Mobilitätskompass: Was Leser über E-Autos, Tempolimit und Bahn denken

Wer große Fragen beantworten will, startet am besten mit einer Bestandsaufnahme. Diese steht auch am Anfang unseres Themenspezials zur Mobilität, in dem es darum geht, ob Deutschland reif für die Verkehrswende ist.
Wo läuft es in der Verkehrspolitik gut? Wo schlecht? Wie ist der Zustand von Brücken, Straßen, Schienen? Gibt es genügend Parkplätze, Fahrradwege und Platz für Fußgänger? Das wollten wir von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wissen, und deshalb haben wir Sie für den „Mobilitätskompass 2025“ danach gefragt.
Es ist die größte empirische Umfrage zu Mobilität und Verkehr, die Medienhäuser in Deutschland jemals in Auftrag gegeben haben. Einen Monat lang, vom 27. März bis zum 27. April, waren die Online-Fragebögen freigeschaltet. Fast 80.000 Leserinnen und Leser haben sie anonym ausgefüllt.

Deutschland ist nicht reif für die Verkehrswende! Diese These steht am Anfang unseres Themenspezials zur Mobilität von Morgen. Die Aussage provoziert in ihrer Pauschalität, sie fordert zum Nachdenken auf, womöglich gar zum Widerspruch – und das soll sie auch. Wie bewegen wir uns von A nach B – und zwar schnell, sicher und mit möglichst geringen Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Lebensräume? Darum soll es in den kommenden zwei Wochen gehen. Mit 15 Thesen zu 15 Themen laden wir Sie zum kritischen Dialog ein. Wir werden bundesweit relevante Probleme erörtern, etwa die Dauerkrise der Bahn, den schleppenden Umstieg auf die Elektromobilität oder den langen Weg zum selbstfahrenden Auto. Es wird aber auch um die Verkehrssituation in ihrer Region gehen: Um die Anbindung mit Bussen, die Reaktivierung von Bahnstrecken, die seit Jahrzehnten versprochenen Umgehungsstraßen. All diesen Themen werden wir nachspüren – in Ihrer gedruckten Zeitung genauso wie auf deren digitalen Kanälen.
Die Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, geben aber einen guten Überblick darüber, wie die Leserinnen und Leser regionaler Medien über die Verkehrswende denken.
Eine der Hauptaussagen: Deutschland ist Autoland – und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Rund drei Viertel der Befragten nutzen den privaten Pkw mehrmals im Monat. Kein anderes Verkehrsmittel ist derart populär. 71 Prozent halten ihr Auto für unverzichtbar, nur acht Prozent glauben, dass sie problemlos darauf verzichten könnten. 21 Prozent geben an, dass sie zwar verzichten könnten, aber das nicht wollen.
Beim Antrieb sind traditionelle Verbrennungsmotoren am beliebtesten, rund 28 Prozent der Umfrage-Teilnehmer würden bei einem Neuwagenkauf auch heute noch auf Benziner und Diesel setzen. Für Hybrid-Varianten mit Verbrenner- und Elektroantrieb würden sich rund 22 Prozent entscheiden, reine Elektroautos favorisieren 20 Prozent. Ebenfalls 20 Prozent sind unentschlossen.
Die Vorbehalte gegen reine Stromer haben mehrere Gründe. Der wichtigste ist der Preis. Zwei von drei Befragten (68 Prozent) halten reine Elektroautos für zu teuer in der Anschaffung. Jeweils 59 Prozent sorgen sich um die Reichweite und das schlecht ausgebaute Ladenetz, 54 Prozent um die Lebensdauer der Batterie. 45 Prozent halten die Ladezeiten für zu lang. Umgekehrt loben Verbrenner-Fans die gute Tankstellen-Infrastruktur (68 Prozent), die hohe Reichweite (67 Prozent) und die ausgereifte Technik (59 Prozent).
Auch bei einer anderen Zukunftstechnologie sind die Teilnehmer der Umfrage skeptisch: beim autonomen Fahren. Die Allermeisten wollen nach wie vor selbst steuern, Gas geben und bremsen. Nur 22 Prozent würden in ein autonom gesteuertes Fahrzeug ohne Fahrer einsteigen. Fast jeder Zweite (rund 48 Prozent) schließt das für sich aus. 30 Prozent wissen noch nicht, ob sie die Technologie nutzen würden.
Flexibler sind die Befragten beim Thema Tempolimit. 53 Prozent würden eine allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen „voll und ganz“ unterstützen, weitere 15 Prozent größtenteils. Strikt ablehnend gegen eine Obergrenze sind nur 15 Prozent, weitere acht Prozent sind „eher“ dagegen. Der alte ADAC-Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ verfängt bei der Mehrheit der Menschen offenbar nicht mehr.
Neben Autos stehen auch Fahrräder und E-Bikes hoch im Kurs: 57,5 Prozent der Befragten treten mehrmals im Monat in die Pedale. Weniger als die Hälfte (44 Prozent) nutzt regelmäßig Bus und Bahn, nur knapp jeder Dritte (29,7 Prozent) bewältigt auch längere Strecken zu Fuß. Motorräder, Taxen, Carsharing-Angebote und E-Scooter sind nur für eine Minderheit interessant.
Dazu passt, dass Berufspendler als größte Hindernisse auf ihrem Weg zur Arbeit mit jeweils rund 35 Prozent Staus und unsichere Radwege angeben. Fehlende Radwege beklagen 20 Prozent der Befragten, Verspätungen im Nahverkehr 27 Prozent. Von den Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, geben jeweils rund 61 Prozent an, dass Alternativen zum Auto zu viel Zeit kosteten oder es kein praktikables ÖPNV-Angebot gebe.
Öffentliche Verkehrsmittel schneiden in der Umfrage besser ab, als es die Dauerkritik an der Bahn in der jüngeren Vergangenheit vermuten lassen würde. Immerhin 39 Prozent stimmen der Aussage „voll“ oder „eher“ zu, dass Busse und Bahnen pünktlich fahren. Weitere 31 Prozent sind der Meinung, dass der öffentliche Personennahverkehr zumindest „teilweise“ pünktlich ist. Auch mit Anbindung (50 Prozent) und Sicherheit (54 Prozent) ist eine Mehrheit der Befragten „eher“ oder sogar „voll“ zufrieden.
Schlechte Noten bekommt der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bei den Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme, mit der nur 16 Prozent der Befragten für „voll“ oder „eher“ zufrieden sind. Auch bei der Barrierefreiheit ist noch Luft nach oben. Mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl halten nur 27 Prozent den ÖPNV für gut nutzbar. Nachbesserungsbedarf sehen die Befragten auch bei der Ausstattung der Haltestellen mit Sitzen oder Dächern zum Schutz vor Regen und Sonne.
Eine besonders positive Veränderung in der Verkehrspolitik war aus Sicht der Leserinnen und Leser die Einführung des Deutschlandtickets. Fast jeder Dritte (29 Prozent) nutzt es bereits. Vier von fünf Befragten (79 Prozent) schätzen es, dass das Ticket landesweit funktioniert und ihnen die Auseinandersetzung mit regionalen Tarifmodellen erspart. 70 Prozent sparen durch das Ticket im Vergleich zu ihren bisherigen Fahrkarten auch noch Geld ein.
Selbst die im Januar vorgenommene Preiserhöhung von 49 auf 58 Euro für das Monatsabo hat an dessen Popularität wenig geändert. 54 Prozent der Befragten halten den aktuellen Preis für angemessen. 16 Prozent wären sogar bereit, noch etwas draufzulegen. Nur etwa 30 Prozent finden das Deutschlandticket zu teuer.
rnd