Invesco-CEO: Warum die USA nach wie vor den globalen Standard setzen

Was macht das amerikanische Finanzökosystem so attraktiv für globale Investoren, unabhängig von sich ändernden politischen Narrativen?

Andrew Schlossberg: Auch wenn derzeit eine gewisse Neugewichtung in den globalen Vermögensallokationen zu beobachten ist, darf nicht vergessen werden, dass diese Umschichtungen auf eine längere Phase der Outperformance der US-Märkte sowie von auf US-Dollar lautenden Anlagen folgen. Sorgen über höhere Zölle könnten der Auslöser für einen Teil dieser Umschichtungen sein.

Globale Investoren schätzen die Grösse, Dynamik und Offenheit der US-Wirtschaft aber immer noch. Das US-Finanzsystem zeichnet sich durch eine robuste Architektur aus, mit ausgereiften Kapitalmärkten, einer unabhängigen Zentralbank, einem starken Anlegerschutz und einer Justiz, die Verträge und Eigentumsrechte durchsetzt. Dies sind keine flüchtigen Erscheinungen, sondern strukturelle Vorteile.

Einen wichtigen Anteil an dieser Stabilität hat der US-Staatsanleihenmarkt. Die Liquidität und das Vertrauen, das US-Treasuries als sicherer Hafen bei Anlegern genießen, sind unübertroffen, vor allem in Zeiten globaler Unsicherheit.

Darüber hinaus fördert das US-Ökosystem Innovationen durch große Risikokapitalnetzwerke, erstklassige Forschungseinrichtungen und ein unternehmerfreundliches Regulierungsumfeld. Dies hat zu einer jahrzehntelangen Führungsrolle von US-Unternehmen in Technologie und Wachstumssektoren geführt.

Sind die wirtschaftlichen Grundlagen und regulatorischen Rahmenbedingungen der USA ausreichend widerstandsfähig, um das Vertrauen der Anleger in politisch turbulenten Zeiten zu erhalten?

Schlossberg: Resilienz bedeutet nicht nur Stabilität, sondern auch die Fähigkeit, sich anzupassen. Und darin sind die USA besonders gut. Wir haben immer wieder gesehen, dass US-Institutionen auf großen Druck von außen mit Reform und Neujustierung reagieren. Nach der globalen Finanzkrise wurde das regulatorische Umfeld grundlegend umgestaltet. Die Kapitalanforderungen wurden verschärft, die Aufsichtsmechanismen verbessert und die Markttransparenz erhöht.

Ein Ergebnis dieses Wandels wurde dann zur Triebkraft für weitere Veränderungen: Private Kapitalgeber sprangen ein, um die Lücken zu füllen, die durch den Rückzug traditioneller Finanzinstitute entstanden. Das Wachstum der privaten Märkte eröffnete mehr Anlegern mehr Möglichkeiten für ein Engagement in Marktsegmenten, die traditionell weitgehend den größten institutionellen Investoren vorbehalten waren.

In der Folge haben die privaten Anleger ihre Private-Market-Allokationen erhöht. Die zunehmenden Kapitalzuflüsse in die privaten Märkte führten zu einer stärkeren Institutionalisierung der Anbieter und einer Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Kontrollen, was letztlich auch das Vertrauen der Anleger in diese Anlageklassen stärkte.

US-Institutionen agieren nicht im luftleeren Raum -- sie stehen unter ständiger Beobachtung und ständigem Anpassungsdruck. In einem zunehmend unvorhersehbaren und volatilen globalen Umfeld ist diese Art von Resilienz von unschätzbarem Wert. Das gilt übrigens für die europäischen Märkte genauso wie für den US-Markt.

Wie ist es um die Resilienz der US-Unternehmen bestellt?

Schlossberg: Sie sind sehr resilient. Von Fortune-500-Giganten bis hin zu wachstumsstarken Start-ups haben US-Unternehmen eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt -- sei es durch technologische Neuerfindung, globale Expansion oder ein agiles Kapitalmanagement. Die unternehmerische Kultur, der Zugang zu skalierbaren Kapitalquellen und ein flexibler Arbeitsmarkt tragen dazu bei, dass sich die Unternehmen schnell an veränderte Bedingungen anpassen können.

Diese Dynamik und Widerstandskraft der Unternehmen verbunden mit einer ausgeprägten Innovationsbereitschaft und resilienten institutionellen Strukturen sind ein wesentlicher Grund dafür, dass US-Aktien ein Kernbaustein globaler Anlageportfolios bleiben -- gerade auch in Zeiten makroökonomischer und geopolitischer Unsicherheit.

Welche Rolle spielen globale Kooperationen, unternehmerische Verantwortung und starke Institutionen bei der langfristigen Sicherung des Vertrauens in US-Finanzdienstleister?

Schlossberg: Im Finanzsektor muss das Vertrauen der Kunden immer wieder verdient werden -- durch Transparenz, Beständigkeit, Risikomanagement und Leistung. US-Finanzdienstleister tragen eine doppelte Verantwortung: Sie müssen die Standards des US-Systems aufrechterhalten und zugleich den Erwartungen einer globalen Anlegerbasis gerecht werden. Dies erfordert ein Verständnis der Kundenbedürfnisse in den verschiedenen Märkten sowie der Eigenheiten der verschiedenen Regulierungssysteme.

Als Treuhänder des Kapitals unserer Kunden stellen wir ihre Interessen an erste Stelle. Unsere globale Präsenz bringt Perspektive, ein breites Kompetenzspektrum und eine tiefe Verankerung in lokalen Märkten mit sich. Dadurch können wir nicht nur als Marktteilnehmer, sondern auch als Marktstabilisator agieren.

Wie tragen internationale Investmentfirmen in einer Zeit geopolitischer Veränderungen dazu bei, das Vertrauen in offene Märkte zu stärken -- insbesondere in den USA?

Schlossberg: Globale Investmentfirmen sind einzigartig positioniert, um das Vertrauen in offene Märkte zu stärken, selbst in sehr unsicheren Zeiten. Unsere Aufgabe ist es, unseren Kunden zu helfen, sich nicht von Schlagzeilen leiten zu lassen, sondern an langfristigen Fundamentaldaten und ihrer Strategie zu orientieren.

Wir investieren grenzüberschreitend, in unterschiedlichen Kulturräumen und Währungen, und Wissen um die Bedeutung global vernetzter Kapitalmärkte. Wir sind in der Lage, für unsere Kunden attraktive Anlagemöglichkeiten auf vielen in- und ausländischen Märkten zu identifizieren.

Unsere Branche muss sich für die dauerhafte Durchsetzung des Grundsatzes der offenen Märkte stark machen, damit Kapital seiner produktivsten Verwendung zugeführt werden kann. Globale Investmentfirmen tragen eine Verantwortung, diese Offenheit zu wahren -- durch diszipliniertes, transparentes und langfristiges Handeln. So stärken wir nicht nur das Anlegervertrauen, sondern helfen auch, die Zukunft des globalen Finanzsystems mitzugestalten.

Das Gespräch wurde uns freundlicherweise vom Materialist Magazin zur Verfügung gestellt