Der Vorstoss zu einem Lohndeckel für die UBS-Chefs erfährt im Nationalrat eine Abfuhr


Michael Buholzer / Keystone
Verkehrte Welt im Bundesparlament. Der Ständerat, die selbsternannte «chambre de réflexion», lässt sich zu einem populistischen Schnellschuss verführen – und der mutmasslich volksnähere Nationalrat pfeift die Ständeräte zurück. So geschehen mit einer Motion des Thurgauer SVP-Ständerats Jakob Stark. Er forderte im Bankensektor eine Vergütungsobergrenze von 3 bis 5 Millionen Franken pro Jahr. Im Visier hatte er die systemrelevanten Banken. Gemäss Stark ist es dem Publikum nicht vermittelbar, dass «Superverdiener» dieser Banken vom Staat gerettet werden. Im Fokus stand vor allem die UBS, mit ihren Spitzenlöhnen in zweistelliger Millionenhöhe.
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Der Ständerat hatte den Vorstoss diesen März unter dem Eindruck des Berichts der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Debakel der Credit Suisse knapp unterstützt – was auch für gewisse Beteiligte überraschend kam. Das Ergebnis mag einer Mischung aus Fehlkalkulation, Anbiederung beim breiten Publikum und Lust auf einen Warnschuss an die Adresse der UBS entsprungen sein.
Doch am Montag hat der Nationalrat auf die Bremse gedrückt. Er sprach sich mit 132 zu 63 Stimmen für eine abgeschwächte Variante des Vorstosses aus. Stimmen für die ursprüngliche Fassung kamen nur von der Linken. Die neue Version hatte die Wirtschaftskommission des Rats vorgeschlagen. Der veränderte Text stellt zum einen klar, dass der Vorstoss nicht für alle Banken gilt, sondern nur für die systemrelevanten Institute; zurzeit sind dies UBS, Raiffeisen-Gruppe, Zürcher Kantonalbank und Postfinance. Und vor allem ist die Forderung nach einem spezifischen Lohndeckel herausgeflogen.
Gegen FehlanreizeDer Text enthält im ersten Satz den Auftrag, die Vergütungen bei systemrelevanten Banken zu «limitieren». Das ist laut Mitgliedern der Wirtschaftskommission nicht als Forderung nach einem fixen Maximalbetrag zu interpretieren. Der Satz danach umreisst den Auftrag: «Die Vergütungen der (systemrelevanten Banken) sollen so geregelt werden, dass die Vergütungssysteme und Ausschüttungen keine falschen Anreize setzen und insbesondere variable Vergütungen (Erfolgsprämien) nicht erfolgen, wenn der Geschäftserfolg ausbleibt.»
Inhaltlich entspricht dieser Vorstoss zwei gleichlautenden Postulaten der PUK. Jene Postulate enthalten indes nur einen Prüfauftrag, während die vom Nationalrat unterstützte Motion als Auftrag für ein konkretes Gesetzesprojekt zu verstehen ist. Die Tragweite der Motion hängt von der Interpretation ab. In einer sehr engen Interpretation könnte man sagen, dass UBS und Co. in einem Jahr mit einem Konzernverlust überhaupt keine variablen Vergütungen mehr auszahlen dürften – auch nicht in profitablen Geschäftsbereichen.
Dies würde vermutlich erheblichen Druck auf die Erhöhung von Fixlöhnen auslösen; das wären dann jene «falschen Anreize», welche der Vorstoss gerade bekämpfen will. Der Luzerner Mitte-Nationalrat Leo Müller, der in der Wirtschaftskommission den Antrag zur jetzigen Formulierung gestellt hatte, deutete am Montag im Gespräch an, dass der Text des Vorstosses mit einer gewissen Flexibilität zu interpretieren sei.
Vorgabe für SperrfristenDer Bund interpretiert den Vorstoss flexibel. Zum einen könne man die Absage an variable Vergütungen auf jene Personen beziehen, in deren Verantwortungsbereich der Geschäftserfolg ausbleibe. Und zum anderen sei eine Mehrjahresbetrachtung anzustellen. Laut Bundesangaben dürfte die Regierung mit den geplanten Vorschlägen zu den künftigen Vergütungsregeln den Auftrag der Motion erfüllen.
Ein Antrag aus der SVP, die Motion ganz zu versenken, fiel deutlich durch. Einen grossen Unterschied macht dies nicht aus. Ohnehin hatte der Bundesrat diesen Juni die Eckwerte zu seinen Vorschlägen über die künftige Vergütungspolitik im Bankensektor bereits beschlossen.
Gemäss diesen Eckwerten sieht der Bundesrat generell für die Bankbranche «wenige minimale Grundsätze zu Vergütungssystemen» vor. Zum Beispiel: «Struktur und Höhe der Gesamtvergütungen stimmen mit der Risikopolitik der Bank überein.» Für die systemrelevanten Institute sind konkretere Vorgaben geplant. Dies betrifft namentlich die Aufschiebung von Vergütungsteilen durch Sperrfristen, die Möglichkeit der Rückforderung ausbezahlter Vergütungen und die Sanktionierung von Fehlverhalten von Managern auch durch Vergütungsmassnahmen.
Zur Diskussion steht die Festlegung von Mindestsperrfristen von vier bis sechs Jahren für gewisse Vergütungsteile. Rückforderungen von bereits ausbezahlten Vergütungen wären derweil schwierig durchzusetzen – vor allem, wenn Betroffene in ausländischen Rechtsordnungen leben.
Der vom Nationalrat unterstützte Vorstoss geht zurück in den Ständerat. Die neue Version hat dort gute Chancen. Der Motionär Jakob Stark hatte jüngst die abgeschwächte Fassung als «positiven Kompromiss» bezeichnet.
Verzögerungsversuch scheitertDer in der Öffentlichkeit am stärksten diskutierte Vorschlag des Bundesrats zur künftigen Bankenregulierung betrifft die Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen vor allem für die UBS. Die Grossbank soll künftig ihre ausländischen Tochtergesellschaften voll mit Eigenkapital unterlegen statt wie bisher nur zu 45 oder 60 Prozent (je nach Betrachtungsweise). Ohne Verhaltensanpassungen könnte dies zusätzliche Eigenmittel von 24 Milliarden Franken erfordern. Der Bundesrat dürfte das konkrete Gesetzesprojekt dazu Ende September oder Anfang Oktober in die Vernehmlassung schicken.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats wollte das Geschäft verzögern – mit einer Motion, die eine «Gesamtschau» zu den Massnahmen über die Bankenstabilität fordert und so das Vorziehen einzelner Massnahmen verhindern will. Faktisch würde dies vor allem zu einer Verzögerung gewisser Vorschläge zur Verschärfung der Kapitalanforderungen um vielleicht sechs bis zwölf Monate führen. Die Gegner wittern Verzögerungstaktik, die Befürworter bestreiten dies. Eine Verzögerung könnte jedenfalls für die UBS nützlich sein – nach dem Motto «je länger die CS-Krise zurückliegt, desto mehr erlahmt der politische Wille für Verschärfungen».
Doch der Nationalrat macht nicht mit. Nebst der Linken sprachen sich auch die Mehrheit der Mitte und Teile der FDP-Fraktion gegen die Verzögerung aus. Die Motion fiel deshalb mit 104 zu 86 Stimmen durch.
nzz.ch