Kleiderwandel bei Versicherungen: Krawatte oder Casual?
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Kleider machen Leute. Aber Kleider definieren keine Branchen mehr – auch nicht die der Finanzen. Vor 40 Jahren hätte sich kaum ein Banker ohne korrekt sitzenden Anzug ins Büro getraut. Das ist vorbei, am Finanzplatz Frankfurt geht es lockerer zu, wenn der Banker nicht gleich im Homeoffice bleibt.
Sneakers, Polohemden und Jeans kombiniert mit Outdoor-Westen sind in den Türmen keine Seltenheit. Eine große Direktbank mit Sitz in der Main-Metropole warb sogar mal mit dem Slogan „Bei uns kannst du alles tragen“ um qualifizierten Nachwuchs.
Nun umfasst die Finanzwelt nicht nur die Banken, sondern auch die Versicherungen, und Letztere pflegen die feine Unterscheidung. Banken bauten in die Höhe und Versicherungen in die Breite. Das stimmt. Ein namhafter deutscher Rückversicherer hat in München einen halben Stadtteil untertunnelt. Und auch der Kultur-Kleiderwandel ist in der Versicherungsbranche noch nicht so weit fortgeschritten.
Man könnte sagen, die Transformation ist in vollem Gange, und wie jede Veränderung bringt sie Probleme mit sich. Der Neujahrsempfang des Assekuranzclubs Rhein-Main Anfang des Monats in der Frankfurter Börse machte das deutlich. Als nach einem Sektempfang um 9.30 Uhr gegen 10 Uhr die Redner ans Pult traten, machte einer seine Verunsicherung öffentlich. „Krawatte oder keine Krawatte. Wenn es dafür eine Regulierung gäbe, hätte ich mir heute morgen 15 Minuten am Kleiderschrank erspart“, ließ er die anwesenden Gäste wissen. Ein jeder, der ans Pult trat, tat dies mit Schlips. Unter den Gästen hielten sich Krawattenträger und Schlipslose indes etwa die Waage.
Rar stand es allerdings um Damen im Saal, ihr Anteil an den Teilnehmern lag allenfalls im hohen einstelligen Prozentbereich. Auch ein Zeichen, dass die Assekuranz noch einen längeren Weg vor sich hat. Und wichtigere Themen als die Frage: Krawatte oder nicht?
Frankfurter Allgemeine Zeitung