Marc-André ter Stegen droht in Barcelona eine beispiellose Degradierung – sucht er sich nun einen neuen Verein?

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Marc-André ter Stegen droht in Barcelona eine beispiellose Degradierung – sucht er sich nun einen neuen Verein?

Marc-André ter Stegen droht in Barcelona eine beispiellose Degradierung – sucht er sich nun einen neuen Verein?
An Trainingsfleiss mangelt es Marc-André ter Stegen nicht.

Der FC Barcelona hat einen neuen Torhüter. Joan García, 24, kommt von Espanyol und kostet die in seinem Vertrag festgeschriebene Ablöse von 25 Millionen Euro. In der abgelaufenen Saison war er der La-Liga-Torwart mit den meisten Paraden – allerdings für einen Verein, der gegen den Abstieg kämpfte und oft eher defensiv ausgerichtet war. Warme Worte gab ihm der alte Klub nicht mit auf den Weg – zu gross ist die Rivalität mit dem Stadtrivalen.

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Joan Garcia, nou jugador del Barça! 💙❤️ pic.twitter.com/WipB61y0so

— FC Barcelona (@FCBarcelona_cat) June 20, 2025

Düpiert von dem Wechsel ist ein Mann, der gerade in Griechenland Ferien macht: Marc-André ter Stegen, Barças etablierter Stammtorwart. In den Medien durfte er seit Wochen lesen, was am Freitag offiziell bestätigt wurde: Der Neue soll die Nummer eins werden. Mehr noch: Als Nummer zwei plant der Klub laut übereinstimmenden Berichten mit Wojciech Szczesny.

Das Geld spielt eine wichtige Rolle

Der Pole wurde vorige Saison aus dem Ruhestand reaktiviert, als sich ter Stegen die Patellasehne im rechten Knie riss. Szczesny zeigte zuverlässige Leistungen und machte sich schnell Freunde im Team. Den Routinier bewertet man im Vergleich zu ter Stegen als teamfähiger und damit kompatibler mit einer Reservistenrolle. Nicht zuletzt verdienen García und Szczesny zusammen nicht so viel wie ter Stegen allein.

Finanzielle Notwendigkeiten sind das eine. Die sportliche Komponente ist etwas ganz anderes. Denn die Liaison von ter Stegen und Barça konnte eigentlich immer als Erfolgsgeschichte gelten. Bisweilen galten ter Stegens Paraden für Barças Erfolg als ähnlich entscheidend wie vorne die Genialitäten von Lionel Messi.

Ter Stegen kam 2014 zum Klub und gewann auf Anhieb die Champions League. Damals rotierte er im Tor noch je nach Wettbewerb mit dem Chilenen Claudio Bravo. Im Sommer 2016 setzte der Deutsche dann Trainer und Präsidium mit einem Angebot von Manchester City unter Druck. Damals entschied man sich für den neun Jahre jüngeren ter Stegen. Neun Jahre sind es nun auch, die ter Stegen von Joan García trennen.

Dass sich die Vorzeichen im Klub ändern, ist allerdings noch aus einer ganz anderen Perspektive ungemütlich für ter Stegen: Nachdem er bald ein Jahrzehnt lang auf seine Chance im deutschen Nationalteam gewartet hatte, schien der Weg nach dem freiwilligen Rücktritt von Manuel Neuer endlich für ihn frei. Doch gerade in diesem Augenblick zog sich ter Stegen den Riss der Patellasehne zu.

Auf den ersten Blick wirkt das wie eine böse Pointe des Schicksals. Denn ter Stegen hatte sich zuvor zähneknirschend in seine Rolle als zweiter Mann im Nationalteam gefügt. Die Nummer eins, die ihm den Weg verstellte, war zu überragend: Manuel Neuer, der nicht nur in Deutschland das Torwartspiel in den letzten fünfzehn Jahren prägte, war in einem Masse unangefochten, dass selbst ein Spitzenmann wie ter Stegen nicht allzu laut Ansprüche anzumelden brauchte.

Marc-André ter Stegen auf der Bank des FC Barcelona – ein Dauerzustand?

Dabei gab es dennoch die Möglichkeit zum Einsatz, denn Neuer war häufiger verletzt. 2022, als Neuer sich nach der Weltmeisterschaft im Dezember bei einer Skitour das Schienbein brach, war sogar fraglich, ob er je wieder zurückkehren würde. Ter Stegen vertrat ihn und räumte seinen Platz ohne Widerworte, als Neuer diesen beanspruchte.

Dabei stand sein Münchner Konkurrent unter starkem Druck. Julian Nagelsmann, nunmehr Coach des Nationalteams, war seinerzeit Trainer des FC Bayern. Während Neuer sich von seiner Verletzung erholte, setzte er dessen Vertrauten, den Torwarttrainer Toni Tapalovic, vor die Tür. Neuer intervenierte öffentlich mit einem Interview, er beklagte Illoyalität – und kehrte schliesslich wieder ins Nationalteam zurück, nachdem Nagelsmann dieses von dem im Oktober 2023 entlassenen Flick übernommen hatte.

Nagelsmann ergreift Partei für ter Stegen

Inzwischen tritt Nagelsmann als grosser Fürsprecher ter Stegens auf. Zum Ende der Nations League sagte Nagelsmann mit Blick auf ter Stegens Situation in Barcelona: «Ich würde mir irgendwie wünschen, aufgrund der Vergangenheit einzelner Protagonisten und ihrer Verbundenheit zur Nationalmannschaft und auch zu ihm, dass er eine Info bekommt, wie es da weitergeht.»

Diese eindringliche, an Einmischung grenzende Anteilnahme ist ungewöhnlich für Nationaltrainer. Allerdings ist sie im Fall von Nagelsmann alles andere als uneigennützig. Auch er muss wissen, wie es weitergeht – und ob er in Zukunft auf einen Torhüter zugreifen kann, der bei einem europäischen Spitzenklub spielt.

Zumindest eines ist angesichts der langen Vorgeschichte klar: Auf einen Landsmannbonus beim Trainer Flick braucht ter Stegen nicht zu zählen. Der Coach sieht sich allein dem Klub verpflichtet. Ausserdem dürfte schlecht angekommen sein, dass ter Stegen öffentlich für seine Sache warb und sich für einen Podcast der «Bild»-Zeitung Zeit nahm, was der restriktiven Informationspolitik des FC Barcelona widerspricht. Dass zusätzlich zu ter Stegens öffentlicher Eigenwerbung auch seine Berater im Frühjahr hinter den Kulissen für ein sofortiges Comeback im Team lobbyiert haben sollen, gehört zu den Dingen, die Flick am wenigsten leiden kann.

Schliesslich verbindet ihn mit ter Stegen kein ähnlich enges Verhältnis wie einst mit Manuel Neuer beim FC Bayern. Neuers Intimus Toni Tapalovic ist nun übrigens Flicks Assistent in Barcelona – eine weitere Querverbindung, welche die Causa so brisant macht.

Nun eröffnete ter Stegen vor der entscheidenden Saisonphase eine wenig opportune Debatte, zu der sich Flick an jeder Pressekonferenz positionieren musste. Dieses Verhalten hat den Blick auf ihn im Klub verändert. Zumal ter Stegen für Flick kein Unbekannter ist. Auch er erlebte den ehemaligen Mönchengladbacher als Nummer zwei im Nationalteam zu jener Zeit, als er Cheftrainer der deutschen Mannschaft war. Dass Flicks Votum trotz der Klasse des Konkurrenten zugunsten Manuel Neuers ausfiel, kann kaum überraschen.

Als Assistent von Joachim Löw war er 2014 beim WM-Sieg dabei, als Neuer zu den prägenden Figuren zählte. Sechs Jahre später waren es Neuers Paraden, dank denen der von Flick trainierte FC Bayern die Champions League gewann. Was dem Trainer damals auch nicht entgangen sein dürfte: Wann immer die Bayern auf den FC Barcelona mit ter Stegen trafen, machte der Wahlkatalane nicht unbedingt den glücklichsten Eindruck. Das 8:2 der Bayern im Viertelfinal der Champions League war eines dieser Beispiele. Und als Neuer nach zehnmonatiger Verletzungspause zurückkehrte, wirkte ter Stegen an jenem Wochenende im Fernduell alles andere als souverän.

Flick sieht die Harmonie gefährdet

Allerdings handelt es sich dabei um Klagen auf Weltklasseniveau. Jetzt aber droht ter Stegen eine beispiellose Degradierung. Dabei sah er sich als Leistungsträger, der hart für sein Comeback geschuftet hatte. Der Trainer Flick jedoch sah ihn als Kapitän, der primär nicht an das Team, sondern an sich selbst dachte. Flick hatte es geschafft, über die gesamte Saison keine Spannungen aufkommen zu lassen und Barça auf eine Woge der Euphorie zu hieven. Interne Harmonie sieht der Coach als essenziell für erfolgreichen Fussball an.

Dass diese gewährleistet ist, wenn ter Stegen nach einer möglichen Degradierung bei Barça bleibt, darf bezweifelt werden. Und so ist es nicht auszuschliessen, dass ter Stegen sich den kommenden Konkurrenzkampf durch einen Vereinswechsel ersparen wird.

nzz.ch

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