Playoff-Finale im Basketball: Den Ärger gibts vor dem Spiel

Alles war angerichtet für diese Meisterschafts-Finalserie, die es in dieser Form im deutschen Basketball noch nie gegeben hat. Bayern München gegen ratiopharm Ulm, der Hauptrunden-Erste gegen den -Zweiten, der Meister von 2024 gegen den von 2023, 11 500 Zuschauer im ausverkauften SAP Garden im Olympiapark. Doch schon bevor Bayerns Center Devin Booker das Sprungball-Duell verlor, bevor Ulm durch zwei zügige Dreier von Justinian Jessup 6:0 in Führung ging, und lange bevor die Bayern die Partie mit 82:66 gewannen, war der Ärger losgegangen.
Denn am Sonntagmittag, wenige Stunden vor dem Start, veröffentlichten die Ulmer eine Mitteilung, die es in sich hatte – und die die Bayern wie auch die Bundesliga (BBL) in ein schlechtes Licht rückte. „Durch die Unnachgiebigkeit der easyCredit BBL und unseres Finalgegners FC Bayern Basketball werden nicht nur zwei Ulmer Top-Talente zwischen ihren Träumen aufgerieben und der sportliche Wert der Finalserie zur Disposition gestellt, dazu wird aus unserer Sicht ein fatales Zeichen nach außen gesetzt“, heißt es in dem Schreiben.

Ein Feiertag für den deutschen Handball: In einem hochklassigen Champions-League-Finale gewinnt der SC Magdeburg 32:26 gegen die Füchse Berlin – und verhindert somit das Double des deutschen Meisters.
Was die Schwaben so wütend gemacht hatte: Die BBL hatte Ulms Antrag auf eine Spielverlegung der Best-of-five-Serie abgelehnt, Rechtsmittel dagegen können sie nicht einsetzen. Warum die Ulmer die kurzfristige Verlegung überhaupt durchsetzen wollten? Wegen einer unglücklichen Terminkollision, die ausgerechnet ihre beiden Top-Talente Noa Essengue, 18, und Ben Saraf, 19, betrifft. Die Teenager gehen mit guten Chancen in den diesjährigen NBA-Draft, jene Gala, in der sich die 30 NBA-Teams die besten Nachwuchsspieler der Welt sichern. Doch diese findet am 25. und 26. Juni in New York statt. Ein mögliches viertes und fünftes Finalspiel zwischen Ulm und München würde am 24. und 26. Juni ausgetragen – unmöglich also, beides unter einen Hut zu bekommen.
Die Ulmer sprechen davon, dass „wochenlange, bereits deutlich vor Beginn der Playoffs begonnene Gespräche und unsere intensiven Bemühungen, eine verträgliche Lösung zu finden, im Handstreich abgewiesen“ worden seien. Mit dem Argument, die Teilnahme am NBA-Draft sei kein „wichtiger Grund“. Dabei, führen sie aus, „hätte die BBL – wie in anderen Fällen auch – die Möglichkeit gehabt, eine Verlegung nach §11.5 der Spielordnung einseitig zu beschließen“. Also ohne Anhörung oder Rücksprache mit den betreffenden Klubs. Die BBL hatte aber schon vor den Playoffs beschlossen, den Spielplan wie geplant beizubehalten. Und die Bayern lehnten nicht ganz überraschend die Bitte des Gegners um Verlegung ab. Zwar hätten sie laut eines Sprechers noch versucht, ein mögliches fünftes Spiel auf den 23. Juni vorzuverlegen. Dies sei aber wegen einer Veranstaltung im SAP Garden nicht durchzusetzen gewesen.
Im Fall von Essengue und Saraf geht es um GrundsätzlicheresIm Fall von Essengue und Saraf geht es aber um Grundsätzlicheres: den Umgang der BBL mit Terminüberschneidungen, die weit über die Liga hinausgehen. Schon während der Saison gab es Debatten um Bundesligaspiele, die nicht einmal zwei Tage nach Euroleague-Partien angesetzt wurden. Damals wüteten besonders die Bayern über die fehlende Weitsicht der BBL. Diese zeigt sich nun auch in den Playoffs. Nicht wegen Essengue und Saraf, denn wegen Einzelschicksalen sollte die Liga nicht ihr komplettes Playoff-Programm umschmeißen. Die BBL sollte eher hinterfragen, warum sie ihre Endrunde über einen Zeitraum von sechs Wochen streckt – am Ende fühlt sie sich an wie ein endlos in die Länge gezogener Kaugummi – der auch Essengue und Saraf nicht mehr schmeckt.
Andererseits steckt die BBL inzwischen in einem kaum noch zu dehnenden Terminkorsett, das künftig noch enger werden dürfte. Denn von der kommenden Saison an gibt es nicht nur noch mehr Euroleague-Spiele, sondern auch durch das zusätzliche 18. Team wieder mehr Bundesligapartien. Es dürfte daher noch schwerer für die Liga werden, die Teams und ihre Spieler nicht zu überfordern.
„Egal wie sich Noa und Ben entscheiden werden – wir respektieren das und stehen fest zu den beiden“, schrieben die Ulmer in ihrem Statement noch. Bayern-Trainer Gordon Herbert sagte am Abend nach dem Spiel nüchtern: „Die Liga hat den Protest abgewiesen, was sollen wir denn tun?“
Essengue und Saraf trugen übrigens eher bescheidene drei beziehungsweise zwei Punkte für Ulm bei, sie waren Nebendarsteller an diesem Abend, der lange vor sich hinplätscherte, bis die Bayern spät aufdrehten. Mehrere Dreier der Münchner Topscorer Andreas Obst und Shabazz Napier ließen Herberts Mannschaft, die vier Minuten vor Schluss nur mit 67:66 führte, schließlich davonziehen. Und wer weiß, ob die ganze Aufregung um die Teenager sich zumindest in dieser Finalserie nicht schnell in Luft auflöst. Denn wenn Bayern München am Mittwoch auch die zweite Partie in Ulm gewinnt, dann hat der Klub am Samstag seinen ersten Matchball. Verwandelt er auch diesen, können Essengue und Saraf zwar als Geschlagene, aber ohne Gewissensbisse nach New York aufbrechen.
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