Verzagte Klimapolitik: Verspielt Schwarz-Rot die Akzeptanz in der Bevölkerung?

Die Schlammschlacht um das Heizungsgesetz hat gezeigt, wie wichtig beim Klimaschutz die Akzeptanz in der Bevölkerung ist. Wie hält es die neue Bundesregierung damit? Die ersten Wochen von Rot-Schwarz haben zwar gezeigt, dass Lehren aus der Ampelpolitik gezogen worden sind. Aber erste Aussagen politisch Verantwortlicher deuteten darauf hin, „dass die klimapolitische Ambition auf der Strecke bleiben könnte“. So steht es im aktuellen Klima-Akzeptanz-Check der Bertelsmann-Stiftung und der Stiftung Klimaneutralität. Die Studie liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor.
Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung stehen und fallen mit ihrem Rückhalt in der Bevölkerung. Entscheidend sei, dass Bürger Wirksamkeit, Verteilungsgerechtigkeit und Auswirkungen tatsächlich wahrnehmen würden. Eröffne die Klimapolitik für alle Haushalte machbare Lösungen zur Umstellung auf klimaneutrale Alternativen? Das sei die zentrale Frage, glauben die Autoren Frederik Digulla und Sara Holzmann.
Für Schwarz-Rot steht im Zentrum die Bepreisung von CO2. Das geschieht bereits, soll aber deutlich ausgeweitet werden. Der wichtigste Einschnitt: Ein neues EU-Handelssystem für Kohlendioxid-Emissionen im Verkehr und beim Heizen von 2027 an. Benzin und Diesel, Erdgas und Heizöl sollen spürbar teurer werden. Dass da Akzeptanzprobleme drohen, sei Union und SPD bewusst. Bei der politischen Antwort darauf blieben die Koalitionäre aber vage, heißt es in dem Papier.
Im Koalitionsvertrag ist nur allgemein davon die Rede, dass es im Gegenzug „unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen“ geben soll. Ferner will Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) schon von 2026 an den Strompreis um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde senken. Das habe zwar den Vorteil, dass Menschen mit wenig Geld „deutlich entlastet“ werden könnten. Offen sei aber, ob die Kostensenkungen „tatsächlich mit der Klimapolitik und der CO2-Bepreisung in Verbindung gebracht werden und akzeptanzsteigernd wirken“.
Massive Kritik üben Digulla und Holzmann an der Förderung der E-Mobilität, die Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) gerade angekündigt hat. Geplant sind steuerliche Begünstigungen, die vor allem bei teuren Firmenwagen wirksam werden. „Das bietet keine Unterstützung für Haushalte mit geringen Einkommen und wird auch nicht dazu führen, dass mehr bezahlbare E-Autos in den Markt kommen, um perspektivisch den für viele Haushalte wichtigen Gebrauchtwagenmarkt um bezahlbare elektrische Modelle zu erweitern“, kritisiert das Duo.
Zwar gebe es Ansätze für ein „Social-Leasing“ – ein sozial gestaffeltes und staatlich bezuschusstes Leasingmodell für E-Pkw. Doch solle dieses mit Geld aus dem EU-Klimasozialfonds finanziert werden, dessen Volumen mutmaßlich ziemlich bescheiden ausfallen werde. Deshalb sei zu erwarten, dass diese Instrumente „nur wenige Haushalte erreichen und keine breite Wirkung entfalten“, so die Ökonomen.
Auch beim Thema Heizungstausch geht der Daumen nach unten. Von der geplanten Fortführung der Förderung profitierten „überwiegend wohlhabende Haushalte“. Zwar sei auch bei diesem Thema im Koalitionsvertrag von einer sozialen Staffelung die Rede. „Die konkrete Umsetzung dieses Anspruchs bleibt aber offen.“
Klima-Akzeptanz-Check der Bertelsmann-Stiftung und der Stiftung Klimaneutralität
Das Kapitel Ordnungsrecht wird in der Studie mit „Verzagte Schritte rückwärts“ überschrieben. Sehr bedenklich sei, dass Ministerin Reiche von einem „Wärmepumpenzwang“ spreche, den sie nun abschaffen wolle, obwohl es ihn niemals gegeben habe, und dass sie Gasheizungen das Wort rede. „Jede Gasheizung, die jetzt noch eingebaut wird, verursacht in den kommenden Jahren hohe CO2-Kosten und ist ein unkalkulierbares individuelles Risiko.“
Es drohten Fehlinvestitionen, weil die Therme vorzeitig ausgetauscht werden müsse, wenn entweder die Klimaziele den Weiterbetrieb verbieten oder die Gasverteilnetze nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben seien und die Kosten explodierten. „Das Vorgehen der Regierung ist mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz kurzsichtig und problematisch.“
Digulla und Holzmann begrüßen hingegen Infrastrukturprojekte wie den Ausbau von Bahn und ÖPNV, formulieren aber massive Zweifel, ob die geplanten Maßnahmen insgesamt ausreichen, um die ambitionierten Klimaziele für die nächsten Jahre zu erreichen. Hier sehen sie ein massives Problem aufziehen: Einerseits habe die Koalition die Relevanz des Rückhalts in der Gesellschaft erkannt. „Aber eine Klimapolitik, die nur auf (vermeintliche) Akzeptanz schaut und dabei die Klimaziele verfehlt, ist erst recht nicht erfolgreich.“
rnd