Preis für Fernwärme: Deutlich teurer als Gasheizung

Die Warnung ist ernst gemeint: Mieterinnen und Mieter müssen sich auf heftige Nachzahlungen fürs Heizen einstellen. 2024 wurde wohl ein Allzeithoch bei den Kosten für wohlige Wärme in der Wohnung erreicht. Besonders betroffen sind Haushalte, die an Fernwärmenetzen hängen. Dies geht aus einer Analyse des Immobiliendienstleisters Ista hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Die Ista-Experten haben die durchschnittlichen Kosten einer 70 Quadratmeter großen Musterwohnung errechnet. Basis dafür waren die ersten 900.000 erstellten Heizkostenabrechnungen für 2024. Das Ergebnis: Das Heizen mit Erdgas verteuerte sich um 53 Euro auf 864 Euro. Wummerte im Keller noch ein Ölbrenner, waren es mit 892 Euro sogar 127 Euro weniger als 2023. Bei der Fernwärme kamen - wohlgemerkt im Durchschnitt - 1055 Euro zusammen, ein Plus von 225 Euro.
Ista-Chef Hagen Lessing betont: „Die tatsächlichen Abrechnungsdaten geben leider keinen Anlass zur Entwarnung, im Gegenteil.“ Die Ursachen: Staatliche Energiepreisbremsen für Gas und Fernwärme liefen Ende 2023 aus. Bei der befristeten Absenkung der Mehrwertsteuer war dies Ende März 2024 der Fall. Seither gelten wieder die regulären Preise und der volle Steuersatz von 19 Prozent. Dadurch hat sich bei der Fernwärme Erhebliches getan: Denn die Preisbremse bei dieser Heiz-Variante hatte vielfach sogar zu günstigeren Konditionen als vor der Energiekrise geführt.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass bei der Erzeugung des heißen Wassers nach wie vor die fossilen Brennstoffe Gas, Öl oder Kohle weit überwiegend eingesetzt werden. Deren Preisentwicklung wird aber von den Versorgern mit erheblichem zeitlichen Verzug an die Vermieter weitergegeben. Diese verschicken dann die Abrechnungen fürs Vorjahr in der Regel erst zwischen Mai und Dezember. Wodurch für die Mieter die tatsächlichen Kosten erst mit einem zusätzlichen Zeitversatz sichtbar werden.

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Ein weiterer Punkt sind die Fixkosten für die Wärmeerzeugung und die Aufwendungen für die Verteilnetze. Dies alles führt von Stadt zu Stadt zu extremen Unterschieden bei den Kosten. Der Bundesverband der Energieabnehmer (VEA) hat die Tarife von 84 Fernwärmeversorgern analysiert. Beim günstigsten Anbieter (Stadtwerke Hamm) mussten die Kunden nur etwa halb so viel wie beim teuersten (Stadtwerke Hanau) zahlen.
Hierzulande wird ungefähr eine von sechs Wohnungen mit Fernwärme beheizt. Die Versorgung mit heißem Wasser mittels unterirdischer Rohre soll massiv ausgeweitet werden, da Fernwärme in dicht besiedelten Gebieten häufig die einzige Möglichkeit ist, künftig klimaneutral zu heizen. Erneuerbare Quellen sind Biomasse und Biomüll, Abwärme von Industrieanlagen, Müllverbrennungsanlagen oder Rechenzentren sowie Geothermie. Dies zu erschließen, wird immense Investitionen nach sich ziehen. Auch der Ausbau der Verteilnetze ist extrem teuer. Insider sprechen von bis zu 5000 Euro pro Meter.
Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot ist indes ein Bekenntnis fixiert: „Um den Bau von Nah- und Fernwärmenetzen zu unterstützen, wird die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) gesetzlich geregelt und aufgestockt.“ Um Investitionen zu erleichtern, sollen zwei Verordnungen zügig überarbeitet werden. Details sind bislang nicht bekannt. Aber hinter den Kulissen soll bereits heftig verhandelt werden.
Die Krux: Die Kunden sind vom örtlichen Versorger abhängig, sie können den Anbieter nicht wechseln, in jeder Kommune gibt es jeweils nur einen. „Wer an ein Wärmenetz mit hohen Preisen angeschlossen ist, hat schnell zusätzliche Kosten von mehreren hundert Euro pro Jahr“, erläutert Florian Munder vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Aus diesem Grund diskutieren Politiker, Verbraucherschützer und Experten seit Monaten über eine strenge Regulierung der Tarife.
Dazu konnten sich die schwarz-roten Koalitionäre nicht durchringen. Stattdessen: „Wir sichern faire und transparente Preise und stärken dafür die Preisaufsicht. Wir stärken die Transparenz unter anderem durch eine unbürokratische Schlichtungsstelle“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dem VZBV reicht das nicht, der Verband fordert eine Preisobergrenze, die sich „an den Kosten für den Betrieb einer Wärmepumpe orientieren“.
Der Stadtwerkeverband VKU lehnt dies rundheraus ab. Ein Sprecher sagte dem RND zudem: „Ein Blick auf die Gesamtrechnung zeigt, dass Fernwärme absolut wettbewerbsfähig ist.“ Wer mit Wärmepumpe oder Gastherme heize, müsse die Geräte samt Einbau und Wartung bezahlen, bei der Wärmepumpe häufig zusätzlich das Haus dämmen. „Bei der Fernwärme kommt die Wärme hingegen einfach aus der bisherigen Leitung, und es braucht nicht zwingend eine vorherige Sanierung.“
Als weiteren Vorteil gegenüber einer Gasheizung verweist der Sprecher darauf, dass fossile Energieträger wegen der geplanten stärkeren CO₂-Bepreisung teurer würden. „Für Erdgas heißt das: Je mehr Kunden auf Wärmepumpe oder Fernwärme umsteigen, desto teurer werden die Netzkosten für die verbleibenden Gaskunden.“
rnd