Klub-WM: Doch nicht so übel?! – Endlich wieder Toyota-Cup


Als die Klub-WM ihren Höhepunkt erreichte, hielt Sammy Kuffour einen goldenen Schlüssel in der Hand. Für den FC Bayern war es die Krönung eines perfekten Jahres, als sie im November 2001 als Champions-League-Sieger in Tokio auf Boca Juniors trafen. Die Argentinier waren vom Verband unterstützt worden, um das Prestigeduell gegen die Europäer zu gewinnen, und von allen Pflichten des Ligaalltags befreit worden. Die Bayern reisten am Tag vor dem Spiel ans andere Ende der Welt. Es war das Superspiel des Jahres, die Sieger der kontinentalen Wettbewerbe trafen im direkten Duell aufeinander. Hier Kahn, Fink und Elber. Dort Juan Román Riquelme. Hör mal, wie das schmeckt. Es waren die letzten Jahre des analogen Fernsehens, eine kleine Weltreise um die Mittagszeit. Die Bayern warben für Opel und Boca für argentinisches Bier.
Am Ende gewannen die Bayern in der Verlängerung, weil Kuffour getroffen hatte. „Sammy“, hatte Kahn seinem Verteidiger vor Anpfiff gesagt, „wir müssen heute Geschichte schreiben.“ Der Hauptsponsor des Pokals überreichte ihm einen goldenen Schlüssel für einen nagelneuen Toyota, den Kuffour direkt nach Ghana zu seiner Mutter schicken ließ. Das Spiel hieß damals Toyota-Cup, die Trophäe war der Weltpokal. 2004 wurde der Wettbewerb zum letzten Mal ausgetragen, danach spielten die sechs kontinentalen Sieger und ein Gastgeber die Klub-WM unter sich aus.
Auch Gianni Infantino hielt bereits im Dezember 2024 zur Auslosung des an diesem Wochenende startenden Turnier einen goldenen Schlüssel in der Hand. Man könnte dem Fifa-Präsidenten Traditionsbewusstsein unterstellen, aber natürlich ging es ihm um etwas anderes: die ganz große Show. Es war der Schlüssel, sagte er, „der die Tür zu den Herzen des Volkes öffnet“. Darunter macht es die Fifa nicht mehr – schade.
Denn als im Dezember die Gruppen ausgelost wurden für die im Sommer geplante Klub-WM, die erstmals in acht Gruppen mit insgesamt 32 Teams ausgetragen wird, mischten sich aalglatte Geschäftemacher und rechtspopulistische Politiker – zum Teil in Personalunion – unter das letzte bisschen Fußballromantik. Im schwarz-goldenen Glanz des Bühnenbildes, der neuen Corporate Identity des Weltverbandes, als würde in Miami der nächste Ballon d’Or verliehen, präsentierte Infantino den neuen Pokal, der angeblich in Zusammenarbeit mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner entstanden sein soll. Und wie zum Beweis erschien der designierte US-Präsident auf der Videoleinwand, lobte Infantinos Arbeit und nannte den Fifa-Präsidenten „einen Gewinner“. Es war der Tiefpunkt eines zweieinhalbstündigen Spektakels, das noch unwürdiger wirkte als die Nominierung von Inter Miami für ebenjenes Turnier. Ein Manöver, um die Teilnahme von Lionel Messi sicherzustellen.
Und allein an diesem Abend ließen sich genügend Argumente finden, um auch den letzten Rest Vorfreude zu dämpfen. Denn natürlich ist die Klub-WM dazu da, der Fifa in einem Jahr ohne Fußball-WM zusätzliche Einnahmen zu sichern. Ein Turnier, das der Fifa in Zeiten der Super League die Sicherheit gibt, auch für die größten Vereine der wichtigste Dachverband zu sein. Ein Turnier, das die Position von Gianni Infantino zementieren soll. Ein Preisgeld von 85 Millionen Euro für den Sieger, der damit seine Vormachtstellung in der nationalen Liga festigen kann. Eine Idee, die dafür sorgen wird, dass die Spieler nach einer langen Saison noch mehr Reisen, noch mehr Spiele und noch mehr Verletzungen in Kauf nehmen müssen.
Oder man sieht es so: Die Klub-WM ist im Grunde eine fabelhafte Idee, nur wahnsinnig schlampig umgesetzt und völlig aus der Zeit gefallen. Denn eigentlich müsste jedem Fußballfan (zumindest wenn Infantinos goldener Schlüssel noch nicht dafür gesorgt hat) das Herz aufgehen beim Anblick von Gruppen wie: Palmeiras - Porto - Al Ahly - Inter Miami. Oder: Fluminense - Borussia Dortmund - Ulsan HD - Mamelodi Sundowns. Es ist die Mischung aus großen Namen, noch größeren Spielern, fremden Spielkulturen und einzigartigen Fanszenen. Und die Antwort auf die Frage: Welcher Verein ist der beste der Welt?
Schließlich ist die Klub-WM nach der modifizierten Champions League und der erstmals mit 48 Mannschaften ausgetragenen WM 2026 das letzte große Turnier in der gewohnten Struktur. Achtmal vier Mannschaften, Achtelfinale bis Endspiel. Austragungsort sind die USA. Trotz der Wiederwahl von Donald Trump alles andere als ein Unrechtsstaat (dachte man zumindest im Dezember noch). Gespielt wird in großen Arenen. Alle Spiele sind frei zu sehen. Es könnte ein Fußballfest werden. Ein Turnier, so schön, es hätte vor 30 Jahren erfunden werden sollen. Erfunden werden müssen. Denn der Fußball ist dieser Idee längst entwachsen.
Die europäischen Teams haben ihren finanziellen Vorteil längst in eine sportliche Hegemonie umgemünzt. Niemand glaubt ernsthaft, dass ein Vertreter aus Ozeanien oder Afrika dieses Turnier gewinnen könnte. Es sei denn, die europäischen Vereine schickten ihre B-Mannschaften. Eine Idee, mit der sogar Pep Guardiola zwischenzeitlich mal auf einer Pressekonferenz von Manchester City öffentlich spielte. Es schien nicht immer jeder davon überzeugt, die Klub-WM um jeden Preis gewinnen zu müssen. Noch dazu wenige Tage nach dem Finale der Champions League. Damit aber wäre der Super-Duper-Wettbewerb endgültig ad absurdum geführt.
Und auch sonst ist wenig romantisch im Weltfußball. Ob FC Bayern, Manchester City oder Real Madrid - auf dem Rasen ist von nationaler Identität kaum noch etwas zu spüren. Inter Miami reist mit der inoffiziellen Altherrenmannschaft des FC Barcelona an. Dass Al Hilal aus Saudi-Arabien, ein Transferfenster nutzen und mit etwas staatlicher Hilfe eine Auswahl der nationalen Liga zusammenstellen könnte - inklusive Cristiano Ronaldo – ist selbst wenige Tage vor dem Turnier noch nicht ausgeschlossen. Eine Videospielversion des einstigen Weltpokals. Aus jeder Pore dringt der Wunsch, so viel Geld wie möglich mit dem Fußball zu verdienen. Alles irre, alles irgendwie egal.
Ob so im nächsten Sommer jemand Geschichte schreiben wird? Schwer zu glauben. Egal, wie golden die Schlüssel sind.
11freunde