Valentina Maceri moderiert Fussball – und kritisiert den modernen Feminismus

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Valentina Maceri moderiert Fussball – und kritisiert den modernen Feminismus

Valentina Maceri moderiert Fussball – und kritisiert den modernen Feminismus
«Ich weiss, was ich kann»: Valentina Maceri im Studio von Blue.

Die Sendung im Fernsehstudio des Schweizer Privatsenders Blue ist zu Ende, Inter Mailand hat im Champions-League-Halbfinal gegen Barcelona gespielt, und nun steht Valentina Maceri mitten im Raum und wird von Zuschauern belagert.

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Ein Vater spricht Maceri an, will über Fussball reden und übers Moderieren, seine drei Söhne stehen etwas abseits, tragen Barcelona-Shirts und blicken erwartungsvoll. Maceri antwortet, lächelt, dann ein Foto. Und schon wollen die Nächsten ein Bild mit ihr: Valentina Maceri, ehemalige Profi-Fussballerin, nun Fussball-Moderatorin, Aushängeschild, politische Buchautorin, Provokateurin, Projektionsfläche, Vorbild.

Seit bald zwei Jahren moderiert Maceri beim wichtigsten Schweizer Fussball-Sender Blue Sport die Champions-League-Abende. Gemeinsam mit dem Nationalplappermaul Roman Kilchsperger führt sie durch die Spiele der europäischen Königsklasse.

Seit dem Beginn ihrer Karriere erlebt Maceri Anfeindungen in den sozialen Netzwerken. Was eine Frau bei einem Sportsender verloren habe, schreiben sie in den Kommentarspalten. Seit wann Waschmaschinen über Fussball sprächen.

Und doch: Maceri ist längst etabliert in dieser Männerdomäne. Beim Champions-League-Final am Samstag, dem Fussballereignis des Jahres, werden Inter Mailand und Paris Saint-Germain gegeneinander spielen, und Maceri, 31, wird die Schweizer Zuschauer durch den Abend führen.

Was bedeutet es, wenn eine Frau sich ganz selbstverständlich in einem durch und durch machistischen System bewegt? Wenn sie nicht anklagt, nicht einfordert, sondern einfach übernimmt? Die Antwort liegt irgendwo zwischen Selbstbestimmung, harter Arbeit und, wie es Valentina Maceri selbst nennt, «cojones». Eiern.

Die Jüngste im Raum

Angefangen hat der Abend im Studio im Backstage-Bereich, in den sterilen Hallen von Blue, irgendwo in der Agglomeration von Zürich. Maceri tauscht sich mit ihren Gästen der Sendung aus, mit dem früheren FC-Basel-Captain und Nationalspieler Marco Streller, dem deutschen Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann. Maceri bekommt das Mikrofon angesteckt und das letzte bisschen Puder aufgetragen.

Maceri ist umgeben von meinungsstarken Experten, sie ist die Jüngste in der Runde und – natürlich – die einzige Frau. Sie könnte auf steile Thesen verzichten. Sie könnte sich nicht exponieren wollen. Doch Maceri funktioniert anders.

«2:1 für Inter», prophezeit sie. «Niemals», heisst es aus der anderen Ecke des Raumes. Barcelona sei in der Offensive viel zu stark, der Wunderknabe Lamine Yamal zu gefährlich für die Inter-Defensive. Maceri bleibt allein mit ihrer Meinung. Ein Gefühl, das sie seit Kindesalter kennt.

Valentina Maceri während einer Champions-League-Sendung.
Valentina Maceri während einer Champions-League-Sendung.

Sie wuchs in Nürnberg auf, in einer Wohnung direkt über dem Gastrobetrieb ihrer Eltern, die aus Italien eingewandert waren. Als Kind blickte sie zu ihrem Cousin hoch. Mit ihm spielte sie auf den Strassen Fussball gegen andere Jungs, stets als einziges Mädchen. Schoss sie ein Tor oder trickste sie einen Jungen aus, bekam sie Ärger statt Applaus. Die Jungs mochten es nicht, vorgeführt zu werden.

Vom Rasen ins Studio

Auch ihre Eltern waren gegen das Fussballspielen. Das sei nichts für Mädchen. Krumme Beine, blaue Flecken, das gehöre sich nicht. Maceri spielte trotzdem weiter. Ein Trainer entdeckte sie auf dem Schulhof und überzeugte die Eltern, sie in ein Mädchenteam aufzunehmen. Es folgte tatsächlich eine Profikarriere, sie kam zu Einsätzen in den Jugendteams der deutschen Nationalmannschaft und in der Champions League der Frauen. Als sie merkte, dass ihre Karrieremöglichkeiten begrenzt waren, wechselte sie vor die Kamera. Und blieb dabei immer in Rasennähe.

Maceri studierte Kommunikation sowie Sportmanagement und absolvierte Praktika. Dann ging sie ins Sportressort der «Bild» und blieb sechs Jahre.

Der Wechsel zu Blue begann mit einer Nachricht der Moderatoren-Ikone Marcel Reif. Maceri sass vor dem Fernseher, es lief Champions League. Reif fragte, ob sie sich eine Moderation in der Schweiz vorstellen könne. Blue suche eine weibliche Co-Moderation für die Sendung mit Roman Kilchsperger. Aus Marcel Reifs eigener Sendung «Reif ist Live» war Maceri bereits bekannt.

Wenn Valentina Maceri heute auf dem Bildschirm erscheint, wird sie meist inmitten alter Bekannter gezeigt – mit Roman Kilchsperger oder eben Marcel Reif. Das sind Männer mit Meinung, mit jahrzehntelanger Fussball-Vergangenheit, mit Stallgeruch. Auf den ersten Blick scheint Maceri in jeder Runde das Gegenstück zu sein. Obwohl sie die gleiche Sprache spricht. Wenn es um Dreierketten, um Gegenpressing, einen abkippenden Sechser geht, weiss Maceri, wovon sie spricht.

War das jetzt sexistisch?

Die Kollegen schwärmen, wenn sie über Maceri reden. Eine «Maschine» sei sie. Oder schlicht: «riesig». Es sind Worte, mit denen Männer üblicherweise andere Männer beschreiben. Dieses «Eine von uns»-Sentiment ist spürbar hinter den Kulissen von Blue, wenn Maceri vor dem Spiel mit Didi Hamann über einen Bundesliga-Trainer diskutiert oder bei einem Schenkelklopfer von Roman Kilchsperger lacht, ohne die Augen zu verdrehen.

Der Abend ist jetzt im Gang. In der Halbzeit des Spiels erinnert Kilchsperger an einen Punkt auf der Themenliste, den er noch klären wolle. Welcher der Champions-League-Trainer denn nun der attraktivste sei.

Valentina Maceri sitzt dem zwinkernden Kilchsperger gegenüber. Sie lacht, wie sie es oft tut, wenn es albern wird. «Als Italienerin wähle ich natürlich Simone Inzaghi», sagt sie. Die Kollegen nicken, machen Witze über Hansi Flicks Sportjacke und Inzaghis Mailänder Massanzug. Maceri ergänzt, Flick verkörpere eben die deutschen Tugenden, Inzaghi dafür den Mailänder Style. Alle lachen. Dann geht es weiter.

War das jetzt sexistisch?

Maceri sagt später, dass man als Frau nicht jedes Mal ein Fass aufmachen müsse, nur weil eine Frage gestellt werde, die man auch einfach charmant wegmoderieren könne. «Ich weiss, wie Roman tickt», sagt sie. Und er wisse, dass sie kontern könne.

«Der Irrtum des modernen Feminismus»

Vor kurzem erschien Maceris erstes Buch: «Fuck Female Empowerment – der grosse Irrtum des modernen Feminismus». Ein Buch, das mehr Haltung als Handwerk ist. Die Argumente sind klar, die Sprache ist kantig.

Maceri lehnt ab, was viele als Fortschritt sehen. Sie schreibt über Stolz, Leistung, Selbstverantwortung. Im Gespräch sitzt sie gerade, spricht ruhig. Sätze wie formatiert. Es fällt kein Ton zu viel. Der Titel des Buchs sei bewusst provokativ, sagt sie – aber mit einem Augenzwinkern zu verstehen. «Female Empowerment» sei heute überall: in der Werbung, auf Social Media, ein Label, das sich gut verkaufe. «Oft steckt dahinter keine echte Gleichberechtigung, sondern eine Bewegung, die sich selbst im Weg steht.»

Zieht hier eine Frau die Leiter hinter sich hoch, nachdem sie selbst oben angekommen ist? Maceri schüttelt den Kopf: «Niemals. Ich freue mich über jede Frau, die erfolgreich ist. Ich glaube an Chancengleichheit, nicht an Ergebnisgleichheit.» Und genau dies wollten die feministischen Bewegungen von heute.

In ihrem Buch erwähnt Maceri einen Artikel, in dem ein Journalist einen Kommentar von Roman Kilchsperger zu ihrem Kleid als problematisch dargestellt hat. «Die Storyline des Sexisten war schneller perfekt, als ich persönlich über den harmlosen Witz meines Kollegen lachen konnte», schreibt sie in der Einleitung ihres Buches. Heute entscheide die Öffentlichkeit, was Sexismus sei und was nicht.

Trotzdem bleibt die Frage: Wozu dieses Buch? Weshalb diese Offensive – gegen eine Bewegung, die eigentlich auf ihrer Seite steht?

Valentina Maceri hätte es sich bequem machen können. Lukrative Moderationsaufträge, gute Einschaltquoten, wenig Reibung. Stattdessen: ein Buchtitel wie ein Mittelfinger. Hinter solchen Parolen könnte eine Frustration stecken – oder der Wunsch nach noch mehr Aufmerksamkeit und Rampenlicht.

Designeranzug, TV-Lächeln – und eine klare Meinung zur Startformation.
Designeranzug, TV-Lächeln – und eine klare Meinung zur Startformation.

Für Maceri ist die Antwort klar. Sie suche keinen Kampf. «Ich sehe, was auf Social Media passiert. Wie schnell man gecancelt wird, wenn man einem gewissen Narrativ widerspricht. Und meine Karriere ist ein gutes Beispiel für eine Frau, die sich nie in die Opferrolle begeben hat und trotzdem Erfolg hat.» Maceri sagt, dass keinem jungen Mädchen geholfen sei, wenn man ständig vom ominösen Patriarchat erzähle.

Nun folgt am Samstag der Champions-League-Final. Sie wird gefordert sein. Und danach? Wenn Maceri von der Zukunft spricht, sagt sie: Ballon d’Or – die Auszeichnung für den besten Fussballer der Welt. Diese Gala will sie moderieren. Sie will international arbeiten, vielleicht in Italien, vielleicht in England. Das ist ihr Traum.

nzz.ch

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