Sarah Connor singt über Hass im Netz und offene Beziehungen

Berlin. Sechs Jahre lang mussten die Fans von Sarah Connor auf ein neues Album warten – in der heutigen Musikwelt durchaus eine lange Zeit. Nach ihren Nummer-eins-Platten „Muttersprache“ (2015) und „Herz Kraft Werke“ (2019) bringt sie mit „Freigeistin“ am Freitag ihr drittes Album auf Deutsch raus – und singt über Themen, die viele Menschen bewegen und die polarisieren.
Loslassen müssen – das Gefühl beschäftigt wohl alle Eltern, wenn die Kinder flügge werden. Auch Connor, vierfache Mutter, kann davon ein Lied singen. In „Warum hat mir keiner gesagt“ beschreibt sie die Leere in ihr, als innerhalb eines Jahres ihre ältesten Sprösslinge Tyler (21) und Summer (18) nach Großbritannien zogen. Er studierte dort Musikproduktion und -business, sie machte das britische Fachabitur in Schauspiel, Tanz und Gesang.
„Ich habe mich erschrocken über die Wucht, mit der mich das getroffen hat“, gibt Connor im dpa-Gespräch zu. Im Song heißt es: „Wo ist das kleine Mädchen hin? Das geht mir alles viel zu schnell“.

Sarah Connors neues Album "Freigeistin" erscheint am Freitag.
Quelle: Universal Music/dpa
Doch ein halbleeres Haus (Tochter Delphine ist 13 Jahre, Sohn Jax 8) kann auch ein Segen sein. Sie habe als Mutter und Sängerin schon in früheren Jahren viel Verantwortung und Struktur im Leben gehabt. Nach dem Auszug ihrer ältesten Kinder und ihrem letzten Album habe sie sich vermehrt um ihre eigenen Bedürfnisse gekümmert. „Ich wollte sehen, was passiert, wenn ich alleine verreise und mich niemand kennt. Wer bin ich, wenn keiner guckt?“
Auf der Reise zu sich selbst hat Connor offenbar auch viel über das Konzept Ehe nachgedacht. Seit 15 Jahren ist die Delmenhorsterin nun schon mit dem Ex-Boygroup-Sänger Florian Fischer (50) zusammen, der sie auch managt. „Ich liebe dich“, „Tief wie das Meer“ und „For Life“ sind romantische Liebeserklärungen an ihren Ehemann. Nicht die einzigen auf dem Album.
Doch Connor beleuchtet auch die Schwierigkeiten einer langen Beziehung, die sicher auch viele kennen. In „Warum sind wir so“ singt sie von einem steinigen Weg, Tagen ohne Küsse und teuren Geschenken „statt inniger Briefe“. In „Schlechte Idee“ geht es um Polyamorie – eine Beziehungsform, in der die Partner nicht exklusiv mit einer Person zusammen sind.

Wünscht sich angstfreie Kommuniktion in der Beziehung: Sarah Connor mit ihrem Partner und Manager Florian Fischer.
Quelle: Maurizio Gambarini/dpa
„Mein Eindruck ist: Wenn man in eine Ehe eintritt, spricht man sich all diese Dinge ab. Man verspricht sich, dass man sich nie wieder zu jemand anderem hingezogen fühlt. Das ist doch absurd. Wir sind Menschen, wir gehen in Resonanz miteinander“, sagte Connor der dpa.
„Mein Wunsch ist es, einen sicheren Raum zu schaffen und mit meinem Partner in eine angstfreie Kommunikation zu gehen, ohne dass man sich abwertet für das, wonach man sich sehnt oder was einem vielleicht fehlt.“
Im Gute-Laune-Song „My French Girlfriend“ und dem äußerst emotionalen „Die Fremde“ deutet Freigeist Connor auch Beziehungen zu Frauen an. Doch hier hält sie es, wie so oft: Genau erklären wolle sie ihre Texte nicht. „Ich habe immer schon Songs geschrieben, die auch nicht autobiografisch sind und trotzdem intensiv.“
„Herz in Aufruhr“ ist ein Appell für den Frieden. Nach dem Angriff der Hamas auf Israelis im Oktober 2023 hätten jüdische Mitschülerinnen und Mitschüler ihres Sohnes von der Polizei beschützt werden müssen.
„Ich habe meinem damals 6-jährigen Jungen zum ersten Mal von unserer Geschichte, der Verfolgung und Ermordung der Juden und Hitler erzählt. Dieses Gespräch hat mich sehr bewegt und traurig gemacht“, erzählt die Musikerin. „Mein Herz bricht auch für die Toten in Gaza. Was für eine humanitäre Katastrophe. Auch darüber haben wir geredet.“
Neben nachdenklichen Klavierballaden verbreiten viele der 17 Popsongs auf „Freigeistin“ gute Laune und sind auch sprachlich authentisch. In „Ficka“ macht sich Connor über Beschimpfungen lustig, die gegen sie in den sozialen Medien kursieren. „Ich find’ die richtig schlimm – Die Mucke ist doch kacke“ Oder auch: „Die Titten sind nicht echt, und ihr Style is‘ so schlecht“.
Es sind diese ehrlichen Worte, für die Sarah Connor von ihren Fans geschätzt wird. Während viele Popsongs nur Allgemeinplätze bedienen, wird die 44-Jährige konkret. Nachdem sie die Wintermonate in ihrem Haus in der Provence verbracht hat, geht es für die Sängerin zurück nach Berlin – im Sommer stehen einige Open Airs an, im kommenden Frühjahr dann eine große Arena-Tour.
RND/dpa
rnd