspielzeit war das i-Tüpfelchen auf den Einbruch, der wohl in der Vizemeisterschaft münden wird.
Am letzten Spieltag hat Eindhoven alles in der eigenen Hand. Gewinnt die Bosz-Elf an diesem Sonntag (14.30 Uhr, Sportdigital) bei Sparta Rotterdam, steht der zweite Meistertitel in Folge fest. Amsterdam, zeitgleich daheim gegen Twente Enschede im Einsatz (Sportdigital), bleibt nur die Hoffnung auf einen Ausrutscher, um doch noch den 37. Meistertitel bejubeln zu können.
rnd