Praktikum im zweiten Jahr: Wozu dient es wirklich?

Seit 2024 müssen alle Schülerinnen und Schüler im zweiten Schuljahr ein zweiwöchiges Praktikum in einem Unternehmen, einer Behörde oder einem Verband absolvieren. 560.000 Schülerinnen und Schüler sind davon betroffen. Was ist der eigentliche Zweck dieses Praktikums?
Die große Neuerung seit dem letzten Jahr: Alle Schülerinnen und Schüler des zweiten Studienjahres der allgemeinbildenden und technischen Studien absolvieren nun am Ende des Schuljahres ein obligatorisches zweiwöchiges Praktikum, während die Schülerinnen und Schüler des ersten und letzten Studienjahres an ihrem Abitur arbeiten.
Das Ministerium spricht von der „Rückeroberung des Junis“, doch die Herausforderung geht über den Kalender hinaus. Das Ziel ist zweifach: Schülerinnen und Schüler an die Berufswelt heranzuführen, sie bei ihrer Berufswahl zu unterstützen und gleichzeitig soziale Ungleichheit zu bekämpfen.
Mit 15 oder 16 Jahren haben nicht alle Schüler den gleichen beruflichen Werdegang. Manche wachsen mit Eltern auf, die Anwälte, Ärzte, Architekten usw. sind. Andere haben noch nie einen Fuß in ein Büro gesetzt.
Ziel dieses Praktikums ist es daher, allen Menschen, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund, erste konkrete Erfahrungen zu ermöglichen.
In der Praxis sieht die Realität gemischt aus. Im Jahr 2024 fanden fast neun von zehn Studierenden einen Praktikumsplatz – eine bemerkenswerte Zahl laut Ministerium. In einigen ländlichen oder benachteiligten Gebieten blieb die Nichtvermittlungsquote jedoch hoch. Und die Qualität der angebotenen Praktika variiert stark. Dies bestätigt, dass das familiäre Netzwerk trotz der weit verbreiteten Einführung des Systems weiterhin ein wichtiger Hebel ist.
Insgesamt sind die ersten Rückmeldungen positiv: 83 Prozent der Studierenden geben an, zufrieden zu sein, 93 Prozent fühlten sich willkommen und zwei Drittel entdeckten für sie unbekannte Berufe.
Allerdings glauben nur 43 %, dass das Praktikum für ihre Berufswahl hilfreich war. Diese gemischte Zahl erklärt sich zum Teil durch den Zeitpunkt: Das Praktikum findet statt, nachdem die Studierenden ihr Hauptfach im ersten Studienjahr gewählt haben, sodass es für eine akademische Richtungsänderung zu spät ist.
Vereine wie ViensVoirMonTaf spielen dabei eine wichtige Rolle. Jedes Jahr unterstützen sie Tausende von Mittel- und Oberstufenschülern ohne familiäres Netzwerk und ermöglichen ihnen den Zugang zu wertvollen Praktika.
Diese Strukturen öffnen die Türen zu Sektoren, die sonst unzugänglich sind: audiovisuelle Medien, Justiz, Forschung … wo die „Kinder von“ noch immer überrepräsentiert sind und wo die Aufnahme von Jugendlichen noch immer beängstigend sein kann.
Unter den Lehrkräften gehen die Meinungen auseinander. Viele erkennen den Wert der Schulungen an, kritisieren aber deren überstürzte Umsetzung mit begrenzten Ressourcen und Zeitaufwand.
Im Jahr 2024 traf das Rundschreiben für ein Praktikum im Juni bereits im März ein ... es war schwierig, die Dinge in Ruhe zu organisieren. Die Lehrkräfte mussten als Beratungslehrer oder sogar als Vermittlungsvermittler fungieren. Studierende ohne Praktikumsplatz mussten die Module online und allein zu Hause absolvieren. Ein System, das nicht besonders gut funktionierte.
Das Praktikum im zweiten Studienjahr bietet Potenzial. Es kann Studierende bereichern, ihnen Berufsbilder vorstellen und ihnen neue berufliche Perspektiven eröffnen. In einer sich schnell wandelnden Berufswelt ist Berufsberatung zu einem wichtigen Thema geworden.
Damit dieses Praktikum aber wirklich allen zugutekommt, müssen wir die Schüler im Vorfeld besser vorbereiten, die Lehrer schulen, die Erfahrung im Nachhinein fördern und vor allem junge Menschen ohne Netzwerk besser unterstützen.
Auch die Unternehmen müssen mitspielen und organisiert sein, um Praktikanten angemessen willkommen zu heißen.
Und vor allem ist dieses Praktikum sicherlich ein Hebel, aber es wird niemals eine ambitionierte und gerechte Beratungspolitik ersetzen.
Francetvinfo