Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft ist bereit für den WM-Titel. Die Gründe, weshalb sie es diesmal schaffen sollte


Es dauerte lange am Samstagabend, bis die Schweizer Eishockey-Nationalspieler ihre Medienarbeit nach dem Halbfinal erledigt hatten. Das 7:0 gegen Dänemark sorgte nicht nur in der Schweiz, sondern überall in der Eishockey-Szene für Aufsehen. Dieses Team, das während Jahren irgendwo im Nirgendwo des internationalen Eishockeys dahin gedümpelt war, hat die K.o.-Phase bisher mit einem Gesamtskore von 12:0 hinter sich gebracht. Auf das 5:0 im Viertelfinal gegen Österreich folgte die Gala gegen die Dänen.
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Die Genugtuung über das Erreichte war in die Gesichtern der Spieler geschrieben. Ihre Statements aber blieben nüchtern und überlegt. Fast alle formulierten es wie Nino Niederreiter. «Wir sind noch nicht am Ziel.» Der Nationalcoach Patrick Fischer sagte kurz später: «Aus den letzten Niederlagen haben wir gelernt.» Und dann kam von ihm auch noch die Aussage vom letzten Schritt, der noch fehle.
Alles begann vor zwölf Jahren in StockholmSo lapidar die Aussage ist, so zutreffend ist sie. Silber haben die Schweizer in den vergangenen zwölf Jahren bereits dreimal gewonnen. Was noch fehlt, ist jener Weltmeistertitel, den sich speziell Patrick Fischer von Beginn seiner Amtszeit als Nationalcoach an zum Ziel gesetzt hatte. Heute im Final gegen die USA wollen die Schweizer diesen letzten Schritt vollziehen. Sie werden dann auf einen Gegner treffen, der besser und vor allem auch selbstbewusster auftritt als die letzten beiden.
Nordamerikanische Teams pflegen im Laufe der Turniere zusammenzuwachsen. Sie werden immer erst unmittelbar vor dem WM-Beginn aus den Akteuren jener Teams zusammengestellt, die bereits aus dem Stanley-Cup ausgeschieden sind. Im Fall der Amerikaner kommen 23 Spieler aus der NHL, zwei bestritten die vergangene Saison im College-Hockey. Doch wie ihr 5:2-Sieg im Halbfinal gegen Schweden zeigte: Es gibt keinen Grund, diesen Gegner zu unterschätzen.
Die WM in Stockholm und Herning ist voller Überraschungen. Mit Kanada, Tschechien und Finnland sind drei Schwergewichte des internationalen Eishockeys bereits in den Viertelfinals ausgeschieden. Deutschland, der eigentliche Angstgegner der Schweizer aus den vergangenen Jahren, erreicht diese Turnierphase nicht einmal. Wer hätte vor dem Turnier damit gerechnet, dass die Schweiz zu Beginn der K.o.-Phase gegen Österreich und Norwegen antreten muss?
Während Jahren waren die Schweizer in der entscheidenden Turnierphase immer wieder an der Slowakei gescheitert. Aber diese Zeit ist mittlerweile vorbei. In der internationalen Hierarchie haben sie den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Heute gehört die Schweiz zu den Grossen des internationalen Eishockeys. Patrick Fischer lobte die Basis der Liga, welche er bei früherer Gelegenheit wegen ihrer Ausländerpolitik auch schon heftig kritisiert hatte.
Die National League ist nicht nur zuschauermässig, sondern auch sportlich eine der besten, wenn nicht die beste Liga Europas. Genf/Servette und die ZSC Lions gewannen die letzten beiden Austragungen der Champions Hockey League. Man stelle sich vor, der neue Fussball-Meister FC Basel würde die Champions League im Fussball gewinnen – das ist reine Träumerei.
Doch es geht hier nicht darum, Fussball und Eishockey zu vergleichen. Während der Fussball eine Weltsportart ist, bleibt Eishockey weiterhin eine Nischensportart. Die Verbannung der Russen wegen ihres Krieges in der Ukraine hat die Konkurrenz noch kleiner und überschaubarer gemacht, als sie es ohnehin schon ist. Ohne die Grossmacht aus dem Osten fehlt dem internationalen Eishockey eine ihrer besten Schulen. Doch auch das ist ein Thema, das im Moment nicht zur Diskussion steht.
Die Schweiz kann heute Sonntag im Final gegen die USA erstmals in der Geschichte Eishockey-Weltmeister werden. Zum vierten Mal innerhalb der letzten zwölf Jahren steht sie im Final eines WM-Turniers. Zweimal scheiterte sie an Schweden, vor einem Jahr an der WM in Prag am Gastgeber Tschechien. Das sind beides Nationen, die auch heute im Normalfall vor der Schweiz stehen. Das zeigt allein schon die Zahl der NHL-Spieler, welche diese Nationen stellen (Schweden: 98, Tschechien 29, Schweiz 11).
Doch es geht an der Eishockey-WM nicht darum, auf dem Papier das bestmögliche Team zu stellen, sondern eine Mannschaft aus 25 Spielern, die gegenseitig füreinander durchs Feuer gehen. Und genau das haben die Schweizer in Stockholm bisher getan. Die Solidarität dieser Mannschaft übertrifft alles bisher Dagewesene.
Genonis Rekord nährt die AmbitionenEin mögliches Sinnbild dafür ist der Stürmer Sandro Schmid. Der Freiburger wurde im ersten Drittel gegen Dänemark von einer Scheibe mitten im Gesicht getroffen und schied mit einer klaffenden Wunde am Kopf aus. Er ging in die Kabine, liess sich nähen, kehrte auf das Eis zurück und erzielte im Schlussdrittel den Treffer zum 5:0, der den letzten Zweifel über den Ausgang der Partie zerstreute.
Doch nun steht noch ein Match an, der Final gegen die USA. Gegen dieses Team haben die Schweizer in der Gruppenphase in Herning bereits einmal gespielt und 3:0 gewonnen, wie sie überhaupt mittlerweile bereits fünf ihrer neun bisherigen Spiele ohne Gegentreffer überstanden haben. Seit der Startniederlage in der Verlängerung gegen Tschechien sind sie von Sieg zu Sieg geflogen.
Fünf Gründe, die für einen Schweizer WeltmeistertitelHier in aller Kürze fünf Gründe, weshalb es den Schweizern heute Sonntag zum WM-Titel reichen sollte.
- Andres Ambühl, die Davoser Eishockey-Legende verdient es, in seinem 151. und letzten WM-Spiel mit Gold abzutreten.
- Leonardo Genoni, die Goalie-Wand mit Meister-Erfahrung mit dem HCD, dem SCB und dem EV Zug, verdient es, seine Karriere mit WM-Gold zu krönen.
- Nino Niederreiter. Der Churer war als einziger bei bisher jeder Schweizer Medaille seit 2013 dabei. Mit vier Medaillen ist er der erfolgreichste Schweizer Eishockeyspieler der Geschichte. Doch Gold fehlt auch dem Churer noch.
- Der Gegner USA. Schweden ist so etwas wie der Eishockey-Albtraum der Schweizern, bereits zweimal standen die Skandinavier dem Team von Patrick Fischer im Final im Weg. Diesmal scheiterte es im Halbfinal sang- und klanglos an den USA.
- Patrick Fischer: Der Zuger war vor zehn Jahren als Nationaltrainer angetreten, um Weltmeister zu werden. Er implementierte die Swissness im Nationalteam und wurde dafür belächelt. Nun ist es für ihn Zeit, abzurechnen und zu ernten.
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