Öztunali, Jatta und Co: Der seltsame Umgang des HSV mit seinen Profis

Beim HSV hat eine große Personalfluktuation (traurige) Tradition. Das war schon zu früheren Bundesliga-Zeiten so - und ist es auch nach dem Wiederaufstieg. Der Kader wurde im Sommer einmal auf links gedreht. Für einst als "Heilsbringer" präsentierte Spieler wie Levin Öztunali oder den früheren Publikumsliebling Bakery Jatta ist kein Platz mehr im Team.
Ein Gutes hatte die Länderspiel-Pause für einige Profis des HSV ja, die aktuell keine Nationalspieler sind und eben auch keine Rolle in der Hamburger Mannschaft spielen. Im Testspiel am vergangenen Donnerstag gegen ein besseres B-Team des Zweitligisten Hannover 96 durften sie mal wieder auflaufen.
Nachhaltig empfehlen konnte sich auf dem Trainingsplatz im Schatten des Volksparkstadions beim 1:3 gegen die Niedersachsen aber keiner der Akteure, mit denen Coach Merlin Polzin eigentlich gar nicht mehr oder kaum noch plant. Insbesondere für die Verteidiger Guilherme Ramos und Silvan Hefti sowie Offensivmann Jatta gibt es in der momentanen Konstellation keine Perspektive, wie Polzin unlängst erklärt hat.
Andere Spieler wie der zu Zweitliga-Zeiten gesetzte Jonas Meffert oder Stürmer Robert Glatzel, von dessen Toren die Norddeutschen lange abhängig waren, sind aktuell nur zweite Wahl.
HSV-Kader mit 30 Profis aufgeblähtBei einem inzwischen auf 30 Profis aufgeblähten Kader (inklusive vier Torhütern) dürfte konzentriertes Arbeiten für Polzin phasenweise schwierig werden. Und der gerade einmal 34 Jahre alte Coach macht auch gar kein Geheimnis daraus, dass einige Akteure nun nicht mehr alle Übungsformen werden mitmachen dürfen: "Es ist von uns klar kommuniziert, wie unsere Trainingsmethodik aussieht. Jeder weiß Bescheid, wie seine Situation aussieht. Es ist nicht fair, über Einzelne nochmal und nochmal zu sprechen", sagte der Fußballlehrer dem "kicker". Dass Polzin seinen (etwas kryptischen) Worten Taten folgen lassen wird, scheint sicher.
Denn als eine seiner ersten Maßnahmen nach seiner Beförderung vom Co- zum Chefcoach in der vergangenen Saison schickte er den eigentlich stets zuverlässigen Abwehrspieler Moritz Heyer sowie Levin Öztunali in die eigene U21. Heyer wechselte kurz darauf zu Fortuna Düsseldorf, Öztunali sitzt seinen bis zum Saisonende datierten Vertrag vermutlich ab.
Öztunali als Sinnbild für verfehlte PersonalpolitikDer Offensivmann war 2023 von Union Berlin in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Als Enkel von Vereinsikone Uwe Seeler wurde seine Verpflichtung von vielen HSV-Fans gefeiert wie die Ankunft eines Weltstars. Dabei hatte der 29-Jährige bei seinem vorigen Arbeitgeber keine Rolle mehr gespielt. Und in Hamburg enttäuschte er auch zumeist, sodass seine Degradierung in die Regionalliga-Mannschaft aus sportlichen Gründen nachvollziehbar war.
Doch während solche Maßnahmen in vielen anderen Clubs respektvoll vollzogen werden und der betroffene Akteur somit sein Gesicht wahren kann, machte der HSV wieder HSV-Sachen und schob ihn wortlos "bis auf weiteres" in den "Talenteschuppen" ab - und dort ist er noch immer.
So müssen mögliche Interessenten für den 29-Jährigen schon fast den Eindruck gewinnen, dass der einstige U21-Nationalspieler das Fußballspielen komplett verlernt hat.
Hinzu kommt das Gehalt von Öztunali. Es ist in der Branche ein offenes Geheimnis, dass keiner der HSV-Profis Sorge tragen muss, dass der Gerichtsvollzieher vor seiner Tür stehen wird, weil er seine Miete nicht mehr überweisen kann. Fast egal, wie die Manager oder Sportvorstände beim Traditionsclub auch hießen, es wurde schon immer gerne geklotzt statt gekleckert im Volkspark.
Viele Spieler wurden mit Abfindungen weggelobtUnd wenn ein Profi irgendwann als für sportlich zu leicht befunden wurde? Dann wurde er trotz seiner Verdienste wie just im Falle von Ex-Kapitän Sebastian Schonlau weggelobt - und natürlich abgefunden. Denn wenn der HSV HSV-Sachen macht, ist meistens eine Vertragsauflösung inklusive großzügiger Abfindung dabei.
Die Liste derer, die mit einer finanziellen Entschädigung zum Abgang aus Hamburg bewegt wurden, ist lang. Und Hefti, Jatta und Ramos könnten die nächsten darauf sein.
Jatta und Hefti mit langfristigen VerträgenZwar ist das Wechselfenster in einigen Ländern wie Portugal noch offen, doch ob der HSV sein Aufgebot wirklich noch ausgedünnt bekommt, erscheint zumindest fraglich. Denn wenn ein Profi erst als nicht mehr gewollt öffentlich gebrandmarkt ist, stehen die Interessenten für ihn erfahrungsgemäß nicht Schlange.
Und im Falle von Hefti (Vertrag bis 2028) und Jatta (Kontrakt bis 2029) ist es einfach auch so, dass beide bei einem Wechsel wohl zum Teil erhebliche Gehaltseinbußen hinnehmen müssten. So soll Jatta laut übereinstimmenden Medienberichten bis zum Auslaufen seines Arbeitspapieres noch ein Salär von insgesamt fast fünf Millionen Euro zustehen.
Den "Rentenvertrag" mit dem 27-Jährigen schloss noch der frühere Vorstand Jonas Boldt ab - und ließ sich dafür auf der HSV-Mitgliederversammlung im Januar 2024 bejubeln. Es war nicht das einzige Missverständnis, das Boldt zu verantworten hatte. Auch die Verpflichtung von Öztunali, dem aktuell wohl bestbezahlten Viertliga-Spieler in ganz Europa, fiel in seine Amtszeit.
Öffentliche Degradierung führt zu WertverlustSchon seinerzeit munkelte der eine oder andere Experte und Fan, dass der Transfer des Seeler-Enkels mehr Folklore als Strategie sei. Und so kam es dann ja auch. Und was machte der HSV? Er machte HSV-Sachen, schickte den Offensivmann in die U21 und machte so auch einen Wert zunichte. Denn nichts anderes ist ein Profi für einen Proficlub.
Wobei zu konstatieren ist, dass der Bundesliga-Aufsteiger beim öffentlichen Umgang mit seinen Spielern noch Professionalisierungsbedarf hat...
sportschau