Zuerst überrascht Murat Yakin mit seiner Aufstellung – dann nehmen die Schweizer die mexikanischen Geschenke dankend an


Jean-Christophe Bott / Keystone
Salt Lake City, die Mormonenstadt im amerikanischen Gliedstaat Utah, ist eigentlich ein ruhiger, beschaulicher Ort, für amerikanische Verhältnisse erst recht. Doch am Samstagnachmittag geht es im Osten der Stadt wild und laut zu und her, im Rice-Eccles Stadium, wo die Schweizer Fussballer auf Mexiko treffen.
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Dort spielt eine Mariachi-Band auf. Flimmert Tequila-Werbung über die grosse Leinwand. Branden La-Ola-Wellen durch das weite, unüberdachte Rund. Und unten auf dem Rasen entfaltet sich ein Spiel, das sich Attribute wie unterhaltsam oder aufregend verdient, aber eines bestimmt nicht: hochstehend.
Sechs Tore fallen in diesem Spiel, wobei es noch mehr hätten sein können. Am Ende gewinnen die Schweizer mit 4:2. Es ist ihr zweiter Erfolg in Folge. Das haben sie zuletzt vor einem Jahr geschafft, was einiges darüber erzählt, wie die letzten Monate für sie verliefen. Auch ist es das erste Mal seit einem Jahr, dass ihnen vier Tore gelingen.
Den Schweizern ist das Spielglück holdAls Fabian Rieder in der 90. Minute der letzte Treffer glückt, freuen sich die Schweizer überschwänglich mit dem jungen Solothurner. Doch sie tun gut daran, sich nicht zu viel auf den Sieg einzubilden, weil an diesem Nachmittag viel für sie gelaufen ist.
Das vierte Schweizer Tor versinnbildlicht das. Es kommt zustande, weil die Mexikaner den Ball in der eigenen Platzhälfte preisgeben. Und weil den Schweizern danach auch noch das Spielglück hold ist. Rieder schiesst, ein gegnerischer Verteidiger lenkt den Ball unhaltbar ab.
Es ist nicht das erste Mal in dieser Partie, dass Mexiko den Schweizern in die Füsse spielt. Die Mittelamerikaner haben zwar im Frühling die Nations League ihres Kontinentalverbands Concacaf gewonnen, sind ihnen aber kein guter Gegner und schon gar kein «sehr starker», wie der Nationaltrainer Murat Yakin nach dem Spiel behauptet. Bei zwei der vier Schweizer Treffer helfen die Mexikaner mit, weil sie den Ball in einer gefährlichen Zone preisgeben. Sie können nicht verbergen, dass mehrere Stammkräfte auf der Ersatzbank sitzen, unter anderem Edson Álvarez, der Captain.
Bei einem weiteren Tor haben die Schweizer Glück, weil ihm eine Abseitsstellung vorausgeht, die ungeahndet bleibt, da bei diesem Testspiel kein Videoschiedsrichter zuschaut. So gehen sie nach 64 Minuten wieder in Führung, 2:1, Zeki Amdouni, und das in einer Phase, in der ihnen das Spiel zu entgleiten droht.
Jean-Christophe Bott / Keystone
Bevor sie am Samstag im Rice-Eccles Stadium einliefen, hatten die Schweizer diese Woche viel davon gesprochen, wie wichtig ihnen die Reise in die Vereinigten Staaten ist, die Spiele gegen Mexiko und am Dienstag gegen die USA. Und eines muss man ihnen zugutehalten: Sie lassen gegen Mexiko den Worten auch Taten folgen.
Widrigkeiten gibt es in Salt Lake City einige. Heiss brennt die Nachmittagssonne vom Himmel. Trocken und stumpf ist das Geläuf. Lautstark die 40 000 Zuschauer, die fast alle auf der Seite des Gegners sind; im Südwesten der USA gibt es eine grosse mexikanische Community.
Die Schweizer begegnen alldem mit der versprochenen Ernsthaftigkeit. Sie verteidigen zwar zuweilen etwas inkonsequent, aber wenn sich ihnen die Chance bietet, selbst ein Tor zu erzielen, dann greifen sie zu.
Yakin stellt Jashari doch nicht aufVor der Partie überraschte Murat Yakin, der Nationaltrainer, mit seiner Aufstellung. Auf dem Flug in die USA hatte Yakin davon gesprochen, dass er Ardon Jashari an der Seite der Routiniers Granit Xhaka und Remo Freuler in sein Mittelfeld einbauen wolle. Und dass es eigentlich klar sei, dass sein Team in einer Dreierkette verteidigen werde; entsprechend sei auch das Kader aufgebaut.
Gegen Mexiko spielt im Schweizer Mittelfeld an der Seite von Xhaka und Freuler dann nicht Jashari, der in Belgien in der letzten Saison so geglänzt hatte, sondern Vincent Sierro. Die Schweizer verteidigen auch nicht zu dritt, sondern zu viert. Und Yakin will sich nach dem Spiel nicht mehr daran erinnern können, einen Jashari-Einsatz in der Startformation so eindeutig angekündigt zu haben. Wieder einmal zeigt sich, dass Yakin kein Trainer ist, der von langer Hand plant. Sondern einer, der sich von Instinkt und Intuition leiten lässt.
Jashari kommt dann doch noch, in der zweiten Halbzeit und anstelle des Captains Xhaka. Der 22-Jährige macht seine Sache gut, gewinnt viele Zweikämpfe, ist präsent, glänzt mit einer fast 100-prozentigen Passquote. Überhaupt ist es ermutigend, wie das Schweizer Team in der zweiten Halbzeit den Sieg sicherstellt. Beim Stand von 1:1 hat Yakin in der 62. Minute nach dem Captain Xhaka und Ricardo Rodríguez mit Manuel Akanji und Breel Embolo zwei weitere routinierte Teamstützen ausgewechselt. Insgesamt fehlt nun die Erfahrung von 406 Länderspielen. Dennoch entscheiden die Schweizer das Spiel noch für sich, was für die Breite in ihrem Kader spricht.
Nach dem Spiel gibt es in den Katakomben des Rice-Eccles Stadium viele erfreute Schweizer Gesichter zu sehen. Da ist Dan Ndoye, der einmal mehr gezeigt hat, dass er für die Offensive unersetzlich geworden ist. Da ist Silvan Widmer, der zuletzt nicht in Yakins Aufgebot stand und nun als Rechtsverteidiger beginnen durfte. Und da ist Fabian Rieder, der nach einer schwierigen Saison in Stuttgart wieder einmal 90 Minuten zum Einsatz gekommen ist und danach von Yakin wie Aurèle Amenda, der Innenverteidiger, viel Lob erhält.
Beide, Amenda und Rieder, zählen zu ersten Gewinnern dieser Reise, die am Dienstag in Nashville mit dem Spiel gegen die USA weitergeht.
nzz.ch