Ohne Neue, ohne Alte: Das ist Bayerns Rumpftruppe für die Klub-WM

Von Jonathan Tah bis Tom Bischof, von Leroy Sané bis zum möglichen Ersatz für Florian Wirtz: Vor der Klub-WM in den USA beschäftigen den FC Bayern nach den Aufregungen der vergangenen Monate erneut allerhand offene Transferfragen. Bisher ist nur klar, dass ziemlich wenig klar ist.
Sommerpausen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Kaum ist der Meistersekt getrunken (Entschuldigung: das Meisterbier natürlich!), legte der FC Bayern schon wieder los. Am 5. Juni beorderte Trainer Vincent Kompany einen Rumpfkader zurück auf den Trainingsplatz, am 10. Juni geht’s in den Flieger: Orlando calling, die Klub-WM in den Vereinigten Staaten.
Die große Frage lautet: Wer soll da eigentlich spielen? Beziehungsweise: Wer kann? Und wer darf?
Thomas Müller soll, kann und darf, sein Vertrag wurde kurzfristig verlängert, zum letzten, wirklich allerletzten Mal. Mindestens drei Partien absolviert Müller noch im FCB-Trikot, in der Vorrunde gegen Auckland City (Sonntag, 15. Juni, 18 Uhr MEZ), die Boca Juniors (Samstag, 21. Juni, 3 Uhr MEZ) und Benfica Lissabon (Dienstag, 24. Juni, 21 Uhr MEZ).
Jamal Musiala wird nach seinem Muskelbündelriss beim auf vier Wochen aufgeblähten Turnier dabei sein, für Dayot Upamecano (freie Gelenkkörper im Knie) gilt dasselbe – bei beiden unter der Prämisse, dass alles läuft wie geplant.
Ketzerisch gesagt aber war‘s das mit den wirklich guten Nachrichten. Der Rest: Ach, es ist kompliziert. Nach all den Aufregungen der vergangenen Monate (Müller! Florian Wirtz! Max Eberl!) klemmt es im Münchner Transferausschuss erneut an veritablen Ablöse-, Finanzierungs- und sonstigen Dingen.
Bis 10. Juni ist das zur Klub-WM geschaffene Extra-Transferfenster geöffnet, bis dahin braucht es Lösungen. Etwa bei Tom Bischof, der aus Hoffenheim zum FC Bayern kommt, allerdings bis 30. Juni an die TSG gebunden ist. Damit wäre er erst zum Viertelfinale der Klub-WM spielberechtigt, weshalb die Bayern versuchen, Bischof vorher loszueisen. Die Einigung steht aus.
Selbe Situation bei Jonathan Tah, der bis 2029 in München unterschrieb und nach aktuellem Stand ab 1. Juli offiziell Bayern-Profi ist. Auch hier sträubt sich Tahs Noch-Arbeitgeber Bayer Leverkusen gegen eine frühere Freigabe und ruft eine Millionensumme auf, die der FC Bayern (bisher) nicht zahlen will; von bis zu fünf Millionen Euro ist die Rede, offenbar sind die Münchner Bosse mächtig verstimmt.
Leverkusen weiß um Bayerns akute Personalnöte in der Defensive, wo Alphonso Davies (Kreuzbandriss) und Hiroki Ito (Mittelfußbruch) sicher fehlen, Upamecano kein verlässlicher Faktor sein kann und Min-jae Kim (Achillessehne, Zyste am Fuß) in den Staaten ebenfalls auszufallen droht.
Unklar ist obendrein der Umgang mit Eric Dier, der nach dieser Saison zur AS Monaco wechselt, die wiederum mäßig begeistert ist von der Vorstellung, dass Dier allein für die Klub-WM-Vorrunde mit Bayern nach Amerika reist – zumal er sich im letzten Bundesligaspiel die Hand brach. Tah, Kim, Dier: Irgendwie hängt alles mit allem zusammen.
Ähnlich verhält es sich mit den Kandidaten für einen Abgang. Bei Leroy Sané zieht sich der Poker inzwischen über Wochen, es geht um die Höhe des Angebots, präziser: um die Zusammensetzung von Fixgehalt und variablen Teilen. An sich würde Sané gerne bleiben, Kompany würde ihn gerne halten, trotzdem bewegt sich nichts. Weil die Bayern nichts mehr drauflegen und die Sané-Seite bockt. Londoner Vereine (Arsenal, Chelsea, Tottenham) und Galatasaray sind interessiert, die Zeit drängt.
Kingsley Coman war jetzt zehn Jahre beim FC Bayern, ein elftes wird‘s wohl nicht geben; besonders Saudi-Arabien lockt. Außerdem dürften die kostspieligen Flops Sacha Boey und Joao Palhinha bei entsprechenden Offerten gehen. Deutlicher skizziert sich die Lage bei Ersatztorwart Daniel Peretz, der nach Eindhoven verliehen werden soll, unter Umständen mit Kaufoption.
Die krachende Transferklatsche um Leverkusens Wirtz, den die Bayern fest verankert hatten in ihren kühnen Tagträumen vom Fußball der Zukunft – sie hallt nach. Zu offensiv, zuweilen bräsig hatten die Säulenheiligen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge den Regisseur umgarnt.
Andersherum spart der FC Bayern ohne Wirtz ein gigantisches Paket aus Ablöse, Gehalt, Erfolgsboni und Honoraren, das Gesamtvolumen dürfte sich an die 250 Millionen Euro bemessen. Freie Mittel für neue Stars? Eindeutige Antwort: jein.
Viel hängt an der Personalie Sané. Für den Fall, dass Bayern auf dem Markt aktiv wird oder werden muss, schwirrt der Name von Portugals Rafael Leao (25, AC Milan) immer lauter durch die legendären Transferhinterzimmer der Säbener Straße.
Allerdings soll Milan über 100 Millionen Euro aufrufen – zu viel aus Bayern-Sicht. Alternativ werden zwei Japaner gehandelt, Kaoru Mitoma (28, Brighton & Hove Albion) und Takefusa Kubo (24, Real Sociedad), dazu der Niederländer Cody Gakpo (26, FC Liverpool) sowie, ein kleiner Klassiker, der Spanier Nico Williams (22, Athletic Bilbao).
Angesichts der vielen Wirrungen mag diese Gewissheit beinahe tröstlich sein: Mit überwältigender Wahrscheinlichkeit wird niemand davon am 10. Juni im Bayern-Flieger gen Amerika sitzen.
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