Deutschland - Portugal: So schlug sich Nick Woltemade bei seinem DFB-Debüt

Nach einer Stunde verließ Nick Woltemade mit langsamen Schritten den Rasen der Münchner Arena, dazu gab es Applaus von den Menschen auf den Rängen. Der Angreifer des VfB Stuttgart hatte im Halbfinale der Nations League gegen Portugal sein Debüt für die deutsche A-Nationalmannschaft gegeben und einen anständigen Eindruck hinterlassen. Er hatte zwar nur wenige Aktionen, war aber sichtlich bemüht – und stand bei der bis dahin prägnantesten Szene mit Mittelpunkt.
Vor dem 1:0 durch Florian Wirtz in der 48. Minute hatte Woltemade mit seinem fast zwei Meter langen Körper den Weg gegen den portugiesischen Innenverteidiger Rúben Dias freigeblockt. Der VAR überprüfte die Szene, weil Woltemade im Abseits gestanden hatte, kam aber zu der Auffassung, dass er nicht aktiv ins Geschehen eingegriffen hatte. Eine hochgradig kontroverse Entscheidung.
Doch bei seiner Auswechslung ging Woltemade in dem Wissen, Julian Nagelsmanns Vertrauen nicht enttäuscht zu haben. „Fürs erste Spiel war das in Ordnung. Er hat die ersten knapp 60 Minuten als A-Nationalspieler gut genutzt“, sagte der Bundestrainer über Woltemades Debüt.
Von der Ersatzbank musste der Stuttgarter danach mit ansehen, wie das Spiel kippte und Portugal den Rückstand in einen 2:1-Sieg verwandelte. Statt am Sonntag im Nations-League-Finale in München gegen Spanien oder Frankreich zu spielen, müssen sich die Deutschen mit dem Spiel um den dritten Platz in Stuttgart zufriedengeben.
Woltemade wird dann wohl nicht dabei sein: Er soll laut Nagelsmann zur U21-Nationalmanschaft reisen, die ab kommender Woche Donnerstag bei der EM in der Slowakei antritt. Das war für den Fall einer Niederlage gegen Portugal abgesprochen gewesen.
Als Nagelsmann vor der Partie erklärte, warum er Woltemade einen Platz in der Startelf zugeteilt hatte, lobte er die eigene Unerschrockenheit. Teil seines Jobs sei, auch mal „eine mutige Entscheidung zu treffen“, sagte Nagelsmann. Dabei war Woltemades Nominierung kein besonders riskantes Manöver, sondern überwiegend erwartet worden, weil Stamm-Angreifer Kai Havertz und dessen Vertreter Tim Kleindienst wegen Verletzungen nicht im Kader für die Nations-League-Endrunde stehen.
Und so musste sich der Trainer im Sturm zwischen Niclas Füllkrug und Woltemade entscheiden – und erteilte folgerichtig jenem Mann den Zuschlag, der mit 15 Pflichtspieltoren seit November und dem Gewinn des DFB-Pokals mit dem VfB Stuttgart bestens im Fluss ist. Füllkrug war für die Rolle vorgesehen, die ihm am besten liegt, insbesondere in der Nationalmannschaft: der als Joker.
Alles passierte zum ersten Mal für Woltemade gegen Portugal. Vor Anpfiff sang er zum ersten Mal als A-Nationalspieler die deutsche Hymne, in der dritten Minute hatte er seinen ersten Ballkontakt, in der achten Minute stand er zum ersten Mal im Abseits. Nur nahm die Partie die umgekehrte Wendung: Nach Füllkrugs Einwechslung verloren die Deutschen die Partie.
Wie bei Portugal Cristiano Ronaldo war auch Woltemade mit dem Mandat ausgestattet, sich weit vor seinen Mitspielern aufzuhalten, wie Ronaldo war auch der Mann des VfB Stuttgart von defensiven Aufgaben weitgehend befreit. Das Problem allerdings: auch offensiv war von Woltemade erst einmal wenig zu sehen.
Portugals Innenverteidigung ließ ihm dank enger Bewachung kaum Chancen, seine viel gelobte Technik einzusetzen. Außerdem machte Woltemade nicht immer einen glücklichen Eindruck. Nach rund einer halben Stunde verstolperte er einen Ball bei der Annahme.
Davor allerdings war er entscheidend an der besten deutschen Phase bis dahin beteiligt gewesen. In der 19. Minute stand er mit dem Rücken zum Tor, hielt sich mit seinem imposanten Körper seinen Gegner Rúben Dias vom Leib und spielte einen schönen Doppelpass mit Aleksandar Pavlović. Der Ball gelangte zurück zu Woltemade. Mit dem ersten Torschuss seiner Karriere als A-Nationalspieler scheiterte er an Torwart Diogo Costa.

Strittige Szene kurz nach der Pause: Florian Wirtz (Nummer 17) trifft per Kopf, Rúben Dias (Nummer 3) beklagt sich über Woltemades Einsatz.
Quelle: Christian Charisius/dpa
Als die Deutschen kurz nach der Pause in Führung gingen, hatte Woltemade seinen Anteil mit seinem Block gegen Dias – und Glück, dass der Treffer die VAR-Prüfung überstand. Kurz nach dem Treffer kassierte Dias die erste Gelbe Karte des Spiels – nach einem Halten gegen Woltemade. Der Stuttgarter frustrierte Portugal.
Als er nach einer Stunde für Füllkrug ausgewechselt wurde, waren die Deutschen auf Finalkurs. Danach musste Woltemade tatenlos erdulden, wie Portugal das Spiel drehte und den deutschen Traum vom Nations-League-Titel beendete. Kleiner Trost: eine Chance auf eine Trophäe hat Woltemade in diesem Sommer noch. Bei der U21-EM.
rnd