Formel 1 in Kanada: George Russell bringt Abwechslung

George Russell hat in Kanada den ersten Saisonsieg für Mercedes eingefahren, McLaren erlebte dagegen den ersten großen Knall im WM-Duell. Vier Runden vor Schluss endete ein hart geführter Zweikampf zwischen dem WM-Zweiten Lando Norris und Formel-1-Spitzenreiter Oscar Piastri mit einem üblen Crash. Norris musste sein Auto auf der Zielgeraden stehen lassen, Piastri rettete sich immerhin noch als Vierter ins Ziel. Damit fällt Norris im Rennen um den Titel noch weiter hinter Piastri zurück. „Meine Schuld, sorry, Leute“, funkte der Engländer an die Box, der in der WM nun 22 Punkte Rückstand auf Piastri hat.
Vorne raste Russell nach dem Start von der Pole Position zum Sieg und ließ Weltmeister Max Verstappen im Red Bull hinter sich, der durch einen fehlerfreien Auftritt Punkte im WM-Kampf mit McLaren aufholte. Auf Platz drei bejubelte der 18-jährige Kimi Antonelli im zweiten Mercedes seinen ersten Podiumplatz in der Formel 1. Die favorisierten McLaren blieben auf dem Circuit Gilles-Villeneuve erstaunlich blass – zum ersten Mal in diesem Jahr durfte kein Fahrer dieses Teams aufs Podium. Bei dem Unfall ging es um Rang vier.

Der frühere Formel-1-Fahrer Robert Kubica sorgt für den dritten Titel in Serie von Ferrari. Mick Schumacher kommt im Alpine nach den 24 Stunden als Elfter ins Ziel.
Mit seinem Sieg durchbrach Russell im zehnten Saisonrennen die Dominanz von Red-Bull-Weltmeister Verstappen und McLaren. Zuvor hatten nur sie gewonnen, Russell belohnte sich für sein bislang starkes Jahr im Schatten der drei. Im Hinblick auf seine Zukunft ist sein vierter Karrieresieg viel wert, sein Vertrag bei Mercedes läuft bislang am Saisonende aus. „Es ist super, wieder ganz oben zu stehen, das letzte Mal ist lange her“, sagte Russell, „aber ich will nicht zu viele Hoffnungen schüren. Unser Auto funktioniert eben gut in diesen kühleren Bedingungen. Wir genießen das, die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht.“
Das Duell in der ersten Startreihe war mit Spannung erwartet worden, da Verstappen dem Silberpfeil-Piloten vor zwei Wochen in Spanien aus Wut mit Absicht ins Auto gefahren war. Für den Rammstoß hatte Verstappen nicht nur eine Zehn-Sekunden-Strafe erhalten, die ihn in Barcelona am Ende auf Platz zehn zurückwarf. Außerdem erhielt er drei Strafpunkte. Kassiert er beim kommenden Großen Preis in Österreich nur einen mehr, würde das eine Sperre für den Grand Prix in Silverstone nach sich ziehen.
Auf den Plätzen fünf und sechs folgten die Ferrari-Piloten Charles Leclerc und Lewis Hamilton. Nico Hülkenberg durfte sich nach seinen überraschenden Punkten zuletzt in Spanien erneut über Zählbares freuen. In seinem Sauber wurde der 37-jährige Deutsche hinter Fernando Alonso (Aston Martin) Achter.

„Die erste Kurve wird knifflig und entscheidend, aber es ist ein langes Rennen“, hatte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei Sky vor dem Start gesagt. Gefahr für einen neuerlichen Eklat zwischen Verstappen und Russell sah er aber nicht. „Max soll sich nicht provozieren lassen und sein Rennen fahren. Ich glaube, es wird nichts passieren“, sagte der Österreicher.
Beim Start kam Russell am besten weg, Verstappen konnte ihm nicht gefährlich werden. Dahinter verlor Piastri nach wenigen Kurven Platz drei an Antonelli, Hülkenberg schob sich in der Auftaktrunde auf Rang neun. Doch schon nach einiger Zeit funkte Verstappen von zunehmend schlechtem Gefühl mit seinen Reifen. Ein Boxenstopp wurde unausweichlich, Antonelli machte hinter ihm schon mächtig Druck. Russell folgte kurze Zeit später und blieb vorne. Auch Antonelli zog umgehend nach. Vorne übernahmen Norris und Leclerc die Spitze – beide waren mit harten Reifen gestartet und pokerten womöglich auf eine Ein-Stopp-Strategie. Doch Russell und Verstappen rauschten von hinten beständig heran, die Reifenwechsel von Leclerc und Norris folgten.
Russell fing rund um die Rennhälfte an, seinen Vorsprung auf den Champion auszubauen. 15 Runden vor Schluss übernahm Russell wieder die Führung. Doch die Vergabe der Podestplätze war noch völlig offen. Keiner der Top Fünf leistete sich einen entscheidenden Fehler. Bis es zum Duell der McLaren kam. Norris und Piastri starteten nach ihren letzten Stopps nochmal Angriffe auf das Podium – und fuhren sich letztlich gegenseitig in die Autos. Keiner wollte dem anderen Raum geben. Das Rennen wurde hinter dem Safety Car beendet.
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