Fünf Gartenmythen – und was wirklich dahintersteckt

Gärtnern ist als Handwerk, Freizeitbeschäftigung und Lebensgrundlage uralt. Und so ranken sich mit Rosen, Efeu und wildem Wein auch viele Mythen um die deutschen Gärten.
Sven Wachtmann beantwortet als Landesgartenfachberater regelmäßig die Fragen Berliner Hobbygärtner und Hobbygärtnerinnen. In seinem Beruf begegnen ihm immer wieder Irrglauben und falsche Überzeugungen.
Die hartnäckigsten Überzeugungen halten sich im Bereich Schädlingsbekämpfung. So würden in vielen Gärten Schnecken noch immer mit chemischem Schneckenkorn oder seltener mit Bierfallen bekämpft – beides tötet die Tiere, und beides auf grausame Art und Weise.
„Wenn man die Möglichkeit hat, mit Schneckenzäunen oder Kupferbändern, mit Hochbeeten oder einfach mit Muschelkalk zu arbeiten, funktioniert das aber genauso gut”, sagt Wachtmann. Das gelte auch für Blattläuse: Eine Austriebsspritzung mit einer Mischung aus Wasser und Rapsöl benetzt im Frühling, wenn die Knospen der Pflanzen sich gerade öffnen, die Eier der Schädlinge und erstickt sie.
Und gerade bei schwachem Befall sei die beste Methode immer: „Warten, dass die Nützlinge kommen”, sagt Wachtmann. „Die Natur hat zu jeder Kraft einen Gegenspieler entworfen.” Bei Blattläusen sind das zum Beispiel Schlupfwespen und Marienkäferlarven, die man auch im Internet bestellen kann.
Wer naturnah gärtnert, hat diese Nützlinge sowieso im Garten – und große Schneckenplagen seien nicht selten die Folge eines zu aufgeräumten, artenarmen Lebensraums, so Wachtmann. Er fasst zusammen: „Wenn man mit der Natur zusammenarbeitet, lösen sich ganz viele Probleme von selbst.”
Ein Stichwort für die zweite Praxis, die sich bereits in den letzten Jahren als Mythos herausstellte und um die sich mittlerweile viele Forumsbeiträge und über–die-Hecke-Gespräche ranken, ist das Umgraben. Woher der uralte Gedanke kommt, ein umgegrabener Boden sei gut für Pflanzen, kann Wachtmann sich selbst nicht ganz erklären.

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Fakt sei jedenfalls: Beim Umgraben kommen Mikroorganismen, Pilze und Insekten, die nur in tieferen Bodenschichten überleben können, an die Oberfläche und andersherum. Das Ergebnis: Das Mikrobiom im Boden stirbt, der Garten leidet. „Stattdessen den Boden mit einem Sauzahn, einer Grabegabel, der Hacke oder Ähnlichem aufzulockern, ist in Ordnung”, sagt Wachtmann. Auch könne man, um besagten Mikroorganismen einen Gefallen zu tun, Frischkompost unterheben oder eine Mulchschicht aufbringen.
Wer seine Pflanzen in der Sommerhitze gießt, riskiert einen Sonnebrand für seine Pflanzen, denn durch die Wassertropfen kann ein Brennglaseffekt entstehen und die Blätter schädigen. So eine Regel, die landläufig als Irrglaube gilt. Wachtmann sagt aber: „Ich habe schon live gesehen, dass durch Wasser auf den Blättern enorme Verbrennungen entstehen können.” Zwei Wahrheiten stecken in jedem Fall in dem Rat: Erstens sollte man im Sommer lieber morgens oder abends gießen, wenn weniger Wasser verdunstet und die Pflanzen deshalb mehr davon aufnehmen können.
Zweitens gehöre auch der Gartenschlauch, mit dem Pflanzen großzügig auf Brusthöhe begossen werden, der Vergangenheit an: „Bewässerung sollte immer von unten erfolgen, vor allem im Sommer, wenn das kalte Wasser auf den Blättern ein unnatürlicher Schock für die Pflanzen wäre”, sagt Wachtmann. Hier könnten sich deutsche Gärten viel von Bodenbewässerungssystemen in südlicheren Ländern abschauen – vor allem in den kommenden Hitzejahren.
Der Frühling ist der ideale Zeitpunkt zum Pflanzen, glauben viele. Mittlerweile werde dieser Brauch unserem Klima nicht mehr gerecht, meint Sven Wachtmann: „Der Sommer ist viel zu schnell da, und der Frühling fehlt.” Der viel bessere Zeitpunkt zum Anpflanzen, auch zum Rasen vertikutieren und zur Aussaat, sei inzwischen der Herbst, damit die Pflanzen genug Feuchtigkeit bekommen und Zeit zum Anwurzeln haben.
Die Gefahr, dass der Winterfrost ihnen schade, sei gering: „Wenn man im Oktober anpflanzt, ist die Zeit bis zum ersten richtigen Frost im Januar noch lang.” Schließlich sei man auch im Frühling vor Frost nicht gefeit. Und der Boden sei dann viel kälter als im Herbst.
Der Herbst sei insgesamt eine unterschätzte Jahreszeit im Garten: „Viele, vor allem ältere Menschen, sind der Ansicht, ab Oktober muss alles ordentlich sein und nichts mehr im Garten anfallen.” Deshalb werde alles aufgeräumt und abgeschnitten – dabei sind herumliegendes Laub und abgestorbene Pflanzenstängel für Insekten überlebenswichtig und sollten in Ruhe vermodern dürfen, so der Experte.
Einen Herbstschnitt kritisieren Gartenexperten und –expertinnen schon lange. „Die Pflanze befindet sich im Herbst noch nicht in der Ruhephase und braucht ihre Kraft für den Rückzug in die Erde”, schreibt beispielsweise das Schweizer Gartencenter Meyer auf seiner Website. Sträucher und Stauden sollte man deshalb im Herbst lieber schonen – auch andere Blühpflanzen werden durch den Rückschnitt im Herbst anfälliger für Krankheiten. Weil im Frühling Knospen, Triebe und Früchte leichter erkennbar sind, ist ein Schnitt in dieser Jahreszeit zudem laienfreundlicher.
Klima und Zeitgeist ändern sich, Wahrheiten verwandeln sich in Mythen und andersherum – Fragen rund um den Garten gibt es wie Sand am Meer oder besser wie Blüten in einer Wildblumenwiese. Die gute Nachricht: Gartenfachberaterinnen und –berater wie Sven Wachtmann gibt es in jedem Bezirk und jedem Kleingartenverein. Und besser als eine uralte Geschichte ist doch immer eine Antwort aus Fachkreisen.
rnd