Im Meer wollen Firmen nach wertvollen Metallen schürfen. Dabei sind Fragen zur Verarbeitung noch gar nicht geklärt


Sopa Images / LightRocket / Getty
In den Tiefen der Ozeane liegen Unmengen wertvoller Rohstoffe: Metallene Knollen am Meeresboden enthalten Mangan, Kupfer, Nickel, Kobalt und zum Teil auch seltene Erden. Laut Schätzungen gibt es im Meer davon teilweise mehr, als an Land noch abgebaut werden kann.
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Die Tiefsee ist deshalb jüngst ins Zentrum der Geopolitik gerückt. Donald Trump ist im April mit einem Dekret vorgeprescht, mit dem er den Tiefseebergbau vorantreiben und möglichst schnell Abbaulizenzen vergeben will. Denn die USA wollen ihre Abhängigkeit von China bei kritischen Metallen reduzieren, wie man sie für iPhones braucht, für Batterien oder für Akkus von Laptops und Solaranlagen. Mit seinem Vorstoss übergeht Trump internationales Recht zur Förderung von Rohstoffen in internationalen Gewässern. Denn bisher galt: Kein Land baut die wertvollen Knollen am Meeresboden ab, solange nicht klar ist, ob das Ökosystem dort zerstört wird.
Die USA haben mit der Verordnung aus einem Zustand des Abwartens einen Wettlauf gemacht. Ihr Ziel: Sie wollen die Ersten sein, die sich Zugang zu den Metallen aus dem Meer verschaffen. Und davon profitieren besonders Rohstoffunternehmen.
Etliche Firmen bereiten sich schon seit Jahren auf einen Abbau vor, sie hoffen auf Einnahmen in Milliardenhöhe. Dabei ist noch gar nicht klar, wo die Metalle verarbeitet würden, damit sie verkauft werden könnten. Oder wie.
Abbau mit Greifarmen und StaubsaugernDie Techniken, um die wertvollen Manganknollen vom Meeresboden zu sammeln, existieren zwar. Sie unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise, sind einmal effizienter, einmal umweltschonender.
Manche Unternehmen setzen Unterwasserroboter ein, deren Greifarme die Knollen aufsammeln. Und dabei möglichst wenig Sand und Meerestiere mitnehmen sollen. Die schnellere – und rabiatere – Lösung gleicht einem Staubsauger: Ein Gerät saugt die Knollen über ein Rohr ins Schiff; Sand, Sedimente und Geröll werden wieder ins Meer abgeleitet und sinken zurück auf den Meeresboden.
Die Verfahren sind weder besonders teuer noch besonders aufwendig bei der Verwendung. Was aber fehlt, sind Prozesse der Verarbeitung – der entscheidende Schritt, um die Knollen zu Geld zu machen.
Walter Sognnes war zwanzig Jahre im Erdölgeschäft in Norwegen tätig, bevor er die Tiefseebergbau-Firma Loke gründete. Er sagt, die meisten Techniken zum Abbau könne man von der Ölförderung im Meer übernehmen, das sei nicht das Problem: «Derzeit mit die grösste Herausforderung für Tiefseebergbau-Unternehmen ist die Verarbeitung.»
Denn bevor die Metalle künftig verkauft werden könnten, müssten sie aus den Manganknollen herausgelöst und so verarbeitet werden, dass sie einen gewissen Grad an Reinheit erreichen.
Die Verarbeitung ist besonders kompliziertDie Verarbeitung der Knollen ist technisch herausfordernd. Geeignete Fabriken müssten erst noch gebaut werden. Tiefseebergbau-Unternehmen wollen das nicht selber übernehmen, ihnen fehlt die nötige Expertise. Ausserdem hadern viele damit, nicht genügend Investorengelder zu bekommen. Die Unternehmen konzentrieren sich deshalb auf das Einsammeln der Knollen. Sie brauchen Partnerfirmen, die ihnen nicht nur die Knollen abkaufen, sondern auch die Infrastruktur für deren Verarbeitung bauen wollen.
Christoph Heinrich ist emeritierter Professor für mineralische Rohstoffe am Institut für Geochemie und Petrologie an der ETH. Er sagt: «Kobalt, Mangan, Kupfer, Nickel, die seltenen Erden: Alle diese Elemente sind nano- bis mikrokristallin in den Knollen verstreut.» Die Metalle sind also in winzigen Mengen verteilt. Deshalb liessen sie sich laut Heinrich nur durch komplexe chemische Prozesse herauslösen.
Diese Prozesse bringen ihre Risiken mit sich. Stand heute gäbe es in der industriellen Chemie zwei Verfahren, um die Meta
lle aus den Knollen zu gewinnen. Das erste nutzt Hitze, um in Hochöfen die Knollen zu schmelzen und so die benötigten Rohstoffe zu gewinnen.
Dieses Verfahren ist in der Industrie bereits etabliert und wird etwa in der Stahlproduktion genutzt. Es liesse sich auch bei den Knollen anwenden. Das erklärt, warum sich die kanadische Firma The Metals Company (TMC) für diese Methode entschieden hat. Das Unternehmen gilt als Vorreiter im Tiefseebergbau. TMC hat bei Trump für das Dekret lobbyiert und Ende April bereits eine Abbaulizenz bei der zuständigen amerikanischen Behörde beantragt. Schon im Februar verkündete die Firma, mit dem japanischen Unternehmen Pamco aus den ersten Manganknollen die enthaltenen Metalle herausgeschmolzen zu haben.
Doch das Schmelzverfahren hat laut einer wissenschaftlichen Untersuchung zwei Haken: Die Öfen brauchen grosse Mengen an Energie und stossen viel CO2 aus. Zudem kann nur ein gewisser Prozentsatz der Metalle aus den Knollen gewonnen werden, der Rest geht verloren.
The Metals Company / Youtube
Hans Smit ist CEO der amerikanischen Tiefseebergbau-Firma Ocean Minerals, die im Meer um die Cook-Inseln Manganknollen abbauen will. Er sagt, in bestehenden Fabriken könnten mit dem Schmelzverfahren derzeit nur 60 bis 70 Prozent der Metalle aus den Knollen gewonnen werden. Aus diesem Grund und wegen des hohen Energieverbrauchs hat sich sein Unternehmen für eine andere Methode entschieden: das Herauslösen der Metalle mit Säure.
Bei diesem Verfahren werden Chemikalien eingesetzt, weshalb komplexe Sicherheitsstandards gelten und eine aufwendige Abwasserbehandlung eingesetzt werden müsste.
Die Säuremethode ist zwar ebenfalls bekannt in der Metallindustrie, die chemischen Prozesse für die einzelnen Metalle sind etabliert. Aber sie sind noch nicht auf die Knollen anwendbar. Dafür müsste laut Smit eine Verarbeitungsanlage die Prozesse erst in einem vielschrittigen Verfahren kombinieren. Und die verschiedenen Metalle in der richtigen Abfolge mit den richtigen chemischen Zusätzen herauslösen.
So eine Fabrik muss erst gebaut werden. Smit hat den komplexen Ablauf entwickelt und dokumentiert. Mit seinen Plänen zieht er gerade von Verarbeiter zu Verarbeiter. Seine Hoffnung: Die Firmen überzeugen, dass es sich lohnt, Fabriken zu bauen – da das Rezept zur Verarbeitung schon entwickelt ist und die Hürden damit kleiner sind als angenommen. Und dennoch könnte es Jahre dauern, bis die ersten Produktionsstätten stehen.
Walter Sognnes sagt, im Geschäftsfeld des Tiefseebergbaus sei die Verarbeitung der grösste Kostenfaktor. Hans Smit rechnet für eine Fabrik mit Baukosten von über 2 Milliarden Dollar.
Alle hoffen, manche scheiternViele Unternehmen können nicht mehr lange warten. Sie brauchen Geld und müssen durch Versprechen ihre Investoren hinhalten, bis in Zukunft mögliche Einnahmen fliessen.
Der Tiefseebergbau-Unternehmer Sognnes sagt, seine Firma habe ursprünglich bis 2031 eine grossangelegte Produktion starten wollen – sofern sie bis dahin die Erlaubnis für den Abbau bekommen hätten. Sognnes spricht von 10 000 Tonnen Trockengewicht der Knollen pro Tag, 3 Millionen Tonnen pro Jahr. Das war jedenfalls die Hoffnung. Sein Unternehmen ging jedoch im April bankrott.
Auch Hans Smit hat grosse Pläne. Er will jährlich Knollen mit einem Trockengewicht von 2 Millionen Tonnen abbauen und hofft darauf, in drei Jahren damit beginnen zu können. Aber auch sein Vorhaben hängt vom Bau der Fabriken und von Investorengeldern ab.
Die Versprechen sind gross, die Unsicherheiten sind es auch. Für Sognnes hat die Finanzierung nicht gereicht.
Alles nur Hype?Unternehmen nutzen derzeit die Aufmerksamkeit der USA, um die wirtschaftlichen Versprechen rund um die Knollen zu hypen. Unternehmen stellen sie als Voraussetzung für die Energiewende dar, Trump benötigt sie im geopolitischen Wettbewerb mit China. Doch werden diese Metalle wirklich im besagten Ausmass gebraucht werden?
Gemäss Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) schon, zumindest mittelfristig. Das bestätigt auch der Geochemiker Heinrich. Die wichtigsten Batterietypen würden noch länger von Lithium, Mangan, Nickel und Kobalt abhängen. Doch Heinrich sagt auch: «Es braucht nur die Entwicklung eines neuen Batterietyps, und die Metalle verlieren an Wert.»
Die technischen Fragen, rechtlichen Unklarheiten und unsicheren Marktaussichten sind jedoch nicht die einzigen Hürden, vor denen Unternehmen stehen. Hinzu kommen mögliche Umweltrisiken. Der Tiefseebergbau ist seit Jahren umstritten. Mehrere Staaten, darunter die Schweiz und Deutschland, haben sich vorerst dagegen ausgesprochen. Umweltschützer und Forscher befürchten, dass das Meer irreversiblen Schaden erleiden könnte.
Smit sagt, er würde sofort stoppen, wenn sich herausstellte, dass ein Abbau zu grosse Umweltschäden anrichten und etwa zum Aussterben von Tieren beitragen würde.
Das sage er auch immer seinen Investoren: «Das Risiko besteht, dass ihr alles verliert. Aber ihr könntet auch viel gewinnen, weil ihr von Anfang an dabei wart.»
nzz.ch