Catherine Duleep Singh - die Prinzessin, die den Nazis trotzte

In der Geschichte des Zweiten Weltkriegs hätte wohl kaum jemand erwartet, dass eine in England geborene indische Sikh-Prinzessin aus einer abgesetzten Königsfamilie heimlich gegen Nazi-Deutschland kämpfte. Außerdem lebte sie offen mit einer Frau zusammen, in einer Zeit, in der LGBTQ+-Rechte weder anerkannt noch akzeptiert wurden.
Doch genau das tat Prinzessin Catherine Hilda Duleep Singh.
Sie war die Tochter des letzten Maharadschas des Sikh-Reiches und ging ihren ganz eigenen Weg - gegen alle Konventionen.
Erst in den letzten Jahren wurde ihre Geschichte wiederentdeckt. Der britische Biograf Peter Bance beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Familie Duleep Singh und hat Catherines beeindruckendes Leben aus alten Briefen und Familienunterlagen nachgezeichnet.
Er sagte 2023 in einem Interview mit dem britischen Online-Magazin "Metro": "Sie hat das alles nicht getan, um berühmt zu werden. Deshalb gab es auch keine Bücher über sie. Aber die Menschen, die sie gerettet hat, erzählen ihre Geschichte weiter. Durch sie haben ganze Familien weltweit überlebt."

Catherine wurde 1871 in Suffolk, England, geboren - weit weg vom Land ihres Vaters. Der musste als 10-jähriger Junge sein Reich - und den berühmten Koh-i-Noor-Diamanten - an die Briten abgeben, nachdem diese den Punjab, die Heimat der Duleep Singh-Familie, erobert hatten.
Der abgesetzte Maharadscha bekam von der britischen Krone als Gegenleistung eine Rente und musste versprechen, dass er die britische Regierung respektiert und anerkennt.
Er heiratete später Bamba Müller, eine Frau mit deutschen und äthiopischen Wurzeln. Sie hatten sechs Kinder - Catherine war das vierte Kind. Die Familie lebte im Exil, aber unter der Schirmherrschaft von Königin Victoria, die Catherines Patentante war.
Catherine studierte in Oxford, schloss sich mit ihren Schwestern den Suffragetten (Aktivistinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in England für Frauenrechte kämpften, Anm. d. Red.) an und setzte sich für das Frauenwahlrecht ein. Doch besonders ihr Privatleben, vor allem während ihrer Zeit in Deutschland, zeigt, wie mutig und unkonventionell sie wirklich war.

Catherine hatte ein enges Verhältnis zu ihrer deutschen Erzieherin Lina Schäfer. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern zog Catherine mit ihr nach Kassel. Dort lebten die beiden über 30 Jahre lang gemeinsam in einer Villa, die es heute noch gibt. Ihre Beziehung wurde nie offiziell als solche anerkannt - die beiden widersetzten sich den gesellschaftlichen Normen jener Zeit. Sie lebten zusammen und blieben bis zu Linas Tod 1937 unzertrennlich.
Zuerst fühlte sich Catherine in Deutschland wohl - so besuchte das Paar unter anderem regelmäßig die Bayreuther Festspiele. Doch mit Hitlers Machtübernahme änderte sich alles: Deutschland war nicht mehr sicher für Catherine.
"Braune Haut und lesbisch sein im Nazi-Deutschland - das war extrem gefährlich," sagt Peter Bance. Er hat Briefe gefunden, in denen Freunde sie warnten, dass sie von den Nazis beobachtet werde und fliehen sollte. Aber Catherine weigerte sich zu gehen.

Trotz der immer größer werdenden Gefahr nutzte Catherine ihr Geld und ihren Einfluss und half mehreren jüdischen Familien, Deutschland zu verlassen und in England neu anzufangen. Sie schrieb Empfehlungsschreiben, unterstützte die Flüchtlinge finanziell, und übernahm sogar Bürgschaften, damit Menschen Papiere bekamen.
Ein besonders bekanntes Beispiel ist die Familie Hornstein. Der Vater Wilhelm Hornstein, ein jüdischer Anwalt und hochdekorierter Kriegsveteran aus dem Ersten Weltkrieg, wurde während der Novemberpogrome 1938 verhaftet und kam ins Konzentrationslager - durfte dann aber wieder raus, unter der Bedingung, Deutschland sofort zu verlassen. Catherine organisierte für ihn, seine Frau und die Kinder die Flucht nach England.
Jahrzehnte später schloss sich ein Kreis, wie Peter Bance im DW-Gespräch erzählt: 2002 sei ein Mann, Michael Bowles, in das Büro von Peter Bance gekommen und habe folgendes berichtet: "Meine Mutter, meine Onkel und meine Großeltern wurden von Prinzessin Catherine gerettet. Ohne sie gäbe es mich heute nicht." Später habe sich herausgestellt, dass dieser Mann, Michael Bowles, der Enkel von Ursula Hornstein war, so Peter Bance.

In ihrem Haus in Buckinghamshire brachte Catherine die Hornsteins und andere Geflüchtete unter - darunter einen Arzt mit seiner Partnerin und einen Geiger. Sie setzte sich auch für Juden ein, die in England als "feindliche Ausländer" interniert wurden - besonders bitter für Menschen, die vor dem Judenhass aus Deutschland geflohen waren.
"Ich denke, sie hat einen großen Beitrag für die Menschheit geleistet. Es war eine grausame Zeit, in der viele Menschen ihre Augen absichtlich verschlossen haben. Catherine hätte auch einfach sagen können: Das geht mich alles nichts an. Aber sie hat entschieden: Ich mache das zu meiner Sache," sagt Bance.
Ein starkes ErbeCatherine starb 1942 mit 71 Jahren. Sie hatte - wie ihre Geschwister - keine Kinder. In ihrem Testament wünschte sie sich, dass ein Teil ihrer Asche bei Lina Schäfer in Kassel beigesetzt wird.
Das Grab wurde über die Jahre vernachlässigt - Peter Bance arbeitet jetzt mit dem Friedhof in Kassel zusammen, um die gemeinsame Ruhestätte offiziell zu kennzeichnen. "Ich denke, das hätte ihr gefallen. Sie haben ihr Leben miteinander verbracht, und sie hat Lina über alles geliebt."

Zu Lebzeiten der beiden Frauen wurde ihre Beziehung geheim gehalten, auch wenn ihre Familie wohl Bescheid wusste. Doch je mehr von Catherines Geschichte bekannt wird, umso mehr wird sie zu einer LGBTQ+-Ikone - als Frau, die mutig liebte und lebte, wie sie es wollte.
Prinzessinnen im WiderstandPeter Bance schreibt gerade ein neues Buch, das 2026 zur Ausstellung "Princesses of Resistance" (Prinzessinnen im Widerstand) im Kensington Palace erscheinen soll. Dort geht es um Catherine und ihre Schwestern Sophia und Bamba.
Bance wird dafür auch Gegenstände aus seiner eigenen Sammlung zur Verfügung stellen - über 2000 Stücke hat er in 25 Jahren gesammelt.

Bance hat Catherine einmal als "indischen Schindler" bezeichnet, in Anspielung auf den deutschen Industriellen Oskar Schindler, dem die Rettung von etwa 1200 Juden während des Holocaust zugeschrieben wird. Auch wenn Catherine nicht ganz so viele Menschen retten konnte - Bances Haltung dazu ist klar: "Egal ob du ein oder zehn Leben rettest - du rettest jemanden, der nicht deine Hautfarbe, deine Religion oder deinen ethnischen Hintergrund hat. Du rettest aus Menschlichkeit. Und das zählt."
Auf der Website ihrer ehemaligen Universität steht über Catherine: "Eine echte LGBTQ+-Ikone. Sie riskierte ihr Leben für ihre geliebte Partnerin - und lebte das Motto ihrer Uni: 'Die Ausgeschlossenen einbeziehen.' Catherine tat mehr als das: Sie rettete sie."
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch
dw