Ein verlegener Papst

Leo XIV. scheint entschlossen, der ruhige Papst zu sein. Erst letzte Woche, beim Jugendjubiläum in Rom, als er durch eine Millionenmenge schritt, war eine gewisse Verlegenheit in seinem Gesichtsausdruck zu erkennen. Und das meine ich nicht negativ. Ganz im Gegenteil. In einem Zeitalter performativer Führer ist es eine positive Sache, wenn sich jemand, der sich beinahe dafür entschuldigt, Papst zu sein, entschuldigt.
Leo XIV. ist nicht für das Amt des Papstes geeignet, und das ist auch gut so. Er ist eindeutig kein Showman . Er drängt sich nicht in den Mittelpunkt. Er erfindet keine Kontroversen. Es ist klar, dass er sich unwohl fühlt. Es ist klar, dass er nicht in alles verwickelt sein will. Er lässt die Kirche lieber leben und agiert eher als Schiedsrichter denn als Förderer.
Man sagt, jeder Papst korrigiere den vorherigen. Falsch. Päpste korrigieren die Welt, die sie wählt. So war es mit Wojtyła im geteilten Europa. Mit Benedikt XVI. im Italien Berlusconis. Mit Franziskus, als die globale Staatskunst zusammenbrach. Und jetzt mit Prevost in einer Zeit der Unruhen.
Manche behaupten, Stärke sei wieder einmal zum zentralen Wert der Politik geworden. Politiker würden diejenigen nicht respektieren, die sich ängstlich und berechenbar zeigten. Doch aufgrund der Macht des Papsttums ist Leo XIV. möglicherweise der Einzige, der sich von dieser Logik nicht einschränken lassen muss.
Interessanterweise werden in diesem analytischen Rahmen häufig die 1920er und 1930er Jahre als Paradigmen parallel zur Gegenwart betrachtet. Texte von Roth oder Zweig dienen oft als Kompass. Doch ob durch die Wahl des Namens oder eine kürzlich getroffene Entscheidung scheint Leo XIV. anzudeuten, dass der entscheidende Moment für das Verständnis der Gegenwart nicht der Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern das Ende des 19. Jahrhunderts ist. Nicht die Nachkriegszeit, sondern die Ära davor.
So gab sie beispielsweise letzte Woche bekannt, dass sie John Henry Newman zum Kirchenlehrer ernennen werde. Newman war ein Engländer, der vom Anglikanismus zum Katholizismus konvertiert war, genau zu dieser Zeit lebte und kurioserweise von Leo XIII., Prevosts gleichnamigem Vorgänger, zum Kardinal ernannt wurde.
Newman, von Joyce bewundert und von der viktorianischen Elite verabscheut, erkannte frühzeitig, was auf ihn zukam. Er diagnostizierte drei Fehler, die die Welt bis heute prägen.
Der erste war der Rationalismus. Newman lehnte die Idee ab, alles durch wissenschaftliche Logik erklären zu können. Er kam zu dem Schluss, dass die Vernunft ihre volle existenzielle Reichweite zurückgewinnen müsse. Er argumentierte, dass die Beschränkung der Vernunft auf das Messbare einer Amputation gleichkomme und diese Amputation dem Fanatismus den Weg ebne. Denn Radikalismus entsteht nicht aus einem Überschuss an Sauerstoff. Er entsteht, wenn er fehlt.
Die zweite Herausforderung war der Liberalismus. John Henry Newman lehnte die Vorstellung ab, Wahrheit könne auf eine persönliche Meinung reduziert werden. Für ihn war diese humanistische Version von Religion und Wahrheit, wenn auch als Toleranz getarnt, ein Weg, die Launen der viktorianischen Komfortkultur auszugleichen und eine starre, bequeme Realität zu schaffen. Und das ist heute wichtig. Regieren ist beispielsweise kein Buffet. Und das Gemeinwohl darf nicht von Konzepten wie Vorteil und Profit abhängig sein.
Die dritte Herausforderung ergab sich aus dem Einfluss der Romantik. Zwar schätzte Newman Fantasie und Zuneigung, doch hütete er sich vor einer übertriebenen Betonung religiöser Gefühle. Er vermutete, dass subjektive Intensität zu einem Mangel an Fokus auf Geschichte und Tradition führte. Dies macht uns auf eine gewisse revolutionäre Begeisterung aufmerksam, die sich über alle politischen Pole erstreckt, und erinnert uns zugleich daran, dass weder die Kirche noch ein Land auf Gruppentherapie reduziert werden können.
Leo XIV. scheint diese Diagnose zu teilen. In einer schnelllebigen Welt voller fragiler Gewissheiten und Wegwerfmoral wählt er die Schwierigkeit. Er ist kein Bühnenpapst. Er ist ein Langzeitpapst. Er ist einer der wenigen, die es nicht eilig haben, zu gewinnen.
observador