Im Profil: Elton John

Neben den vielen, vielen Singles, die zu weltweiten Hits wurden, hat Elton John auch einige weniger populäre veröffentlicht. Eine heißt „Friends Never Say Goodbye“, eine Ode an den Zusammenhalt. Aber manchmal muss man dann doch Lebewohl sagen. Zumindest hat der Musiker sich mit der Labour-Partei überworfen. Vergangenes Jahr hat er sie in deren Wahlkampf noch unterstützt, aber nun, da sie gewonnen hat, zeigt sich der britische Musiker bitter enttäuscht. „Absolute Losers“, absolute Verlierer, wäre ein passender Song-Titel, aber es ist dann nur das Zeugnis, das Elton John den Regierenden kürzlich in einem BBC-Interview ausgestellt hat.
Absolute Verlierer sind demnach jene Politiker, die es den Tech-Konzernen erlauben wollen, urhebergeschützte Werke ohne Erlaubnis der Künstler zu verwenden, genauer: zu verwursten. Denn das Material soll, wenn es nach den Vorstellungen von Peter Kyle geht, auch künstlicher Intelligenz als Grundlage für neu generierte Musik dienen. Elton John nun nennt Kyle, den Staatssekretär für Wissenschaft, Innovation und Technologie des Vereinigten Königreichs, einen Trottel und die vorgeschlagene Regelung eine Straftat, genauer: Diebstahl.
Nicht jeder, sagte Elton John, verdiene so viel Geld wie erDa sich KI praktisch überall rasant verbreitet, müssen Regierungen rasch gesetzliche Vorgaben finden. Die britische diskutiert derzeit die Möglichkeit, den Konzernen die Nutzung jeglicher im Internet verfügbarer Musik zu erlauben – außer, die Urheber widersprechen explizit. Elton John und viele andere Künstler halten diese Opt-out-Option für nicht praktikabel, es werde zugehen wie im „Wilden Westen“ und den Kreativen werde am Ende ihr Lohn vorenthalten. Er präferiert die aktuelle Regelung, nach der die Zustimmung der Musiker einzuholen ist, bevor mit deren Werken Programme wie Chat-GPT trainiert werden. Die Regierung denke wohl, sagt Elton John, „alte Leute wie ich“ könnten damit klarkommen, dabei verdiene nicht jeder so viel Geld wie er.
Die Briten mögen sich zwar nicht mit dem überschwänglichen Lebensstil und gewiss nicht mit dem überragenden Talent identifizieren können, aber er war so radikal offen in den vergangenen Jahrzehnten, dass sie doch mit ihm fühlen. Nicht zuletzt das von ihm abgesegnete Biopic „Rocketman“ hat die Höhen und Tiefen des Elton Hercules John, wie Reginald Kenneth Dwight sich irgendwann nannte, schonungslos beleuchtet. Der Film beginnt damit, dass er als junger Mann einer Selbsthilfegruppe seine Süchte aufzählt: nach Alkohol, Kokain, Sex, Medikamenten, Gras und Shoppen. Außerdem sei er Bulimiker.
1947 im Nordwesten Londons geboren, gewann er als Elfjähriger ein Nachwuchsstipendium an der Royal Academy of Music. Mit Anfang 20 lernte er Bernie Taupin kennen, mit dem er fortan einen Hit nach dem anderen schrieb. Von Klavierballaden wie „Candle in the Wind“ und „Your Song“ über Uptempo-Pop wie „I’m Still Standing“ bis hin zum tanzbaren Remix „Cold Heart“, das als Duett mit der Sängerin Dua Lipa vor vier Jahren die Nummer eins in den britischen Charts war, insgesamt hat er das zehn Mal geschafft.
Für seine Musik ist er noch berühmter als für seine BrillenSeine Lieder sind so eingängig, dass sie Hörern noch präsenter sind als seine Brillen und Kostüme, was angesichts seines extra extravaganten Modegeschmacks eine nicht zu unterschätzende Leistung ist. Jedenfalls gehört er zu den erfolgreichsten und, ja, reichsten Musikern überhaupt. Seinem Leben abseits der Bühne mangelte es dabei nie an Drama. In den Siebzigern sprach er über seine Bisexualität, in den Achtzigern heiratete er eine deutsche Toningenieurin, die sich noch in den Flitterwochen das Leben nehmen wollte. Seit 1990 ist er clean. Drei Jahre später lernte er David Furnish kennen, die beiden haben heute zwei Söhne zusammen.
Nach seiner großen Abschiedstour verriet er im vergangenen Dezember, dass er nach einer schlimmen Augeninfektion kaum mehr sieht. Musik aber macht er weiterhin. Von künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden, gehört nicht zu seinen Ängsten. „Eine Maschine ist nicht in der Lage, etwas mit Seele zu schreiben“, sagte er der BBC.
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