Nach Messerangriff an Spandauer Grundschule: Die Politik schweigt

Das zwölfjährige Opfer liegt im Krankenhaus, der 13-jährige mutmaßliche Täter ist inzwischen festgenommen. Dennoch richtet sich einen Tag nach der Messerstecherei an einer Grundschule in Spandau am Donnerstag der Blick bereits auf mögliche Konsequenzen. Wie konnte das passieren? Gab es Anzeichen für die Tat? Hätte womöglich ein Wachschutz sie verhindern können?
Die Schule steht auch am Tag nach der Tat unter Schock, an regulären Unterricht ist nicht zu denken. Bereits am Donnerstag waren neben Rettungskräften auch Seelsorger vor Ort, die anderen Schüler und Eltern wurden nach Hause geschickt. Es wird länger dauern, bis an der Schule am Weinmeisterhorn, einem bürgerlichen Einfamilienhausgebiet am Rande einer großen Grünfläche im Nachbarland Brandenburg, wieder so etwas wie Alltag einkehren kann.
Nach der Bluttat: Die Spandauer Grundschule steht unter SchockDie Berliner Polizei warnt seit langem vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen. Schon in den Jahren 2022 und 2023 hatte Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel gesagt, sie sei „persönlich besorgt“ von dem Anstieg von Taten, an denen Heranwachsende beteiligt sind. „Das hat leider zugenommen. Wir betrachten diese Entwicklung sehr genau“, sagte sie damals.
Die Angriffe würden häufig untereinander geschehen. Auch Messer spielten dabei zunehmend eine Rolle. Oft werde damit gedroht, etwa bei Raubtaten oder zur Einschüchterung, aber sie würden auch eingesetzt.
So waren 2024 und 2023 etwa 30 Prozent der Täter im Zusammenhang mit Messern in Berlin jünger als 21 Jahre. Es setze sich fort, dass die Polizei auch viele Jugendliche unter 18 und Kinder unter 14 Jahren als Verdächtige mit Messern registriere, die etwa Raubtaten verübten oder aneinandergerieten, so Slowik Meisel.
2023 gab es in Berlin 3482 registrierte Straftaten mit Messern. Etwa die Hälfte davon waren laut Polizei Drohungen mit dem Messer. 2024 lagen die Zahlen ähnlich hoch.
Messerstecherei an Schule: Polizei registriert immer mehr junge TäterDoch wie reagiert die Berliner Politik auf den aktuellen Fall? Innensenatorin Iris Spranger (SPD) wollte sich auch nach der Festnahme am Freitag nicht zu dem Fall äußern. Als es um die Umstände einer Messerattacke auf einen Polizisten in Neukölln wenige Tage zuvor ging, zeigte sie sich sehr aktiv.
Bei der Gelegenheit hatte Spranger gesagt: „Dieses furchtbare Ereignis zeigt erneut, welche Gefahr von Messern ausgeht. Es gibt keine Rechtfertigung, ein Messer zugriffsbereit in der Öffentlichkeit mit sich zu führen. Wer ein Messer zugriffsbereit mit sich führt, trägt erhebliche Verantwortung für das, was ein Messer anrichten kann.“ Für den Fall an der Spandauer Schule verwies Spranger dagegen auf ihre Kollegin, Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Diese sei zuständig.
Aus Günther-Wünschs Verwaltung hieß es, die Schule habe nach der Messerstecherei schnell und verantwortungsvoll gehandelt. Dazu habe auch gehört, dass man am Donnerstag umgehend über den Vorfall informiert worden sei. Senatorin Günther-Wünsch habe sogleich das persönliche Gespräch mit der Schulleitung gesucht, sagte ein Sprecher. Dabei habe sie ihre „tiefe Bestürzung und Betroffenheit zum Ausdruck gebracht“.
Für eine persönliche Aussage stand die Senatorin am Freitag jedoch auch nicht zur Verfügung. Wie ein Sprecher sagte, befand sie sich den ganzen Tag über auf der Konferenz der Jugend- und Familienminister in Hamburg. Sie lasse sich jedoch regelmäßig über den Stand der Dinge informieren.
Wenige Tage zuvor hatte Katharina Günther-Wünsch für Irritationen gesorgt, als sie sich nicht zu einem Mobbing-Fall eines homosexuellen Lehrers an einer Grundschule in Berlin-Mitte äußern wollte. In der Plenardebatte des Berliner Abgeordnetenhauses verwies sie darauf, dass sie „zu Personaleinzelangelegenheiten grundsätzlich keine Auskunft“ gebe.
An der Schule selbst stellte sich die Lage am Freitag so dar: Die Schule hatte den Eltern per Elternbrief freigestellt, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken oder nicht. Viele hatten ihre Kinder dennoch geschickt, andere nicht.
Wie es von der Schulverwaltung weiter hieß, stehe die Schulleitung weiter im engen Austausch mit den zuständigen Stellen. Das schulische Krisenteam sowie das Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentrum (SIBUZ) seien eingebunden und stünden zur Unterstützung zur Verfügung.
Spandauer Grundschule: Hausordnung verbietet MesserDennoch bleibt die Frage, ob und wie die Tat hätte verhindert werden können. In der Hausordnung der Schule am Weinmeisterhorn heißt es: „Gefährliche Gegenstände (Messer, Feuerwerkskörper, Laserpointer und anderes) dürfen nicht mit in die Schule gebracht werden.“
Doch was geschieht, wenn sich jemand wie im aktuellen Fall nicht daran hält? Hindert ihn jemand aktiv, ein Messer mitzubringen? Wie sich zeigte, war das nicht der Fall. Die Grundschule am Weinmeisterhorn hat keinen Wachschutz. Die Debatte darüber, ob solch ein Wachschutz eingerichtet werden soll, hat gerade erst begonnen.
Grundschule in Spandau: Zuständiges Bezirksamt äußert sich nichtVon besonderem Interesse ist dabei das Agieren des Bezirksamts Spandau. Die Behörde ist als sogenannter Schulträger zuständig für die Immobilie und ihre Ausstattung, aber eben auch für einen möglichen Wachschutz, den sie auch bezahlen müsste. Mit einem solchen Antrag müsste der Bezirk an die Senatsbildungsverwaltung herantreten. Diese würde den Antrag prüfen, sich dem wahrscheinlich nicht verschließen, wie es am Freitag hieß.
Bis Freitagnachmittag war aus Spandau keinerlei Aussage zu erhalten. Aus der Bildungsabteilung des Bezirksamts hieß es auf Nachfrage der Berliner Zeitung: „Das Bezirksamt steht aktuell für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.“
Berliner-zeitung