Zollstreit zwischen EU und USA: Kein Deal mit Trump um jeden Preis

Narzissten glauben häufig, die ganze Welt drehe sich um sie. In den allermeisten Fällen ist das eine Fehlannahme, die das Leben der Betroffenen kompliziert macht. Beim größten Narzissten unserer Zeit jedoch liegt die Sache anders: Donald Trump hat recht damit, dass sich große Teile der Welt nur noch um ihn drehen. Und dummerweise macht das nicht sein Leben komplizierter – sondern das aller anderen.
Seit seiner Amtseinführung vor knapp einem halben Jahr hält der US-Präsident die Weltwirtschaft mit seiner Handelspolitik in Atem. Wobei Politik kaum das richtige Wort ist, zumindest nicht, wenn man sie gemäß klassischer Definition als Reihe handlungsleitender Grundsätze, Regeln oder Richtlinien begreift. Bei Trump ist all das nicht existent, seine Politik besteht im Wesentlichen aus Drohgebärden, Wankelmut und Willkür.
Der US-Präsident hat der gesamten Welt den Zollkrieg erklärt und gleichzeitig jedem einzelnen Staat einen Friedensschluss angeboten – zu seinen Bedingungen, versteht sich. Seither umgarnen ihn die Mächtigen, gieren die Finanzmärkte nach seinen Äußerungen, suchen Unternehmenslenker seine Gunst. Schon gewöhnlichen US-Präsidenten ist das Interesse der Weltöffentlichkeit sicher, Trump aber hat das Spiel mit der Aufmerksamkeit auf ein völlig neues Level gehoben. Er lebt jetzt den Traum eines jeden Narzissten.
Das Problem ist, dass es kaum möglich sein wird, den Mann im Weißen Haus mit inhaltlichen Zugeständnissen zufriedenzustellen. Denn er giert ja nicht nach Prozentzahlen in Handelsabkommen, sondern nach der permanenten Bestätigung der eigenen Großartigkeit. Er selbst mag sich als großer Dealmaker sehen, mit einem wie ihm aber ist kein Geschäft zu machen – weil es keine Verlässlichkeit gibt. Trump hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass nach dem Deal für ihn vor dem nächsten ist.

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Für die Verhandler der Europäischen Union macht das die Sache schwierig. Sie können die Meinungsäußerungen des Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht einfach als Spinnereien abtun, denn natürlich haben sie massive Auswirkungen auf die reale Wirtschaft. Erst im Mai sind die deutschen Exporte in die USA dramatisch eingebrochen. Hauptgrund ist die unsichere Lage bei den Zöllen. Trumps erratischer Politikstil kostet Wohlstand und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks.
Gleichzeitig aber wäre es falsch, aus Sorge um die Konjunktur den Launen des Unberechenbaren nachzugeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre es sogar kontraproduktiv.
Schon der Handelskonflikt während Trumps erster Präsidentschaft hat gezeigt, dass der frühere Immobilien-Tycoon vor allem die Sprache der Stärke versteht. Der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Junker hatte 2018 nicht gezögert, Levi’s-Jeans, Harley Davidson-Motorräder und Bourbon-Whiskey mit Gegenzöllen zu belegen. Wenig später stand er neben Trump im Rosengarten des Weißen Hauses und erklärte den Handelskonflikt für beendet.
Im Zweifel gilt deshalb, dass Europa hart bleiben muss. Wer eine regelbasierte Handelsordnung will, in der nicht der Stärkere automatisch das Sagen hat, muss diese verteidigen – auch wenn es wehtut. Solange es nach Außen einig auftritt, hat Europa die ökonomische Kraft dazu.
Und so verlockend ein Handelsbeschränkungen abbauender Kompromiss wäre, so gefährlich wäre er, wenn nur Europa den Preis bezahlen würde. Den heute schon übermächtigen Tech-Konzernen aus den USA freie Bahn einzuräumen, um im Gegenzug die Autozölle um ein paar Prozentpunkte zu drücken, wäre langfristig ein schlechter Deal. Bevor es dazu kommt, gibt es besser keinen.
rnd