Bauernkrieg | Thomas Müntzer: »Das Deutschland nitczur mordgrube werde«
Am 27. Mai 1525, zwölf Tage nachdem das fürstliche Heer die bei Frankenhausen versammelten Aufständischen überfallen und massakriert hatte, wurde der radikale Reformator Thomas Müntzer hingerichtet. Ihm und seinem Mitbruder Heinrich Pfeiffer wurde auf dem Richtplatz nahe Mühlhausen der Kopf abgeschlagen. Ihre Leiber wurden auf Pfähle gespießt und »ins felt gstegkt«. Ihre Zurschaustellung auf dem Rieseninger Berg, so die Absicht der Sieger, sollte eine Warnung an alle sein, die fortan noch an Auflehnung und Rebellion gegen ihre Obrigkeiten dachten.
Wer war der Prediger, den seine Widersacher derart hassten, dass sie alles daran setzten, seine Lehre und sein Wirken zu verteufeln und auszumerzen? Ursprünglich ein Anhänger Martin Luthers, entwickelte Müntzer sich zu einem jungen eigenständigen Theologen, einfühlsamen Seelsorger und wirkungsvollen Prediger, der radikal eine Neuordnung der kirchlichen und weltlichen Verhältnisse forderte. Müntzers Selbstverständnis war das des willigen Botenläufers Gottes. Er unterschrieb Briefe als »eyn Knecht Gottes« oder nannte sich in Erinnerung an den alttestamentarischen Propheten Jeremia »Thomas Müntzer mit dem Hammer«. Eine der wenigen persönlichen Äußerungen bringt er 1521 in einer Fassung des Prager Sendschreibens zu Papier. Er könne glaubhaft versichern, dass er im Unterschied zu allen anderen Menschen den allerhöchsten Fleiß aufgewandt habe, um zu erkennen, wie der heilige unüberwindbare Christenglaube entstanden sei.
Müntzers Überzeugung, den Menschen den Weg zum wahrhaften Glauben zu weisen, verknüpfte sich während des deutschen Bauernkriegs mit Forderungen aufständischer Bauern und Städtebürger. Seine Argumente wurzelten im Theologischen, sie waren nicht sozialer oder politischer Natur. Als einer der profiliertesten Vertreter der frühen Reformation im thüringisch-sächsischen Raum verließ er die Kirchenkanzel, um in unmittelbarer Erwartung des apokalyptischen Gottesgerichts mit den Aufständischen in Frankenhausen gegen tyrannische Obrigkeiten und für ein gottgefälliges Leben zu streiten. Die »Zeit der Ernte«, so Müntzers Überzeugung, sei gekommen. »Das Deutschland nit also lesterlich czur mordgrube werde«, schrieb er am 8. Mai 1525 an den Rat zu Sondershausen und forderte auf, für den Zug nach Frankenhausen bereit zu sein.
Am 11. Mai 1525 traf Müntzer zusammen mit dem von ihm mobilisierten Mühlhäuser Aufgebot in Frankenhausen ein. Es waren 300 Mann, die acht Karrenbüchsen mit sich führten. Dringend suchte er nach Verstärkung und appellierte auch an die Gemeinde zu Erfurt: »Helffet vnsz myt allem, was yhr vormuget, myt volck, geschutz, auff das wyr erfhullen, was Got selbern befhollen hat … dye gewalt sol gegeben werden dem gemeinen volck.« Er ermutigte die Allstedter furchtlos zu sein und nicht länger zu zögern: »Fanget an und streytet den stryt des HERRN« Weiter drängte er: »Dran, dran, weyl das feur heis ist. Lasset eur schwerd nicht kalt werden von blut. Schmidet pinckepanck auf den ambos Nymrod, werft yhn den torm zu boden.« Jetzt war Müntzer, so Friedrich Engels, ganz der Revolutionsprophet. Müntzer predigte im Lager, motivierte Zweifler, wehrte sich gegen Anschuldigen und verteidigte entschlossen den bewaffneten Volksaufstand: »Got der allmechtige wollte jetzo die welt reinigen und hette der oberkait den gewalt genomen und den undertanen geben.« Gott sei mit ihnen. Ihre Fahne zeige das Zeichen des Bundes mit Gott, den Regenbogen.
Am Vorabend der Schlacht galt Thomas Müntzer bei Freunden und Feinden als die spirituelle Führungsgestalt der Aufständischen. Hatten diese die Fürsten noch wissen lassen, »Wir sint nicht hie, yemant was tzu thon, … sonder von wegen go(e)ttlicher gerechtikeit tzu erhalten. Wir sint ouch nit hie von wegen blutvergissung«, antworteten ihnen die Belagerer, dass allein die Obrigkeiten diejenigen seien, »denen von Got das schwert beuolhen« (befohlen), und sie gekommen seien, »euch darumb als die lesterer Gotes zu straffen«. Ultimativ forderten sie »den falschen propheten Thomas Montzer sampt seynem anhange lebendig herausantwortet« (herauszugeben) und dass man sich »in vnser gnad vnd vngnad ergebet«. Die Forderung wurde mehrheitlich abgelehnt. Als sich um die Sonne ein Ring zeichnete, predigte Müntzer, dass dies das göttliche Himmelszeichen sei. »Si sollten nur hertzlich streiten und keck sein.« Die Versammelten stimmten den Pfingstchoral an. Diese Situation nutzten die fürstlichen Truppen und feuerten mit ihren in Stellung gebrachten Geschützen in die Wagenburg. Reiter drangen in das Lager ein. Panik brach aus. Etwa 6000 Aufständische verloren im Gemetzel ihr Leben.
Müntzer konnte noch fliehen und sich in der Stadt verbergen, wo er jedoch bald von Söldnern entdeckt und Graf Ernst von Mansfeld, seinem ärgsten Feind, übergeben wurde. Im Wasserschloss Heldrungen begann am 16. Mai 1525 das Verhör. In der Absicht, Müntzers Lehre und Tun als ketzerisch und ungesetzlich zu brandmarken, sorgten die Sieger dafür, dass Mitschriften von Aussagen, die er während des Verhörs gemacht hatte, schnell verbreitet wurden. Mit dem irreführenden Titel »Bekenntnis Thomas Müntzers« (Bekentnus Thomas Muntzers) wurde es sogleich variationsreich mehrfach gedruckt. Befragt nach dem Ziel des Aufruhrs soll Müntzer unter Folter gesagt haben: »Dye entporunge habe er darumb gemacht, das dye christenheyt solt alle gleych werden und das dye fursten und herrn, dye dem evangelio nit wollten beystehen, sollten vortriben und totgeschlagen werden.« Der Grundsatz seines Verbündnisses sei gewesen, dass alle Güter jedem nach seinen Bedürfnis ausgeteilt werden: »omnia sundt communia«. Müntzer war gewillt, die Normen und Gebote des Evangeliums radikal zu befolgen, wobei er den Abbau der sozialen Ungleichheit einschloss. Als Luther den Verhörtext las, sah er darin Müntzers teuflische Verstockung und Verblendung. Für ihn blieb Müntzer ein »Werkzeug des Satans« und ein »Zerstörer aller Ordnung«.
Mit gebrochenen Händen nicht mehr zum Schreiben fähig, diktierte Müntzer am 17. Mai 1525 seinen letzten Brief, der an die christliche Gemeinde und den Rat in Mühlhausen gerichtet war. Er forderte sie auf, die Fürsten um Gnade zu bitten, »dormit des vnschuldigen bluts nit weyter vorgossen werde«. Die Schuld am Scheitern des Aufstands sah er darin, dass er vom Volk nicht recht verstanden worden sei, vor allem aber dass »eyn yder seyn eygennutz mehr gesucht dan dye rechtfertigung der christenheyt«. In diesem Abschiedsbrief bat er auch darum, seiner Frau Ottilie von Gersen seine Bücher und den Hausrat auszuhändigen, was aber nicht geschah. Unklar ist, wie es seiner Witwe und dem gemeinsamen Kind erging.
1531 beklagte Luther, dass zu Müntzers Richtstätte auf dem Rieseninger Berg viele »gewissenslose Leute« pilgerten, die nicht nur aus dem nahen Mühlhausen kämen. Er forderte, dass derart Verehrung aufhören müsse. Die Hinrichtungsstätte wurde über Jahrhunderte hinweg zu einem Ort wechselnder Gedenkkultur. 1901 wurde auf dem Rieseninger Berg ein Bauernkriegs-Denkstein errichtet, dessen Inschrift dem Bauernkrieg von 1525 als Mühlhausens Unglücksjahr gewidmet war, in dem ein Strafgericht über das Zentrum der radikalreformatorischen Bewegung gehalten wurde.
Mehr als 50 führende Akteure wurden in und um Mühlhausen hingerichtet, die Stadt verlor auf Jahrzehnte ihre Reichsfreiheit. 1975 wurde in Mühlhausen der Bauernkrieg als Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution gewürdigt, wurde die Anlage als Thomas-Müntzer-Denkmal umgewidmet und teilweise neugestaltet. Nach 1990 verwilderte das Areal, bevor es seit einiger Zeit offiziell wieder »Bauernkriegs-Denkstein« heißt.
Im Rahmen des Gedenkjahres »2025: Jahr der Freiheit« hat die Stadt Mühlhausen umfangreiche Maßnahmen am Rieseninger Berg umgesetzt, um diesen besonderen Ort für Mensch und Natur aufzuwerten. Dazu gehören frisch erneuerte Treppen, Geländer, Bankauflagen, Wegweiser und Abfalleimer.
Auch die beiden historischen Denkmale – das Thomas-Müntzer-Denkmal und das Theodor-Wiesenthal-Denkmal – konnten umfassend saniert werden. Besonderes Interesse weckte die neue Informationsstele am Müntzer-Denkmal. Sie vermittelt Wissenswertes über die Geschichte des 1901 errichteten Bauernkriegs-Denksteins und die verschiedenen Inschriften, die er im Laufe der Zeit trug. Dank eines gezielten Rückschnittes eröffnet sich von hier nun wieder ein beeindruckender Panoramablick über Görmar und bis zum Forstberg.
Der Bauernkrieg vor 500 Jahren ist der Anlass für die jüngst eröffnete Thüringer Landesausstellung »freiheyt1525«, die dezentral in Mühlhausen und Bad Frankenhausen stattfindet. Erinnert wird auch an den radikalen Reformator Müntzer, der in den frühen revolutionären Umbruchzeiten des 16. Jahrhunderts entschlossen für freiheitliche und gerechte Verhältnisse auf Grundlage des Evangeliums stritt und dies mit seinem Leben bezahlte.
Von Dr. Marion Dammaschke, Vize-Vorsitzende der Thomas-Müntzer-Gesellschaft Mühlhausen, erschienen auf dem Buchmarkt unter anderem »Signaturen einer Epoche. Beiträge zur Geschichte der frühen Neuzeit« (2012), »Thomas Müntzer. Keine Randbemerkung der Geschichte« (2017), »Bauernkrieger im Talar: Thomas Müntzer in der Belletristik« (2021) sowie »Thomas Müntzer im Blick« (2023).
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