Bernd Ziesemer: Symbolischer Sieg für Siemens Energy

Der Hersteller von Windkraftanlagen und Gasturbinen Siemens Energy löst seine Staatsgarantien vorzeitig ab. Ist das schon ein Befreiungsschlag für den Dax-Konzern?
Selbst Christian Bruch wird etwas mulmig, wenn er den Aktienkurs seines Konzerns betrachtet, der sich seit seinem Tiefpunkt verzehnfacht hat. Der Vorstandschef von Siemens Energy erklärte dem „Handelsblatt“ vorige Woche, der Höhenflug an der Börse spiegele „die Erwartungen an die Zukunft wider, nicht die Performance der Gegenwart“. Gut gesagt!
Seit einer Weile wartet Siemens Energy fast nur noch mit positiven Nachrichten auf. Die Umsätze steigen, die Gewinne wachsen, das Auftragsbuch füllt sich. Die letzte gute Nachricht stammt vom letzten Freitag: Der Konzern gibt die staatlichen Rückgarantien vorzeitig zurück, die in der Krise von 2023 sein Überleben gesichert hatten. Damit kann Siemens Energy nun erstmals wieder Dividenden zahlen – und auch einen Bonus für Bruch und seine Vorstandskollegen.
Aber kann man deshalb schon von einem Befreiungsschlag sprechen? Wahr ist: Siemens Energy muss nicht mehr 100 Mio. Euro pro Jahr an den Bund zahlen. Aber die neuen Garantien der Banken kosten natürlich auch Geld. Der Konzern braucht sie, um seinen hohen Auftragsbestand abzusichern. Der Sieg ist also mehr symbolischer Art als ein großer Streich für die Gewinn- und Verlustbilanz.
Gamesa bleibt die Problemsparte von Siemens EnergyEigentlich kann man den Konzern erst dann als nachhaltig saniert und für die Zukunft gerüstet betrachten, wenn Bruch endlich auch sein größtes Problem löst: Gamesa. Die spanische Windkrafttochter macht immer noch hohe Verluste – in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahrs 623 Mio. Euro. Damit lag Gamesa zwar besser als im gleichen Vorjahreszeitraum, aber immer noch sehr weit unter der Gewinnschwelle. Die Sparte frisst damit fast genauso viel Geld auf, wie Siemens Energy mit seinem florierenden Netzgeschäft verdient. Und an den roten Zahlen ändert sich nach der Prognose des Konzerns vorläufig auch nichts: Für das laufende Gesamtgeschäftsjahr erwartet Bruch bei Gamesa ein Minus von 1,3 Mrd. Euro.

Das Erstaunlichste am Fall Gamesa ist, wie lange sich Siemens Energy nun schon mit den Problemen herumschlägt. Von 2020 bis 2025 ist bei den Spaniern ein Gesamtverlust von 7 Mrd. Euro aufgelaufen, das laufende Geschäftsjahr bringt den Minuswert damit auf über 8 Mrd. Euro. Gamesa geht in die Siemens-Geschichte ein als „größter M+A-Flop der letzten 30 Jahre“, schrieb der Managementexperte Manfred Hoefle schon Anfang vergangenen Jahres. Und die Misere ist noch nicht zu Ende – ja eine Lösung nicht einmal in Sichtweite.
Mit Windkraftanlagen auf See verdient Siemens Energy Geld, auf Land verliert der Konzern massiv Geld. Neue Aufträge nimmt die Tochter gegenwärtig für Landprojekte nicht herein – bleiben nur die Serviceeinnahmen. Erst 2028 will der Konzern im Windgeschäft wenigstens eine bescheidene Marge von drei bis fünf Prozent erreichen. Bis dahin vergeht noch viel Zeit. Und selbst wenn sich dieses Ziel erreichen lässt, verwässert die Windkraft auch dann noch die Gewinne des Gesamtkonzerns stark. Schließlich kamen die anderen Sparten zuletzt auf eine Gewinnmarge von 11 bis 15 Prozent. Umgekehrt gilt: Wird der Konzern das Gamesa-Problem doch noch irgendwie los, geht die Aktie von Siemens Energy erst richtig durch die Decke. Das verdiente dann den Begriff Befreiungsschlag.
Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.
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