Reicht die Qualität? Der riskante Kaderumbruch des FC St. Pauli

Fußball-Bundesligist FC St. Pauli sieht sich nach dem Klassenerhalt einem personellen Aderlass ausgesetzt. Zahlreiche Spieler haben die Braun-Weißen bereits verlassen, neue Gesichter sind bisher rar. Und ein weiterer hochkarätiger Abgang könnte drohen.

Unter den Fans von St. Pauli hat sich in den vergangenen Jahren eine Formulierung etabliert, die ihren Sportchef adelt: "Bornemann Masterclass". Das glückliche Händchen, das Andreas Bornemann in den vergangenen Jahren bei Trainer- und Spielerauswahl bewies, hat im diese "Ehrung" eingebracht. Deshalb verfällt rund um das Millerntor niemand in Panik, auch wenn personell grad viel los ist bei den Kiezkickern.

Jüngst wurde auf Instagram in knappen Worten mitgeteilt, dass Stürmer Johannes Eggestein kein neues Arbeitspapier erhält, der Vertrag des 27-Jährigen läuft im Sommer aus. Eggestein ist damit bereits der zehnte Abgang der Norddeutschen, die gerade in der Offensive vor einem gewaltigen und riskanten Umbruch stehen.

Nach den Abgängen von Eggestein, Andreas Albers (Vertrag nicht verlängert), Simon Zoller (Karrieende), Noah Weißhaupt und Morgan Guilavogui (waren beide ausgeliehen) ist St. Paulis Angriff personell deutlich geschrumpft. Während Albers und Zoller kalkulierte Abgänge waren, sieht es bei Weißhaupt und vor allem Guilavogui ganz anders aus. Bei Weißhaupt hätten die Hamburger am liebsten eine Kaufoption in den Leihvertrag eingebunden, was der SC Freiburg allerdings ablehnte, zu dem Weißhaupt nun zurückkehrt.

Bei Guilavogui, dem besten Torschützen der Braun-Weißen der vergangenen Spielzeit, hatten die Hamburger eine solche Option, die sie auch aktivierten. Dennoch spielt der Angreifer in der kommenden Saison wohl nicht am Millerntor. Der RC Lens besaß für Guilavogui eine Rückkaufoption, die er aktivierte. St. Pauli blieb am Ende des Tauziehens zwar ein finanzieller Gewinn, welcher die qualitative Lücke, die der Abgang des 27-Jährigen reißt, aber nicht füllen kann.

Aktuell besteht der Angriff der Kiezkicker aus Elias Saad (verletzt), Maurides (war verliehen), Abdoulie Ceesay (stand in der Endphase der Saison selten im Spieltagskader), Danel Sinani und Oladapo Afolayan. Letztgenannter gab am letzten Spieltag der vergangenen Saison ein viel beachtetes Interview, in dem er seinen Trainer Alexander Blessin und dessen defensive Spielweise kritisierte. Inwieweit sich das Verhältnis des Engländers zu seinem Übungsleiter wieder einrenken lässt, wird die Vorbereitung zeigen.

Im Mittelfeld ereilte Carlo Boukhalfa das gleiche Schicksal wie Eggestein. Der 26-Jährige, der in der vergangenen Spielzeit einen großen Entwicklungsschritt machte und sich im System von Trainer Blessin blendend zurechtfand, erhält am Millerntor ebenfalls keinen neuen Vertrag. Zwar verlängerten die Hamburger das Leihgeschäft mit James Sands, dennoch bleibt auch das Mittelfeld bei den Norddeutschen eine Baustelle. Der amerikanischer Nationalspieler Sands ist aktuell verletzt, gleiches gilt für Team-Kapitän Jackson Irvine.

In der Defensive, dem Prunkstück der vergangenen Saison, droht den Braun-Weißen ein weiterer, nicht gewollter Abgang. Laut Medienberichten ist Ligakonkurrent Freiburg an einem Transfer von Außenverteidiger Philipp Treu interessiert. Der 24-Jährige wechselte erst vor zwei Jahren ablösefrei von der U23 der Breisgauer ans Millerntor. Sollte Treu St. Pauli verlassen, dürften die Hamburger eine Ablöse im hohen einstelligen Millionenbereich einnehmen.

Geld, das für eine Verstärkung des Kaders auch nötig wäre. Bisher hat der Bundesligist in den Verteidigern Arkadiusz Pyrka und Jannik Robatsch erst zwei Neuzugänge präsentiert. Hamburger Medien berichteten zudem von einem Interesse an dem australischen Stürmer Noah Botic. Doch ob Botic oder die noch jungen Robatsch und Pyrka von ihrer Qualität Soforthilfen im schwierigen zweiten Jahr nach dem Aufstieg sein können, wird sich erst noch zeigen.

Auch wenn der Fokus der Braun-Weißen in der kommenden Spielzeit wieder auf der Defensive liegen wird, sind die Abgänge von Weißhaupt und vor allem Guilavogui eine starke Hypothek für die Hamburger, die es zu ersetzen gilt. Bornemann muss bei der erneuten Mission Klassenerhalt wieder seine "Masterclass" beweisen.

Dieses Thema im Programm: Hamburg Journal | 13.06.2025 | 19:30 Uhr

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