Eine verschmerzbare Niederlage für Frankfurt, aber ein lautes Alarmsignal
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Die Art und Weise der deutlichen 0:4-Niederlage in München ist ein Alarmsignal. Eintracht Frankfurt muss aus diesem Spiel umgehend die richtigen Schlüsse ziehen, sonst könnte es in Anbetracht der bevorstehenden Aufgaben Bayer Leverkusen und Ajax Amsterdam rasch ungemütlich werden.
Kein glückliches Händchen: Auch Eintracht-Coach Dino Toppmöller traf in München falsche Entscheidungen. IMAGO/Jan Huebner
Mit einem Durchschnittsalter von 23,59 Jahren schickte Dino Toppmöller die jüngste Eintracht-Startelf seit dem 34. Spieltag der Saison 1985/86 auf den Platz. Jünger war zuletzt der VfB Stuttgart am 12. November 2022 (23,56 Jahre). Das geringe Durchschnittsalter hing damit zusammen, dass die zuletzt angeschlagenen Mario Götze (32, Erkältung) und Ellyes Skhiri (29, Rippenblessur) zunächst nur auf der Bank saßen. Allerdings hätte die Möglichkeit bestanden, den erfahrenen Mahmoud Dahoud (29) anstelle des überforderten Oscar Höjlund (20) aufzubieten. Der Däne gewann laut Datenanbieter Opta keinen einzigen Zweikampf.
Mutloser Auftritt, Bayern laufstärkerDer FC Bayern erteilte den "jungen Wilden" eine Lehrstunde. Übrigens auch in Sachen Laufbereitschaft: Mit 124,28 Kilometern spulten die Bayern über fünf Kilometer mehr ab als der Underdog aus Frankfurt (119,08 Kilometer). Auch bei der Anzahl der Sprints lagen die Hausherren vorne (250:223). Die Hessen konnten heilfroh sein, dass der zuletzt angeschlagene Weltklasse-Stürmer Harry Kane nicht in der ersten Elf stand. Sonst wäre das Ergebnis wahrscheinlich noch deutlicher ausgefallen.
Wir haben auch in der Höhe verdient verloren und sehr viel Lehrgeld gezahlt. Daraus müssen wir lernen.
"Wir haben auch in der Höhe verdient verloren und sehr viel Lehrgeld gezahlt. Daraus müssen wir lernen", resümiert Sportvorstand Markus Krösche. Der Wagemut in den ersten Spielminuten, der in Hugo Ekitikés Chance zur Führung gipfelte (6.), wich rasch einer naiven Hasenfüßigkeit. Intensives Forechecking war nur in homöopathischer Dosis zu erkennen. Es fehlten Entschlossenheit und Esprit. Die Eintracht agierte wie das Kaninchen vor der Schlange.
"Wir wollten früh hoch Druck machen. Ich habe versucht, die Jungs immer wieder nach vorne zu treiben", sagte Toppmöller bei DAZN und analysierte: "Das Problem ist: Wenn wir nach Ballgewinnen den Ball relativ schnell wieder verlieren, fehlen die Körner, um immer wieder in diese Pressingmomente reinzugehen. Wir waren technisch nicht sauber genug, nicht klar genug in unserem Offensivspiel."
Kaum Tiefe im SpielDoch das ist nur die halbe Wahrheit. Allen voran Ekitiké wirkte über weite Strecken lethargisch, beinahe lustlos, und stand sinnbildlich für die Schwächen im Offensivspiel. Der Franzose zwang die Bayern in keine Eins-gegen-eins-Duelle und versäumte es, seine Tempovorteile auszuspielen. Den nicht minder flinken Ansgar Knauff und Jean-Matteo Bahoya gelang ebenfalls kaum etwas. Die fehlende Tiefe im Spiel bemängelte auch Krösche mehrfach, als er in der Mixed Zone zu den Journalisten sprach.

Hugo Ekitiké (re.) sah gegen die bayrische Verteidigung um Eric Dier keinen Stich. IMAGO/Sven Simon
Toppmöllers taktische Umstellung auf ein 4-4-2 verpuffte. Aktuell scheint sich die Mannschaft im 3-4-2-1 oder 3-5-2 wohler zu fühlen. In einem 3-4-2-1 hätte Knauff weiter vorne im Halbraum spielen können, so wie beim 2:0-Erfolg im Heimspiel gegen Borussia Dortmund. Das hätte die Wahrscheinlichkeit auf mehr Tiefe im Spiel erhöht. Bahoya wiederum ist für so ein Spiel schlichtweg noch zu grün hinter den Ohren.
Entscheidend für die Niederlage war die Grundformation allerdings nicht; kein einziger Spieler kam an sein Leistungsmaximum heran. Das ist bedenklich. Man sollte der Mannschaft schon ansehen können, dass sie um den Einzug in die Champions League kämpft.
Lichtblick Uzun zur Pause ausgewechseltEinziger Lichtblick war Can Uzun, der Ekitikés Chance nach Bahoyas Ballgewinn einleitete und selbst zu einigen Abschlüssen kam. Toppmöller bewies kein glückliches Händchen, indem er ausgerechnet den 19-Jährigen zur Halbzeit herausnahm. Uzun war der einzige Akteur, dem man an diesem Tag zutrauen konnte, auch mal einen Ball hinter die Kette zu spielen. Ihn zu opfern, war ein offensichtlicher Fehler.
Joker Elye Wahi zeigte nicht, weshalb die SGE für ihn 20 Millionen Euro hinblätterte. Laut Toppmöller kam der Franzose "aus Fitnessgründen" noch nicht für die Startelf infrage. Das ist kein gutes Zeugnis für einen Profisportler und erinnert an Ekitikés große Probleme während der ersten Monate in Frankfurt. Nur 57 Prozent von Wahis Abspielen erreichten einen Mitspieler. Torgefährlichkeit strahlte er nicht aus. Allerdings hatte er es auch nicht leicht, weil keiner da war, der ihn in die Tiefe schickte.
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Elye Wahi zeigt bisher nicht, warum die Eintracht 20 Millionen Euro für ihn bezahlte. IMAGO/Jan Huebner
So verpuffte - wie bei Ekitiké - der Tempovorteil. Mit schnellen Spielern wie Knauff, Bahoya, Ekitiké und Wahi muss die Mannschaft sehr viel häufiger in den Rücken der gegnerischen Abwehr kommen. An diesem Defizit muss Toppmöller dringend arbeiten. Auch der naive Spielaufbau ins Pressing der Bayern hinein ist ein Warnzeichen. Das erinnerte an den indiskutablen Auftritt beim 0:3 im DFB-Pokal in Leipzig. Warum wurde daraus nichts gelernt?
Wir haben die Grenze von Mut zu Naivität das eine oder andere Mal zu oft überschritten und den Gegner teilweise dazu eingeladen, Tore zu schießen.
Mit Geschick, Glück und Leidenschaft gelang es zumindest bis zum 0:1 noch, einige gefährliche Bayern-Abschlüsse zu blocken. Tuta und Rasmus Kristensen taten sich dabei positiv hervor, sie gingen nach der Pause im defensiven Tohuwabohu aber mit unter. "Wir haben in allen Bereichen viele falsche Entscheidungen getroffen", bemängelt Krösche. Toppmöller moniert: "Wir haben die Grenze von Mut zu Naivität das eine oder andere Mal zu oft überschritten und den Gegner teilweise dazu eingeladen, Tore zu schießen." Von Mut konnte in München allerdings keine Rede sein, eher von Leichtsinn.
Duelle gegen Ajax von größter BedeutungEine Niederlage beim Tabellenführer ist gewiss kein Beinbruch. "Wir sollten unsere Punkte gegen andere Gegner holen", sagt Coach Toppmöller richtigerweise. Zähler in München sind immer Bonuspunkte, die objektiv betrachtet nicht erwartet oder gar eingeplant werden können. Die Art und Weise der Niederlage ist aber ein unüberhörbares Alarmsignal. Wie am Montag zu vernehmen war, soll in dieser Woche intern Tacheles geredet werden. Die Unzufriedenheit über die Leistung in München ist größer, als es am Sonntagabend nach außen den Anschein erweckte.
Die Eintracht muss sich erheblich steigern, gegen Leverkusen und Amsterdam ein anderes Gesicht zeigen. Besonders die beiden Spiele in der Europa League gegen Ajax sind von größter Bedeutung. Ajax ist keine internationale Top-Mannschaft mehr, wie noch vor ein paar Jahren. Qualitativ ist die Eintracht besser aufgestellt. Fliegt sie trotzdem im Achtelfinale raus, wäre das ein Stimmungskiller, der sich auch auf den weiteren Saisonverlauf in der Liga negativ auswirken könnte. Die Ausgangslage ist hervorragend, um in dieser Spielzeit sehr viel zu erreichen. Doch die Eintracht muss stets auf der Hut sein, sonst könnte sie auch noch sehr viel verlieren. Es bleibt ein schmaler Grat.
kicker