Zum Start der Klub-WM: Was ihr wissen müsst


Unter einem guten Stern stand die Klub-WM von Anfang an nicht. Schon 2000 in Brasilien ging es stotternd los. Obwohl das neu aufgelegte Turnier jährlich eine Antrittsprämie von 2,5 Millionen US-Dollar versprach, boykottierten etliche europäische Spitzenvereine die Zusatzbelastung schon bald. Das Turnier stand kurz nach der Entbindung schon wieder vor dem Ende. Auch wenn es 2004 schließlich doch wieder aufgenommen wurde und seither jährlich stattfand, leidet es bis heute an einem schweren Minderwertigkeitskomplex. In Europa wird der Klub-WM noch immer kaum eine Bedeutung beigemessen. Dieser Gefahr tritt die Fifa nun in ihrem neu strukturierten Wettbewerb entschlossen entgegen. Wie? Mit Geld. Viel Geld. 500 Millionen Dollar schüttet der Weltverband allein an Antrittsprämien aus, weitere 500 Millionen sind Leistungsprämien. Für die Teilnahme erhält etwa der FC Bayern laut Vorstandschef Jan-Christian Dreesen bereits 30 Millionen Dollar. Für jedes gewonnene Spiel oder das Erreichen der nächsten K.o.-Runde regnet es weitere Millionen. Auf den Turniergewinner warten weitere 40 Millionen Dollar. Rechnen wir das mal durch, könnte der FC Bayern Amerika in vier Wochen mit 125 Millionen Dollar im Gepäck wieder verlassen. Dafür müssen Vereine sonst eine ganze Champions-League-Saison (samt Titelgewinn) hinter sich bringen.
Zu gewinnen gibt es natürlich auch ein bisschen Goldware für die heimische Vitrine. Auf der Trophäe ist gleich zweimal der Name von Sonnenkönig Gianni Infantino eingraviert, zusätzlich hat der Fifa-Chef seine Unterschrift darauf platziert. Neben seinen Krakeleien bleibt noch Platz für 24 Siegergravuren. Der Pokal könnte also 90 Jahre lang genutzt werden.
3. Am weitesten weg und am kleinstenRekordmann der Klub-WM ist der Argentinier Emiliano Tade, der zwischen 2009 und 2023 an neun Turnieren teilnahm – für Auckland City. Den mit Abstand kleinsten Verein unter den diesjährigen Teilnehmern. Der Marktwert des gesamten Teams liegt bei 4,58 Millionen Euro. Also in etwa so hoch wie der monatliche Betrag, den ein durchschnittlicher Bayern-Profi mit seiner Tankkarte verbrennt. 900 Millionen Euro ist der Münchner Kader wert. Am Sonntag kommt es zum direkten Duell. Habt ihr noch Fingernägel? Unsere sind nämlich schon auf die Nagelwurzel abgekaut.
Wie eine Dampfwalze rollt die Klub-WM gerade über alles Bestehende. Dass parallel die U21-EM und demnächst auch die Frauen-EM laufen, interessiert die Fifa nicht sonderlich. Genauso wenig der Beginn des Gold Cup und der Copa Libertadores. Auch die beiden Turniere auf dem restlichen Teil des amerikanischen Kontinents kommen der Klub-WM in die Quere. Dafür bricht die Fifa sogar eine ihrer heiligsten Regeln: Vereine müssen ihre Nationalspieler während der Klub-WM nicht zwingend abstellen. Deutlicher geht es nicht: Infantinos Turnier hat alleroberste Priorität. Weshalb auch die nationalen Ligen das kalte Kotzen kriegen. Mittlerweile läuft ein Rechtsstreit mit der Fifa: Der Weltverband der Ligen fordert gemeinsam mit der Spielergewerkschaft Fifpro ein Mitspracherecht beim Befüllen des Kalenders.
Das Turnier erfordert auch für Vereinsmanager echtes Organisationstalent. Denn es gibt ein zeitliches Problem: Die Klub-WM findet vom 14. Juni bis zum 13. Juli statt. Auslaufende Verträge enden jedoch am 30. Juni. Was die Fifa dazu veranlasste, ein zusätzliches Transferfenster zu öffnen. In diesem hatte Fifa-Chef Gianni Infantino bis zuletzt versucht, Cristiano Ronaldo noch bei einem teilnehmenden Verein unterzubringen. Erfolglos. Das Turnier findet ohne Ronaldo statt. Dafür mit Leroy Sané. Obwohl der Flügelstürmer bei Galatasaray Istanbul unterschrieben hat, läuft er bei der Klub-WM für den FC Bayern auf. Nicht auszumalen, was in der Türkei los ist, wenn der stümperhafte Außenverteidiger von Auckland City Sané beim Stand von 8:0 die Achillessehne durchtrennt. Versicherungsvertreter, bitte Auskunft geben.
Zeit, den fetten Elefanten im Raum mal anzusprechen: Kaum jemand interessiert sich für das Turnier. Also zumindest nicht so viele, wie von Infantino erhofft. Zwei Milliarden Dollar erwartet die Fifa an Gewinngeld – 500 Millionen davon hat sie durch Ticketverkäufe einkalkuliert. Problem: Die Tickets liegen wie Blei im Regal. Kaum ein Match ist bislang ausverkauft. Die Fifa setzt auf „Dynamic Pricing“, das heißt: je höher die Nachfrage, desto teurer die Tickets. Und bislang geht das gehörig nach hinten los. Für das Eröffnungsspiel gibt es offenbar noch Tickets für 30 Dollar. Vor einem halben Jahr kosteten die noch knapp 350. Wie das sein kann? Etwa, weil sich Amerikaner gar nicht allzu sehr für Begegnungen wie Al-Ahly gegen Inter Miami und Red Bull Salzburg gegen CF Pachuca interessieren? Sapperlot! Wer hätte das ahnen können? Aber, aber. Not macht ja erfinderisch: Darum bietet die Fifa nun Pakete an, mit denen Käufer zusätzlich ein Vorrecht auf Tickets für die WM 2026 haben, die zum Teil bekanntlich ebenfalls in den USA steigt. Genial! Genau wie ein weiteres Angebot, mithilfe dessen die Fifa Interessenten anlocken möchte: Wenn jemand 20 Klub-WM-Spiele besucht, hat er ein Vorkaufsrecht auf ein Finalticket für die WM im nächsten Jahr. Allerdings nur, wenn unter den 20 besuchten Klub-WM-Spielen auch das Eröffnungsspiel oder das Finale dabei ist. Hah!
Damit das Turnier im TV nicht aussieht wie der sommerlochfüllende Audi Cup, hat sich die Fifa noch einen weiteren Trick überlegt. Weil einige Spiele derart schlecht verkauft sind, werden Interessenten auf Ticket-Websites nur Plätze in Bereichen angezeigt, die während der TV-Übertragung zu sehen sind. Durch manipulierte Ticketverkäufe soll es wenigstens im Fernsehen so aussehen, als würden sich die Menschen für die Klub-WM interessieren.
8. Ach ja: Und TrumpAuch das autoritäre Vorgehen von US-Präsident Donald Trump wirft einen Schatten auf die Klub-WM. Trump hat ein pauschales Einreiseverbot gegen mehrere Länder verhängt. Davon sind Spieler, Trainer und Staff größtenteils ausgenommen, Fans dagegen nicht. „Jeder ist willkommen“, behauptet Gianni Infantino zwar. Meint aber in Wirklichkeit nur die Ausländer, die Donald Trump gefallen. Betroffen von den verhärteten Einreisebestimmungen sind zum Beispiel die Fans der Boca Juniors. Die argentinische Ministerin für Nationale Sicherheit hat den Amerikanern eine Liste mit über 15.000 Personen überreicht, die ein Einreiseverbot haben. Angeblich soll es sich um gewaltbereite Fans handeln. Doch auch Aryton Costa, Spieler von Boca, wurde die Einreise verwehrt. Er soll 2018 in einen Strafprozess wegen versuchten Raubes verwickelt gewesen sein.
Die Klub-WM soll künftig alle vier Jahre stattfinden. Für 2029 ist also das nächste Weltturnier angedacht. Und in der Zwischenzeit? Legt Gianni Infantino die Füße hoch? Macht ein Sabbatical im malerischen Riad? Nein, natürlich nicht. Denn auch nach der Klub-WM wird jährlich ausgeknobelt, wer sich offiziell beste Vereinsmannschaft der Welt nennen darf. Das Mini-Turnier, das am Ende einer jeden Saison stattfindet, nennt sich heute etwas sperrig „Fifa-International-Pokal“, früher war es mal bekannt als „Weltpokal“. Und 2026 kommt es gleich zu einer nächsten Premiere – dann soll die Klub-WM der Frauen an den Start gehen.
Wir sind uns in der 11FREUNDE-Redaktion auch noch unschlüssig, inwieweit wir dieses Turnier journalistisch begleiten werden. Einerseits sträubt es uns als Fußballfans, dass die Idee für diesen Wettbewerb ihren Ursprung irgendwo in Gianni Infantinos machtgesteuertem Hirn hat und in saudi-arabischen Hinterzimmern auf den Weg gebracht wurde. Andererseits gibt uns die Klub-WM die Möglichkeit, Boca gegen Bayern oder Dortmund gegen Fluminense zu sehen. Das kann halt auch ganz cool sein. Vielleicht. Oder um es in den Worten von Franz Beckenbauer zu sagen, der unliebsame Turniere gern zu Verliererwettbewerben erkor: Schau ma moi, dann seng mas scho.
11freunde