Deutscher Buchpreis: Die engere Auswahl

Die Jury des kommerziell wichtigsten deutschen Literaturpreises hat ihre Auswahl der letzten sechs Romane bekannt gegeben. Es finden sich darauf gleich drei Kandidaten, die nicht zum ersten Mal in diesem Kreis aufgenommen wurden: Die Schweizer Autorin Dorothee Elmiger ist mit ihrem fein komponierten Dokumentationsroman „Die Holländerinnen“ nominiert, in dem sie die wahre Geschichte zweier Touristinnen erzählt, die in Panama verloren gehen.
Der Schriftsteller Thomas Melle, der an einer manisch-depressiven Erkrankung leidet, ist mit dem Roman „Haus zur Sonne“ nominiert. Und die Münchner Schriftstellerin Christine Wunnicke, die auch mit dem Vorgängerroman „Die Dame mit der bemalten Hand“ im Jahr 2020 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, ist mit ihrem neuen Roman „Wachs“ zum zweiten Mal in der engeren Auswahl.

Lässt sich ein Krankheitsbild in eine poetische Kraftquelle verwandeln? Der manisch-depressive Schriftsteller Thomas Melle könnte einen Weg gefunden haben.
Diese drei etablierten Autoren flankiert die Jury mit zwei Debüts: Fiona Sironics Climate-Fiction-Roman „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“, in dem eine Teenagerin, die am Waldrand lebt, das Aussterben der Vögel dokumentiert. Und dem im Wallstein Verlag erschienenen Roman „ë“ der 1991 in Kosovo geborenen Autorin Jehona Kicaj.
In dem Roman „Die Ausweichschule“ von dem ebenfalls 1991 geborenen Schriftstellers Kaleb Erdmann geht es um den Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Jahre 2002. Erdmann hat den Anschlag überlebt und ringt in dem Roman, es ist sein zweiter, nun mit der Frage, wie sich von so einem Ereignis erzählen lässt.
Alle nominierten Romane nähern sich auf künstlerische Weise Themen von unmittelbar gesellschaftspolitischer Relevanz, für ästhetizistische Poetiken scheint im Moment nicht die Zeit zu sein. Der Deutsche Buchpreis wird am 16. Oktober zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verliehen und ist mit 25 000 Euro dotiert.
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