Südkorea unter Druck: Zinssenkung als Antwort auf Trumps Handelsdrohungen
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In Südkorea wachsen die Sorgen vor einer Belastung der Wirtschaft durch die Handelspolitik Donald Trumps. Die Zentralbank des Landes senkte am Dienstag den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf 2,75 Prozent und begründete das mit geringeren Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr. Die Exportnation in Fernost hängt in hohem Maße von den Ausfuhren von Autos der Hersteller Hyundai und Kia, Halbleitern und Elektronik der Großkonzerne Samsung, SK Hynix und LG sowie von Stahl ab. Für all diese Geschäftsfelder hat Trump Strafzölle angedroht, und könnten wiederum Gegenmaßnahmen in großen Absatzmärkten wie China drohen.
Die Bank von Korea hat ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von erwarteten 1,9 Prozent im November auf nur noch 1,5 Prozent gesenkt. Diese jüngste Prognose liegt ein gutes Stück unter dem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 2,5 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. In einer Pressekonferenz am Dienstag in Seoul nannte der Gouverneur der Bank von Korea, Rhee Chang-yong, Trumps protektionistische Maßnahmen als einen Faktor, der zu den verschlechterten Prognosen beigetragen habe.
„Das Profil von Trumps Zollpolitik hat sich nun weitgehend abgezeichnet, und das war der Anlass für die Herabstufung seit Januar“, sagte Rhee. Die niedrigeren Zinsen sollen zu einer Belebung in der viertgrößten asiatischen Volkswirtschaft beitragen. Rhee deutete an, dass in diesem Jahr weitere Lockerungsmaßnahmen folgen würden. Die Markterwartungen von zwei bis drei Zinssenkungen in diesem Jahr entsprächen den Ansichten der Bank von Korea. Der Notenbankchef wies aber darauf hin, dass nur zwei der sechs Mitglieder des Zentralbankrats eine weitere Zinssenkung in den nächsten drei Monaten befürworteten.
Die angedrohten Zölle lasten auf den Aktienkursen wichtiger koreanischer Unternehmen. So haben sich die Anteilsscheine von Hyundai, der gemeinsam mit seiner Tochtergesellschaft Kia der drittgrößte Autohersteller der Welt hinter Toyota und Volkswagen ist, seit dem Herbst um ein Fünftel verbilligt. Für den Stahlkonzern Posco ging es ähnlich steil bergab. LG Electronics hat 15 Prozent an Wert verloren.
Neben der Zoll-Gefahr aus Washington lasten auch die politischen Turbulenzen in Südkorea auf der Wirtschaft des Landes. Im Dezember hatte der Präsident Yoon Suk-yeol kurzzeitig überraschend das Kriegsrecht verhängt und damit das Vertrauen der Märkte in das Land erheblich beschädigt. Der Wechselkurs des Koreanischen Won zum Dollar hatte in den Wochen danach erheblich geschwankt. Inzwischen sind die Schwankungen aber geringer geworden. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon läuft noch. Notenbankgouverneur Rhee verwies am Dienstag aber auf einen schwachen privaten Konsum und eine nachlassende Bautätigkeit, die zusammen mit einer schlechten Verbraucherzuversicht mit dazu beigetragen hätten, dass die Zentralbank ihre Prognose gesenkt habe.
Der Gouverneur bekräftigte frühere Aussagen, wonach die Regierung mit zusätzlichen Ausgaben eingreifen müsse, um das Wachstum zu stützen, und warnte davor, sich allein auf die Geldpolitik zu verlassen, um die Wirtschaft anzukurbeln. In der vorigen Woche hatte der amtierende Präsident Choi Sang-mok eine Notfallstrategie für Südkoreas Exportwirtschaft vorgestellt. Er sprach von einem Zollkrieg der Trump-Regierung und einer „zunehmenden Unsicherheit an der Exportfront“. Hilfen im Wert von insgesamt 366 Billionen Koreanischen Won (244 Milliarden Euro) sollten vor allem kleinen und mittleren Unternehmen aus der Halbleiterindustrie dabei helfen, ihre Exporte trotz höherer Zölle und Handelsbeschränkungen aufrechtzuerhalten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung