Elektromobilität: Was wirklich gegen die Ladeangst hilft

Es ist zumindest ein Ausrufezeichen: 46.000 Elektroautos wurden im April neu zugelassen. Das ist der mit Abstand höchste Monatswert seit dem abrupten Ende der E-Verkaufsförderung Ende 2023. Der Marktanteil liegt allerdings immer noch bei gerade einmal 19 Prozent. Die meisten Deutschen entscheiden sich auch heute für einen Verbrenner (43 Prozent) oder ein Hybrid-Fahrzeug (38 Prozent).
Dass der Anteil batterie-elektrischer Vehikel (BEV) nicht längst viel größer ist, liegt laut Christoph Schloss, Experte für Ladeinfrastruktur bei Kia Deutschland, nicht zuletzt an einem „undurchsichtigen Tarifgeflecht“ an den Ladesäulen. „Das Problem sind die starken Preisdifferenzen“, sagte Schloss dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Lage an öffentlichen Ladesäulen sei für Kunden häufig nicht zu durchschauen. „Das ist definitiv ein Hindernis für potenzielle Käufer, sich tatsächlich ein E-Auto anzuschaffen."
Wolfgang Weber, Chef des Verbands der Elektro- und Digitaltechnik (ZVEI), spricht sogar von „Ladeangst“, die den Menschen genommen werden müsse. Denn: „Mehr als 50 Prozent der Haushalte, die sich die Anschaffung eines Elektroautos nicht vorstellen können, nennen eine unzureichende öffentliche Ladeinfrastruktur als Grund.“ Es brauche nicht nur mehr Ladepunkte und niedrigere Preise für Elektrizität, sondern auch „mehr Kostentransparenz beim Stromtanken“.
Ladeangst bedeutet: Unter E-Autofahrern geht die Furcht vor überhöhten Tarifen um. Der normale Haushaltsstrom kostet aktuell im Schnitt um die 35 Cent pro Kilowattstunde. Beim Befüllen des Pkw-Akkus kann es das Dreifache sein. Hinzu kommt, dass beim Anfahren einer Ladestation häufig schwer bis gar nicht erkennbar ist, welcher Tarif gerade gilt.
Gezahlt wird mittlerweile auch mit Giro- und Kreditkarte – oder gleich per Smartphone. Und dann gibt es noch die speziellen Ladekarten, die Energieunternehmen, Ladesäulenbetreiber (CPO), Pkw-Hersteller und Mobility-Service-Provider (MSP) unter das E-Autofahrer-Volk bringen.
Tarife gibt es mit und ohne Grundgebühr. Kosten pro Kilowattstunde hängen davon ab, ob der Strom ganz langsam (Wechselstrom – AC), etwas schneller (Gleichstrom – DC) oder ziemlich zügig mittels High Power Charging (HPC) aus dem Netz gesaugt wird. Zudem ist der Preis davon abhängig, welche Karte an welchem Ladepunkt zum Einsatz kommt. Am günstigen ist es, wenn Karte und CPO übereinstimmen.
Wer fremd lädt oder gar mit der Kreditkarte hantiert, muss in der Regel gehörige Aufschläge zahlen: „Die Ladesäulenbetreiber machen es den Serviceanbietern durch extreme Preisunterschiede sehr schwer, einheitliche und verlässliche Tarife anzubieten. Gleichzeitig werden die Einkaufspreise extrem hoch gehalten“, erläutert Schloss, dessen Firma – wie andere Anbieter – Ladekarten mit fixen Preisen offeriert, um die Angst vor dem Tarifgestrüpp zu mildern.
Ein maßgeblicher Grund für die wenig nutzerfreundliche Situation ist das, was das Energieunternehmen Lichtblick „Monopole“ nennt. Trotz des wachsenden Stromtankstellen-Netzes dominieren lokale Anbieter das Geschäft an den Ladesäulen in ihrem jeweiligen Gebiet. Laut aktueller Lichtblick-Analyse ergibt sich bundesweit ein durchschnittlicher Marktanteil der regionalen Dominatoren von 74 Prozent. In manchen Städten wie Hannover oder Wiesbaden sind es mehr als 90 Prozent.
Auch das Kartellamt hat erkannt, dass vielfach ein „diskriminierungsfreier Marktzugang und somit wettbewerbliche Angebotsstrukturen“ behindert werden. Entscheidend für die hohe Angebotskonzentration sei die Praxis vieler Gebietskörperschaften, geeignete öffentliche Flächen für Ladeparks „exklusiv oder bevorzugt an das eigene kommunale Stadtwerk oder einen einzelnen Anbieter zu vergeben“.
Säulenbetreiber könnten dann aufgrund ihrer Dominanz einerseits sehr teure Tarife durchsetzen und zugleich Rivalen im Ladegeschäft aus ihren Revieren verdrängen: mittels prohibitiv hoher Kosten für den Strombezug.
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Das Kartellamt nimmt in seinem Bericht aber auch Argumente von Kommunen und Stadtwerken auf: Die Betreiber müssten relativ hohe Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur stemmen, zugleich sei die Auslastung der Ladesäulen stellenweise noch sehr gering. Dies könne vereinzelt hohe Preise rechtfertigen. Nach Branchenangaben gilt dies insbesondere in ländlichen Regionen und abseits der Autobahnen.
Markus Adam, Chefjurist bei Lichtblick, schlägt vor, die Sache mit einem „Durchleitungsmodell“ zu lösen: Lokale Monopolisten sollen die Fahrstrompreise nicht mehr diktieren können. Und zwar indem Konkurrenten erlaubt wird, sich selbst preiswerte Stromlieferanten für die Ladesäulen in den Monopolregionen zu suchen – nach diesem Prinzip funktioniert schon seit Jahren auch der Strommarkt für die privaten Haushalte.
Adam verweist auf das derzeit laufende Ausschreibungsverfahren für ein E-Lkw-Ladenetz, wo just solch ein Durchleitungsmodell geplant ist: „Die Begründungen – lokale Monopole und die Notwendigkeit niedriger Ladekosten – gelten ebenso für den Pkw-Bereich. Was für den Lkw-Sektor Realität wird, darf auch bei öffentlichen Pkw-Ladepunkten künftig nicht fehlen“, sagte er dem RND.
Auch ZVEI-Chef Weber verlangt von der Politik, offenen Wettbewerb unter den Anbietern zu fokussieren und zu fördern. „Ich denke hier an strategisch wichtige Orte wie kommunale Parkhäuser und Parkplätze oder auch an teilöffentliche Bereiche wie Supermärkte.“
Kia-Manager Schloss empfiehlt, nach Dänemark zu blicken: „An vielen Standorten werden Zapfsäulen zugunsten neuer Ladepunkte zurückgebaut. Oder neben der Kraftstofftankstelle wird eine gleich große Elektrotankstelle errichtet, inklusive einer großen Tafel, die den aktuellen Preis pro Kilowattstunde anzeigt – also supertransparent.“ Dänemark ist einer der Vorreiter bei der Elektromobilität. Der Marktanteil der BEV lag bei den Neuzulassungen zuletzt bei rund 63 Prozent.
rnd