Kanye West: Nazi-Symbole und die Macht der Plattformen

Obwohl Kanye West - inzwischen nennt er sich Ye - auf den meisten Social-Media-Plattformen gesperrt ist, geht sein neuer, provokanter Song auf Elon Musks Plattform X (ehemals Twitter) gerade durch die Decke. Das Video hat dort bereits Millionen Aufrufe.
Der Track sorgt für Aufregung, weil er unter anderem den Nazi-Gruß "Heil Hitler" aufgreift. Auf dem Cover ist ein Hakenkreuz abgebildet, und am Ende des Songs hört man Hitlers Stimme mit Auszügen aus einer seiner Reden.
Yes Account war in der Vergangenheit schon öfter wegen antisemitischer Aussagen von X gesperrt worden. Auch Adidas hat die Zusammenarbeit mit seiner Modemarke Yeezy beendet, nachdem er mehrfach mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen war.

Kurz nach Veröffentlichung des Songs haben Plattformen wie Spotify, YouTube und SoundCloud das Lied wegen seines Inhalts gesperrt. Obwohl Ye das Video offenbar nicht selbst auf anderen Seiten hochgeladen hat, ist es trotzdem millionenfach auf Facebook, Instagram, Reddit und Co. geteilt worden.
Das Ganze zeigt: Große Tech-Unternehmen haben entweder nicht genug Macht - oder nicht genug Interesse - solche Inhalte schnell und wirksam zu entfernen. Sind sie erst einmal online, können sie sich schnell weiterverbreiten.
In Deutschland ist Yes Video nicht direkt auf seinem X-Profil sichtbar - zumindest nicht, wenn man sich aus Deutschland einloggt. Wer aber per VPN seinen Standort auf die USA ändert, kann sie weiterhin sehen.
Nazisymbole sind in Deutschland verbotenDer Spruch "Heil Hitler" war im Dritten Reich, zur Zeit des Hitler-Regimes, der offizielle "deutsche" Gruß. Die dazugehörige Geste - rechter Arm gerade nach vorne, Handfläche nach unten - soll ursprünglich aus dem alten Rom stammen. In den 1920ern wurde sie dann von Mussolini übernommen, dem faschistischen Diktator Italiens.
Später machte Hitler den Gruß zum Markenzeichen der NSDAP, der Partei, die Deutschland von 1933 bis 1945 regierte.

Nach dem Krieg beschlossen die Behörden in Westdeutschland, solche Gesten und Symbole zu verbieten - als Teil der Aufarbeitung der Nazi-Zeit und des Holocausts, bei dem Millionen Menschen ermordet wurden.
Heute ist in Deutschland das öffentliche Zeigen oder Verbreiten von Nazi-Symbolen wie dem Hitlergruß oder Parolen aus der Zeit des Nationalsozialismus strafbar. Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs richtet sich gegen jegliche Zeichen "verfassungswidriger Organisationen". Darunter fallen zum Beispiel Hakenkreuze, SS-Runen, der Hitlergruß und ähnliche Nazi-Slogans. Wer dagegen verstößt, muss mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen.
Auch das Leugnen des Holocaust ist in Deutschland verboten - wie auch in vielen anderen Ländern Europas, sowie in Kanada und Israel. Auch 80 Jahre nach Kriegsende bleibt so der Umgang mit Nazi-Inhalten streng geregelt.
In den USA zählen Nazi-Symbole zur MeinungsfreiheitUm dem Erstarken rechter Gruppierungen und dem wachsenden Antisemitismus entgegenzuwirken, haben auch weitere Länder Hass-Symbole verboten - einige sogar erst vor Kurzem. In Australien etwa wurden nach einer Reihe von antisemitischen Vorfällen im Februar neue Gesetze gegen Hassverbrechen beschlossen. Für das Zeigen des Hitlergrußes droht dort nun eine Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten.
In den USA sieht das ganz anders aus: Dort schützt die Verfassung die Meinungsfreiheit sehr stark - und dazu zählt auch Hassrede.
Auch wenn der Hitlergruß eine der am meisten tabuisierten Gesten der westlichen Welt ist, ist es in den USA nicht illegal, ihn zu zeigen oder ein Hakenkreuz zu tragen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg wird der Gruß immer wieder von Neonazis und weißen Nationalisten verwendet. 2016 ging zum Beispiel ein Video viral, in dem eine rechtsextreme Gruppe den Wahlsieg von Donald Trump feierte - mit erhobenen rechten Armen.
Elon Musks umstrittene Geste
Im Januar geriet auch Elon Musk in die Kritik, weil er bei Donald Trumps Amtseinführung eine Bewegung machte, die stark an den Hitlergruß erinnerte. Musk, der offen Sympathien für die rechtspopulistische deutsche Partei AfD zeigt, wurde von vielen beschuldigt, die Geste absichtlich gemacht zu haben, was er bestritt - andere meinten, es sei ein Versehen gewesen.
Als Reaktion darauf stellten die Aktivistengruppen "Led by Donkeys" und das "Zentrum für politische Schönheit" Fotos ins Netz, auf denen ein großes Bild an der Wand der Tesla-Fabrik bei Berlin zu sehen war: Musk in eben dieser Pose, daneben der Schriftzug "Heil Tesla". Die Aktion sollte zeigen: Wenn deutsche Behörden das wirklich als Hitlergruß werten, müsste Musk sich laut deutschem Strafrecht strafbar gemacht haben.

Musk steht ohnehin wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik. 2023 antwortete er auf X einem Nutzer, der behauptete, Jüdinnen und Juden würden Weiße hassen - eine gängige Verschwörungserzählung unter Rechtsextremen. Musks Antwort: "Du hast die Wahrheit gesagt."
Tech-Konzerne tun sich schwer mit RegulierungDas neue Kanye-West-Video und der hektische Versuch, es überall wieder offline zu nehmen, haben erneut die Richtlinien großer Tech-Firmen bezüglich sensibler Inhalte in den Fokus gerückt - vor allem der Plattformen, die zu Meta gehören, darunter Facebook, Instagram, Threads oder WhatsApp.
Angesichts des Videos startete die Anti-Defamation League (ADL), eine US-Organisation, die sich weltweit gegen Antisemitismus, Hass und Diskriminierung einsetzt, eine Petition. Darin fordern sie Facebook und Instagram auf, ihre Schutzrichtlinien gegen Desinformation und Hassrede wieder einzuführen - die sind nämlich Anfang des Jahres stark abgeschwächt worden.

Meta hatte im Januar bekannt gegeben, dass sie keine Faktenchecker mehr einsetzen wollen. Auch die Regeln gegen Hassrede und Missbrauch wurden gelockert - mit dem Verweis auf die "jüngsten Wahlen", was offenbar auf Donald Trumps Wahlerfolg anspielt.
Trotzdem würde Yes Hitler-Botschaft laut Metas eigener Richtlinie eigentlich gegen die Regeln verstoßen - dort heißt es nämlich, man verbiete "schädliche Stereotype, die historisch mit Einschüchterung verbunden sind", darunter Blackfacing und das Leugnen des Holocaust.
Jedoch: Während Spotify, YouTube oder SoundCloud schnell reagierten und das Lied von Kanye West sperrten, bleiben andere Plattformen - besonders X - ein Rückzugsort für problematische Inhalte.
Der Fall zeigt, dass es global kein einheitliches System gibt, wie man mit Hass und Hetze im Netz umgeht. Und er wirft die Frage auf, wie viel Verantwortung Tech-Firmen übernehmen müssen.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch
dw