BitChat: Was ist dieses neue soziale Netzwerk, das offline funktioniert?
Nachrichten senden ohne WLAN, ohne 5G und sogar ohne SIM-Karte. Dies ist das etwas utopische Wagnis von BitChat, einer verschlüsselten Messaging-Anwendung, die sich noch in der Testphase befindet und Anfang August von Jack Dorsey, dem Gründer von Twitter und dem Messaging-Dienst Bluesky , auf den Markt gebracht wurde.
Um diesen scheinbar magischen Trick zu erreichen, setzt BitChat auf Bluetooth-Technologie und ein sogenanntes „ Peer-to-Peer “-Kommunikationssystem. Konkret können zwei Telefone direkt Nachrichten austauschen, ohne den Umweg über einen zentralen Server oder eine Telefongesellschaft. Eine Registrierung ist daher nicht erforderlich: weder E-Mail-Adresse noch Telefonnummer. Nachrichten werden nicht auf Servern, sondern nur im temporären Speicher des Geräts gespeichert und nach dem Lesen automatisch gelöscht. Im Notfall ermöglicht ein „ Panik “-Modus sogar die sofortige Löschung aller Daten. Der Nachrichtendienst ermöglicht somit einen anonymen und spurlosen Austausch.
Damit die Nachricht ihren Empfänger erreicht, müssen sich andere Nutzer der App in der Nähe befinden. Diese Technologie basiert auf einem sogenannten „ lokalen Mesh-Netzwerk “: Jedes Telefon fungiert vorübergehend als Relais. Wenn Sie eine Nachricht senden, wird sie in einem Umkreis von 300 Metern von einem Telefon zum anderen übertragen, bis sie ihr Ziel erreicht. Voraussetzung dafür ist, dass auf jedem Gerät im Nachrichtenpfad die App installiert und Bluetooth aktiviert ist.
Wenn in der Nähe keine Relais verfügbar sind, bleibt die Nachricht blockiert. Dies macht BitChat an überfüllten Orten wie Demonstrationen, Konzerten oder Festivals effektiv. In dünn besiedelten oder isolierten Gebieten wird die Anwendung jedoch aufgrund fehlender verfügbarer Relais schnell nutzlos.
Diese Freiheit hat ihren Preis. Durch den Wegfall jeglicher Kontrolle sind Nachrichten dem Missbrauch ausgesetzt. Ohne Moderation ist es unmöglich, die verbreiteten Inhalte zu kontrollieren. Gewalttätige Gruppen könnten sie für Aktionen oder die Verbreitung illegaler Inhalte nutzen.
Verschlüsselte Messaging-Dienste wie Telegram und Signal wurden bereits für diese Art der Nutzung ausgewählt. In Frankreich wurde Telegram-Gründer Pavel Durov 2024 angeklagt, weil er die Verbreitung von Inhalten mit sexuellem Kindesmissbrauch auf seiner Plattform nicht verhindert hatte. Auch auf WhatsApp wurden geschlossene Gruppen zur Verbreitung falscher Informationen oder illegaler Bilder genutzt. Die Anwendung könnte auch für NGOs, Journalisten oder Aktivisten interessant sein, die in Kriegsgebieten tätig sind oder deren Freiheit eingeschränkt ist.
Das soziale Netzwerk wurde bislang noch nicht von Cybersicherheitsexperten getestet. Sollte das System jedoch nicht ausreichend geschützt sein, könnte Bluetooth genutzt werden, um den Standort eines Telefons zu verfolgen oder die Kommunikation abzufangen. Auch die verwendete Verschlüsselung ist noch nicht verifiziert.
BitChat ist Teil einer breiteren Dynamik, die durch den Aufstieg anonymer, sicherer und dezentraler Nachrichtendienste vorangetrieben wird. Wie Signal, Briar und Session ziehen diese Anwendungen ein immer breiteres Publikum an, angelockt durch ein klares Versprechen: keine Werbung, kein Profiling und keine Überwachung.
Dieses alternative Modell gewinnt in einem Klima wachsenden Misstrauens gegenüber digitalen Giganten an Boden. Laut einer Ifop-Umfrage gaben im Jahr 2023 61 % der Franzosen an, ihnen beim Schutz ihrer Daten nicht zu vertrauen. Im darauffolgenden Jahr verzeichnete die CNIL 5.629 Verstöße gegen den Schutz personenbezogener Daten, ein Anstieg von 20 % gegenüber 2023. Die Zahl der Vorfälle, von denen mehr als eine Million Menschen betroffen waren, verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr.
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