Wie ein Fisch durchs Wasser – so lernen Sie, mühelos und effizient zu schwimmen


Illustration Jasmin Hegetschweiler / NZZ
Mühelos und effizient durchs Wasser gleiten – ein Wunsch vieler Hobbyschwimmer. Oft fragen sie nach den zentralen Faktoren, auf die es beim Schwimmen ankommt. Sollte man primär an Muskelkraft zulegen, um Fortschritte zu erzielen? Schliesslich beeindrucken die Weltbesten dieser Sportart mit muskelbepacktem Oberkörper und Waschbrettbauch. Oder ist es sinnvoller, intensiv an der Technik zu arbeiten? Und welche Rolle spielt das Körpergefühl beim Schwimmen?
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Tatsächlich müssen all die genannten Faktoren zusammenspielen, damit man es an die Weltspitze schafft – und natürlich noch einige Faktoren mehr. Für Freizeitsportler gilt es, zu differenzieren und die Faktoren je nach individuellen Voraussetzungen verschieden zu gewichten.
Mit Koordination und Körpergefühl zur GrundtechnikZunächst profitiert jeder Mensch, der sich im Erwachsenenalter dem Schwimmsport zuwendet, von grundlegenden technischen Kenntnissen. Sie lassen einen verstehen, wie und warum man Arme, Beine und Atmung arrangiert, damit es ohne Panikattacken und Luftnot durchs Wasser geht.
Das Technik-Lernen gelingt jenen Personen besonders leicht, die über ausgeprägte koordinative Fähigkeiten und ein gutes Körpergefühl verfügen, um einzelne Extremitäten, Gliedmassen und Muskelpartien gezielt anzusteuern. Meist wird der Grundstein dafür in der Kindheit gelegt.
Neben der individuellen Veranlagung helfen polysportive Aktivitäten, koordinativ anspruchsvolle Sportarten wie etwa Geräteturnen, Tanz, Kampfsport und sogar feinmotorische Bemühungen beim Erlernen eines Musikinstruments besonders. Bewegungsbegabte und koordinativ vorgeschulte Erwachsene schaffen es daher oft, in kurzer Zeit technisch weit voranzukommen. Sie schwimmen längere Strecken nahezu anstrengungslos, weil ihr Körpergefühl sie befähigt, Wasserwiderstand und Vortrieb in Einklang zu bringen.
Wer von sich weiss, dass Koordination und ein Gespür für den eigenen Körper keine persönlichen Stärken darstellen, muss keinesfalls resignieren, wenn es ums Schwimmen geht! Wichtig ist in diesem Fall, technisch so lange dranzubleiben – am besten mit engmaschiger Rückmeldung durch einen Trainer – , bis die gröbsten Widerstände aus dem Weg geräumt sind.
Darunter fallen all jene Bewegungen, die den Körper im Wasser primär abbremsen, statt ihn voranzubringen. Das können zu weit ausscherende Arme und Beine beim Brustschwimmen, zu stark angewinkelte Füsse und Knie beim Kraulen, zu tief liegende Hüften beim Rückenschwimmen oder eine ungünstige Kopf- und Atemposition bei allen Schwimmarten sein.
Kraft und Kondition statt tadelloser TechnikLiegt eine Grobform vor, bei der regelmässiges Atmen keine Mühe mehr bereitet, kann in der Folge mit Krafteinsatz und sogenannten «Beisstrainings» (hochintensiven Trainings) ausgeglichen werden, was technisch fehlt. Jedenfalls in einem gewissen Masse und auch bloss im Hobbybereich, denn zum Weltmeistertitel wird es mit diesem Vorgehen garantiert nicht reichen.
An die Stelle von Techniktraining treten Einheiten, die in erster Linie darauf abzielen, sich mit hoher Kadenz in Armzug und Beinschlag durchs Wasser zu bewegen. Das verlangt beträchtlichen Krafteinsatz, ausgeprägte Kondition und eine grosse Portion Durchhaltewillen im Kopf, da diese Trainings gehörig schmerzen.
Am besten fängt man daher mit kurzen, sich wiederholenden Streckenabschnitten (15 bis 25 Meter reichen zu Beginn) und langen Erholungspausen an. Im Verlauf der Wochen merkt man, wie der Körper immer besser mit der hohen Belastung zurechtkommt, so dass die Strecken verlängert und die Pausen verkürzt werden können.
Wissen muss man jedoch, dass derartige Serien eine starke Belastung für die Schultern darstellen, da der Widerstand im Quadrat mit der Schwimmgeschwindigkeit wächst und ergo umso mehr Kraft aufzubringen ist, je schneller man schwimmt.
Solche Trainings eignen sich in erster Linie für muskulöse, aber auch schlanke Männer mit kräftigen Oberschenkelmuskeln, die aufgrund ihres Körperbaus von Natur aus eher tief im Wasser liegen und mit absackenden Beinen kämpfen. Sie sind auch sinnvoll für technisch Fortgeschrittene, wenn diese endlich schneller werden möchten.
Idealerweise begleitet man Schwimmeinheiten, die hohen Krafteinsatz verlangen, mit seriöser Stärkung der Rotatorenmanschette, um Überlastungen und Entzündungen der Schultersehnen im Keim zu ersticken. Ein einfaches Theraband leistet hier wertvolle Dienste.
Schwimmstunden im offenen GewässerImmer mehr Badeanstalten an Seen, Flüssen und Weihern bieten Schwimmcoachings durch kundige Trainerpersonen an. An manchen Orten bucht man sich eine Schwimmstunde wie einen Coiffeurtermin an der Badikasse, an anderen Orten präsentiert sich das Angebot als Drop-in-Lektion, wo man zu einer definierten Zeit am Wasser zu erscheinen hat.
Freizeitschwimmer reagieren teilweise verunsichert auf solche Ausschreibungen. Neugier und Lust auf ein Schwimmcoaching wären vorhanden. Aber Fragen wie: «Bin ich zu schlecht dafür?», oder: «Stehe ich das durch?», stellen ein Hemmnis dar.
Nur Mut! Wer sich im Tiefwasser sicher fühlt und grundlegende Schwimmkenntnisse im ausgeschriebenen Stil mitbringt, kann von einem derartigen Coaching bisweilen enorm profitieren. Denn auch wenn man bereits Schwimmkurse besucht oder Techniktraining absolviert hat: Manchmal bewirkt ein unvoreingenommener Blick von aussen wahre Wunder!
Vielleicht vermittelt die Lehrperson technische Aspekte mit überraschenden Metaphern, die man sich gut merken kann. Oder es gibt bislang unbekannte technische Übungen, neu angeleitete Bewegungsführungen, Video-Feedbacks oder schlicht den Austausch mit fremden Menschen, welche das lange ersehnte «Klick» auslösen und bewirken, dass das Schwimmen leichter geht.
Bedenken muss man einzig, dass Lektionen im offenen Gewässer anspruchsvoller sind als im Hallenbad. Zum einen wühlt der Wellengang das Wasser auf, zum anderen kühlt der Körper bei Wind und frischen Umgebungstemperaturen deutlich schneller aus. Ein Schwimmanzug aus Neopren oder ein ebensolches Long Sleeve schaffen Abhilfe.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
nzz.ch