Der Staat muss riskanter investieren – auch wenn Steuer-Milliarden verloren gehen könnten

Deutschland will Innovation, scheut aber das Risiko. Investor Carsten Puschmann fordert: Der Staat muss lernen, Milliarden zu riskieren – sonst bleiben uns nur die Ideen anderer.
Risikokapital (Venture Capital, VC) ist essenziell, um Ideen aus der Konzeptphase zur Marktreife zu führen. Besonders in kapitalintensiven Bereichen wie Klimatechnologie, Biotech oder Künstliche Intelligenz entscheidet die Verfügbarkeit von VC häufig darüber, ob sich ein Startup durchsetzt oder scheitert. Diese Sektoren gelten zugleich als Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.
In Deutschland fehlt es an einer offenen und dynamischen Venture-Capital-Landschaft. Laut aktuellen Studien fließen nur etwa 20 bis 25 Prozent der europäischen VC-Investitionen nach Deutschland. Im Vergleich zu Ländern wie den USA stehen europäische – und insbesondere deutsche – Startups oft vor erheblichen Herausforderungen beim Skalieren.
Diese sogenannte „Scaling Trap“ resultiert in unterkapitalisierten Startups, die langfristig nicht mehr mit internationalen Wettbewerbern mithalten können. Ein Grund: Deutsche Investoren agieren konservativer als ihre US-Pendants.
Tendenziell wird weniger in risikoreiche, potenziell hoch profitable Startups investiert, insbesondere in späteren Phasen nach der Seed-Runde. Das setzt einen negativen Kreislauf in Gang: In den vergangenen Jahren war ein deutlicher Rückgang der Risikokapitalinvestitionen in Deutschland zu beobachten.
Im Jahr 2023 sammelten deutsche Startups sechs Milliarden Euro ein, was einen Rückgang von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr darstellt und die wachsende Investitionslücke verdeutlicht. Der Mangel an großflächigen Finanzierungsmöglichkeiten führt wiederum dazu, dass weniger „Unicorns“ aus Deutschland hervorgehen. Das wiederum schwächt die Fähigkeit des Ökosystems, bedeutende Kapitalgeber anzuziehen.
Es bleibt nämlich bei den zwei Binsen: „Geld zieht Geld an“ und „money goes where attention flows“.
Im gar nicht mehr so neuen Koalitionsvertrag wird betont, dass staatliche Fonds eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Innovationen spielen sollen. Es sollen insbesondere junge Unternehmen und Start-ups unterstützt werden, um Deutschland als führenden Innovationsstandort in Schlüsseltechnologien wie KI und Mikroelektronik zu etablieren.
Doch die Antwort auf die Scaling Trap darf nicht allein im Ruf nach mehr „Staatsknete“ liegen.
Damit meine ich zum einen die Vorstellung, dass der Staat nach dem Gießkannenprinzip Steuergelder verteilt, zum anderen, dass Ausgaben politisch gelenkt auf bestimmte Branchen oder Technologiefelder gelenkt werden.
Das eine wäre auch nichts anderes als versteckte Subventionen, quasi digitaler Agrardiesel. Das andere ist die Vorstufe zur Planwirtschaft. Aber die Zukunft lässt sich nicht immer planen. Wer will entscheiden, ob BioTech oder KI gefördert werden soll, wenn alles wichtig für unsere Zukunft ist?
Staatliches Engagement allein wird immer den Wettbewerb verzerren und private Investoren verdrängen – vor allem, wenn politische Zielsetzungen das einzige Förderkriterium sind. Staatliche Risikoinvestition bleibt immer ein Drahtseilakt, die klare und transparente Kriterien voraussetzt.
Für mich könnten – neben der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, die bei jeder Investition Voraussetzung ist – folgende drei Kriterien entscheidend sein:
- Innovationsgrad: Hat das Projekt das Potenzial, bahnbrechende technologische Fortschritte zu erzielen? Kann das Unternehmen einen neuen Markt erschließen oder einen bestehenden Markt fundamental verändern?
- Volkswirtschaftlicher Nutzen: Wie groß ist das langfristige Wachstums- und Skalierungspotenzial des Unternehmens? Kann das Vorhaben signifikante neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen?
- Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Nutzen: Trägt das Projekt zur Verringerung von Umweltbelastungen wie CO2-Emissionen bei? Wird durch das Projekt das Wohlergehen der Gesellschaft verbessert?
Effizienz-Check ist der richtige Schritt
Dass die neue Bundesregierung die gesamte Start-up-Finanzierungsarchitektur einem „Effizienz-Check“ unterziehen will halte ich deshalb für einen richtigen Schritt.
Ebenfalls für richtig halte ich die Strategie, mithilfe staatlicher Fonds gezielt privates Kapital zu mobilisieren. Der Staat sollte sein Kapital – das wir alle ihm zur Verfügung stellen, und das deshalb strenggenommen unser aller Kapital ist – strategisch als Hebel einsetzen, um private Investitionen zu mobilisieren.
Anstatt allein auf direkte Investitionen zu setzen, muss der Staat Maßnahmen ergreifen, die den Rahmen für private Investition in allen Bereichen und Branchen verbessern:
- Steuervorteile: Durch gezielte steuerliche Anreize inklusive verbesserter Abschreibemöglichkeiten werden private Investoren ermutigt, ihr Kapital in zukunftsträchtige Sektoren zu lenken. Steuererleichterungen für Investitionen in Unternehmen, die mindestens den drei Kriterien entsprechen könnten das wirtschaftliche Engagement erheblich steigern.
- Matching Fonds: Der Staat könnte Programme entwickeln – oder bestehende VC-Fonds ergänzen – bei denen er jeden von Privatinvestoren eingebrachten Euro um einen gewissen Betrag ergänzt. Solche Fonds würden das Vertrauen stärken und das Engagement privater Kapitalgeber multiplizieren.
- Risikominimierung: Der Staat könnte Risiken von Investitionen für private Akteure durch staatliche Garantien oder Versicherungen verringern. Auch dadurch wird die Eintrittsschwelle für private Investoren gesenkt.
Was aber immer klar sein muss: Im Wort Risikokapital steckt wortwörtlich die Gefahr. Das Risiko ist, dass das Geld weg ist. Darf der Staat unter diesen Voraussetzungen überhaupt investieren? Haben wir nicht alle noch das Northvolt-Desaster vor Augen?
Im schlimmsten Fall könnte diese Pleite mehr als eine Milliarde Euro deutsches Steuergeld kosten. Darf der Staats also nicht Risikokapital geben? Ich meine, er muss es sogar. Er muss es vielleicht klüger machen als in diesem speziellen Fall. Aber er muss. Eine Kombination aus Anreizen und Unterstützung sendet ein starkes Signal an den Markt und an Gründer und würde Deutschland zu einem attraktiveren Standort für Innovationen und Technologien machen.
Und um nochmal auf den möglichen Maximalschaden von einer Milliarde Euro zurückzukommen: Der komplette öffentliche Haushalt von Bund, Ländern und Kommunen, erreichte im Jahr 2024 rund 2.082,1 Milliarden Euro an Ausgaben. Eine Milliarde entsprechen also gerade einmal 0,048 Prozent der gesamten Ausgaben. Dieses Risiko hätte ich in Kauf genommen.
Carsten Puschmann ist Investor, Serial Entrepreneur und Innovator, der sich darauf spezialisiert hat, gemeinsam mit Family Offices in vielversprechende Start-ups zu investieren. Als Gründer eines Venture Builders und zwei privaten Investmentclubs bietet er Investoren eine Vielzahl von hochkarätigen Investitionsmöglichkeiten. Carsten unterstützt Start-ups in der Pre-Seed- und Seed-Phase bei der Beschaffung von Risikokapital und der Optimierung von Geschäftsmodellen. Das Magazin Business Punk zählte ihn 2024 zu den 100 innovativsten Köpfen der deutschen Digitalwirtschaft.
businessinsider