DDR-Roman: Können Zitronenfalter Zitronen falten?

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In seinem großen Roman „Das Narrenschiff“ beschreibt Christoph Hein die Geschichte der DDR aus Sicht ihrer Führungselite. Wie Menschen den Mut verlieren, ihrem Gewissen zu folgen, ist ein Thema ganz für unsere Gegenwart.
Noch ist der Krieg nicht zu Ende, die Kapitulation nicht unterzeichnet, noch sterben in der Schlacht um die Reichshauptstadt Berlin Rotarmisten, deutsche Soldaten und Zivilisten, da landen im schon befreiten Gebiet nahe Frankfurt an der Oder die ersten Maschinen, aus Moskau kommend. Sie bringen deutsche Exilanten, Antifaschisten, Kommunisten, die vor Hitler in die Sowjetunion geflohen waren. Sie bringen die künftige Führungsriege, Männer, die von dem Moment an, da die Waffen schweigen, den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden aufbauen sollen, den Arbeiter- und Bauernstaat nach sowjetischem Vorbild. Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus. Alle Macht dem Volke. Die Dreifaltigkeit des Anfangs. Nach genau vierzig Jahren wird es diesen Staat nicht mehr geben. Für die Männer, die aus Moskau eingeflogen werden, die „Gruppe Ulbricht“, ist er ihr Leben.
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