DFB-Pokal-Coup der Arminia: Ein Abend der Bielefelder Hochgefühle
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Die Sieger hatten von vornherein gewusst, was auf sie zukam. Die Verlierer dagegen schienen zumindest in der ersten Halbzeit keinen Plan und keine Vorstellung davon zu haben. Und so wurde das Viertelfinalduell zwischen dem Drittligavierten Arminia Bielefeld und dem Bundesligaklub Werder Bremen letztlich in den ersten 45 Minuten entschieden.
Da erspielten sich die Ostwestfalen, die den irgendwie draufloskickenden Norddeutschen in puncto Laufbereitschaft, Intensität und Zielstrebigkeit deutlich voraus waren, einen 2:0-Vorsprung: Erst traf der vortreffliche Spielmacher Marius Wörl mit einem prächtigen Diagonalschuss vom linken Strafraumeck ins rechte Toreck (35. Minute), kurz darauf folgte ein Eigentor des Bremers Julian Malatini per Bogenlampe (41.). Alles lief für den Außenseiter.
Die verschlafene erste Hälfte konnten die nach der Pause bemühten Bremer am Ende nicht mehr kompensieren. Das 1:2 durch den wuchtigen Schuss des eingewechselten Schotten Oliver Burke (56.) reichte nicht.
Mit ein bisschen Glück beim Lattenkopfball des früheren Arminen Amos Pieper (90.+2) und einer prächtigen Parade im Eins-gegen-Eins-Duell mit dem Bremer Angreifer Justin Njinmah (48.) bezwangen die um jeden Meter kämpfenden Arminen nach Union Berlin (2:0) und dem SC Freiburg (3:1) die dritte Erstligamannschaft nacheinander. Nun warten sie gespannt auf ihren Gegner im Halbfinale am 1./2. April.
Die Ostwestfalen hatten sich schon 2005 und 2006 als Pokalspezialisten erwiesen, als sie, damals noch in der Bundesliga, jeweils erst im Halbfinale am FC Bayern München (0:2) und an Eintracht Frankfurt (0:1) scheiterten. In der Runde der letzten Vier endete auch 2015 die Traumreise des Drittligaklubs, mit einer 0:4-Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg.
Damals feierten die Fans der Schwarz-Weiß-Blauen ihre Mannschaft trotz des Ausscheidens genauso frenetisch wie diesmal das Gros der 26.601 Zuschauer nach einem leidenschaftlich erkämpften und schlau herausgespielten Sieg über die derzeit durch ein Formtief taumelnden Bremer.
„Man muss sich hier anpassen“, sagte der enttäuschte Bremer Spielmacher Leonardo Bittencourt, und hob damit das größte Versäumnis seiner Mannschaft in Bielefeld hervor. „Die machen jeden Raum zu. Es ist nicht so wie in der Bundesliga, dass hier ein bisschen rumgekickt und gewartet wird. Wir hätten sie schon in der ersten Halbzeit mit den eigenen Mitteln bekämpfen müssen. Das haben wir erst in der zweiten Halbzeit gemacht.“ Spätestens nach der 0:5-Niederlage in Freiburg am vergangenen Bundesliga-Freitag ist der sechsmalige DFB-Pokalgewinner aus Bremen auf der Suche nach sich selbst.
Bielefeld dagegen, einer der Aufstiegskandidaten in Liga drei, blieb sich mit seinem Arbeiterethos konsequent treu und war auch im dritten Pokalduell dieser Saison letztlich besser als der Widersacher aus der Bundesliga. „Die erste Halbzeit war wie gemalt für uns“, sagte Trainer Mitch Kniat nach dem jüngsten Coup seiner Mannschaft, „wir wollten immer wieder über die zweiten Bälle kommen und haben die Kette von Werder auseinandergezogen. Das war auch der Plan.“
Der Coach, der in allen vier Pokalspielen, darunter auch das Erstrundenduell mit der Zweitligamannschaft von Hannover 96 (2:0), die Mittelfeldbesetzung von drei auf fünf Profis aufstockte und mit konsequentem Gegenpressing immer wieder Räume fand, hatte in jedem Pokalspiel einen Plan parat, der die Tür zum Erfolg öffnete. Da Kniat, ein Trainer mit gutem Gespür für das situativ Notwendige, eine charakterstarke, leidensfähige Mannschaft beisammen hat, triumphierte auch diesmal das Arminen-Kollektiv über ein Bremer Ensemble, das nach einer vielversprechenden Hinrunde angeknockt anmutet.
Dazu konnten sich die Bielefelder, die in der zweiten Hälfte leiden mussten, wieder einmal auf Marius Wörl verlassen, der in dieser Pokalrunde mit zwei Treffern und drei Torvorlagen der Türöffner für das Vorankommen bis ins Halbfinale war. Der Oberbayer Wörl, im zweiten Jahr ausgeliehen von Hannover 96, ist der Unterschiedsspieler der Arminia. Er schwärmte nach dem Coup gegen Werder vom „Spiel meines Lebens“. Dabei ist Wörl erst zwanzig Jahre alt.
Er und seine Bielefelder Kollegen dachten im Augenblick ihres größten Triumphs aber auch an den Kollegen Roberts Uldrikis, der am Dienstag, kaum eingewechselt (55.), eine Minute später den Fehlpass spielte, der zum 1:2 führte – und in der 63. Minute mutmaßlich einen Kreuzbandriss erlitt. Der lettische Mittelstürmer, erst im Januar gekommen, könnte den Arminen monatelang fehlen. Dass er an der nächtlichen Siegesfeier im Bielefelder Café Europa nicht teilnehmen konnte, war eine bittere Bielefelder Fußnote an einem Abend der Hochgefühle.
Frankfurter Allgemeine Zeitung