Landbesitz: Wie sich wenige Konzerne viel Land sichern

Mit dem Namen Benetton verbinden viele Menschen bunte Klamotten und – zumindest früher – provokante Werbekampagnen. Der Anfang des Jahres verstorbene Oliviero Toscani, in den Achtziger- und Neunzigerjahren Kreativchef der italienischen Marke, fotografierte ein weißes Baby an der Brust einer schwarzen Frau, das Foto wollte die Firma als Stellungnahme zu Rassismus verstanden wissen.
Wenn es um den Ausbau der eigenen Ländereien geht, scheint die Familie Benetton weniger zimperlich zu sein. Ihre Holding Edizione, unter der sie auch die Modemarke Benetton führt, gehört zu den weltweit größten privaten Landbesitzern. Die größten zehn kontrollieren mittlerweile weltweit rund 405 000 Quadratkilometer, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Studie „Lords of the Land“ der Organisation Fian, sie setzt sich für Menschenrechte ein, und der aktivistischen Denkfabrik Focus on the Global South.
Die zehn Großen betreiben Land- und Forstwirtschaft, wie die Firma Wilmar mit riesigen Palmölplantagen in Südostasien und Afrika, oder stammen aus der Energiewirtschaft wie der britische Ölkonzern Shell oder wie die noch junge Firma Blue Carbon aus Dubai. Gegründet hat sie Scheich Ahmed Dalmuk al-Maktum, ein Mitglied des Königshauses. Einer der Deals: Berichten zufolge kaufte Blue Carbon 2023 für 1,5 Milliarden Dollar 7,5 Millionen Hektar Land in Simbabwe, etwa ein Fünftel der Landfläche. Mit den entsprechenden CO₂-Zertifikaten wolle Blue Carbon Unternehmen und Regierungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten helfen, ihre CO₂-Bilanz aufzubessern, so der US-Fernsehsender CNN.
Immer stärker, so ein Ergebnis der Studie, breiten sich auch Akteure aus der Finanzindustrie aus, etwa der US-Pensionsfonds TIAA und sein Vermögensverwalter Nuveen. TIAA habe seinen weltweiten Besitz zwischen 2012 und 2023 von 328 200 auf 1,2 Millionen Hektar fast vervierfacht. Allein in der brasilianischen Cerrado-Region, laut Fian einer der artenreichsten Gebiete der Welt, halte er 61 000 Hektar. Auch deutsche Pensionsgelder der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe seien am Erwerb dort beteiligt gewesen. In der Region seien riesige Landflächen in industrielle Baumplantagen, Monokulturen und Weideland umgewandelt worden, „begleitet von Abholzung, gewaltsamen Landnahmen und massiver Umweltzerstörung“.
Seit dem Jahr 2000 haben sich Unternehmen und Finanzakteure mehr als 650 000 Quadratkilometer Land angeeignet, das entspreche dem Doppelten der Fläche Deutschlands, heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Mehr als 70 Prozent der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche befinden sich ihr zufolge in den Händen von nur einem Prozent aller Agrarbetriebe. Diese extreme Landkonzentration wertet Fian-Agrarreferent Roman Herre als Ausdruck eines globalen Trends: „Vermögen wird von der arbeitenden Bevölkerung hin zu Eliten verlagert“. Die Folgen seien dramatisch: Die zunehmende Landkonzentration gefährde die Ernährungssicherheit und bedrohe die Existenz von rund 2,5 Milliarden Kleinbauern sowie von 1,4 Milliarden der ärmsten Menschen weltweit, die direkt von der Landwirtschaft leben.
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