Digitaler Vermögensmarktplatz für Sparkassen: Firmen-Dreigespann entwickelt offene Vermögensverwaltungsplattform

private banking magazin: Wie funktioniert die konkrete Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen in der Praxis?
Harald Brock (Investify Tech): Zunächst einmal ist wichtig, dass die Kundengelder bei den Sparkassen bleiben. Die Vermögensverwaltung – ob bei Berenberg oder Flossbach; LBBW oder andere – nutzen immer ein Sparkassen-Depot. Wir haben dafür in den letzten Monaten die notwendige Schnittstelle zur Deutschen Wertpapier Service Bank (DWP Bank) aufgebaut. Dericon kümmert sich im Kontext des Marktplatzes die Betreuung der Sparkassen sowie der Strategiegeber. Neben den Strategien der diversen Asset Manager können die Sparkassen auch ihre eigenen bereits vorhandenen Strategien hinterlegen. Wir setzen diese Strategien dann zentral um. So ergänzen wir uns in unseren Kernkompetenzen: Investify Tech mit Technologie und Regulatorik, DWP Bank mit Handel und Verwahrung und Dericon mit Vertriebskontakten und Verbindungen zu den Strategiegebern.
Wieso sollte ich mir als Bank oder Vermögensverwalter den Aufwand machen, mehr als nur eine Vermögenverwaltung anzubieten?
Frank Herrmann (Dericon): Wenn Sie sich ausschließlich auf zwei hauseigene Sparkassenlösungen beschränken, stellt sich die Frage, ob Sie damit die besten Kunden des Hauses umfassend abholen. Die Praxis zeigt: Bei Unternehmensverkäufen mit hohen Volumina bleiben Sparkassen oft nur 20 bis 30 Prozent des Verkaufserlöses – der Großteil, also 70 bis 80 Prozent, verlässt das Haus. Denn der Kunde wird sein Vermögen streuen – das hat ihm schon der Nachbar oder die Großmutter geraten.
Mit dem Marktplatz verändert sich die Rolle der Sparkasse grundlegend. Sie sitzt nicht mehr dem Kunden gegenüber, um eine eigene Lösung zu verkaufen, sondern an seiner Seite – als Türöffner zur großen Welt der Vermögensverwalter. Die Sparkasse wird damit zum Family Office light oder zum Finanz-Concierge ihrer Kunden – zum ersten Ansprechpartner, der individuelle Lösungen ermöglicht und das gesamte Spektrum professioneller Vermögensverwaltung transparent zugänglich macht.
Brock: Für die Sparkasse ist ein weiterer wichtiger Aspekt das Performance-Risiko. Wenn Sie nur eine Vermögensverwaltung anbieten, liegt das Performance-Risiko komplett bei der Sparkasse. Performt dieser Vermögensverwalter nicht, fällt es der Sparkasse auf die Füße und der Kunde wechselt im Zweifel zur Konkurrenz. Mit dem Marktplatz verlagern Sie das Performance-Risiko auf die unterschiedlichen Strategiegeber beziehungsweise Asset Manager. Wenn einer schlecht performt, wird er ausgetauscht, ohne dass die Kundenbeziehung gefährdet ist.
Welche Zugangsvoraussetzungen haben Sie für Vermögensverwalter und für Kunden?
Herrmann: Wir starten zunächst mit fünf Pilotanbietern und planen, die Plattform zum Jahresende beziehungsweise Anfang kommenden Jahres zu öffnen. Theoretisch könnten wir bereits jetzt zahlreiche Anbieter onboarden, setzen jedoch bewusst auf ein nachfragegetriebenes Wachstum. Die Sparkassen haben dabei die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten und Einfluss darauf zu nehmen, welche Adressen auf der Plattform vertreten sein sollen.
Für Endkunden bieten wir zwei Zugangswege an: zwei fondsbasierte Lösungen (VV Select & VV Pure) ab 25.000 Euro sowie eine einzeltitelbasierte Lösung (VV Premium) ab 250.000 Euro. Einzige Vorgabe ist, dass bei der Auswahl mehrerer Manager das jeweilige Mindestanlagevolumen eingehalten werden muss.
Wie sieht es preislich aus? Was bezahlt der Kunde am Ende?
Herrmann: Der Kunde zahlt dieselben Konditionen wie bei klassischen Vermögensverwaltungen im Sparkassensektor – in der Regel zwischen 1 und 1,5 Prozent zuzüglich Mehrwertsteuer, abhängig vom gewählten Risikoprofil. Die Sparkasse hat dabei die Möglichkeit, die Endkundenkonditionen individuell anzupassen. Vom Verwaltungsentgelt erhält die Sparkasse etwa die Hälfte. In anleihenlastigen Mandaten fällt der Anteil tendenziell etwas geringer aus, in aktienlastigen Mandaten entsprechend höher.
Maximilian Weiß (DWP Bank): Entscheidend ist, dass in der anderen Hälfte der Kondition bereits die Transaktionskosten der DWP Bank enthalten sind. Das ist ein Novum und macht das Angebot für die Sparkassen sehr transparent. Sie wissen genau, welchen Ertrag sie mit der Lösung generieren.
Wo ist der Klient offiziell als Kunde registriert und wo bucht der Kunde?
Herrmann: Anders als in einigen Konstellationen mit Verbundanbietern, bei denen die Assets das Haus verlassen und der Kunde direkt von einem Mitarbeiter des Verbundanbieters betreut wird, verbleiben Vermögen und Betreuung vollständig bei der Sparkasse. In solchen Modellen übernimmt die Sparkasse oft nur noch eine begleitende Rolle – beim Marktplatz bleibt sie hingegen zentraler Ansprechpartner auf Augenhöhe.
Der Kunde führt weiterhin sein gewohntes Konto und Depot bei der Sparkasse, das lediglich mit einem speziellen Marker für den Marktplatz versehen wird. Auch die Depotansicht erfolgt wie gewohnt über die Sparkassenkanäle. Zusätzlich hat der Kunde die Möglichkeit, über eine App von Investify Tech auf detaillierte Reports mit ansprechenden Diagrammen und Visualisierungen zuzugreifen. Die Sparkasse bleibt jedoch jederzeit der alleinige Ansprechpartner – eine direkte Kommunikation zwischen den Strategiegebern und dem Endkunden findet nicht statt.
Wie ist die technische Integration in die bestehenden Systeme der Sparkassen erfolgt?
Brock: Für uns war das ein Standardprojekt. Wir haben sehr viel Erfahrung mit der Integration in Kernbanksysteme und Depotbanken. Mittlerweile haben wir an unsere Plattform diverse Depotbanken angeschlossen: Darunter Baader Bank, V-Bank, DZ-BANK, DWP Bank, FNZ Bank und bald auch die FFB. Die Integration mit der DWP Bank ist extrem wichtig für die Sparkassen, da sie Teil ihres Ökosystems ist.
Wann genau soll der Marktplatz über die Pilotphase hinaus für alle interessierten Sparkassen verfügbar sein?
Herrmann: Wir stehen kurz vor dem Start der Pilotphase, die mit zwei Sparkassen und fünf Strategiegebern erfolgt. Momentan warten wir noch auf die Verbandsfreigabe, technisch sind wir in Kürze einsatzbereit.
Wenn wir in fünf Jahren auf dieses Gespräch zurückschauen: Was muss passieren, damit Sie das Projekt als vollen Erfolg betrachten?
Herrmann: Wir setzen auf eine gezielte Durchdringung des Sparkassensektors, wobei unser Hauptfokus auf den Top 100 bis 150 Sparkassen liegt. Von insgesamt 345 Sparkassen verfügen nur rund 220 über ein eigenes Private Banking – hier sehen wir großes Potenzial. Unser Ziel ist es nicht, bestehende Verbundanbieter zu verdrängen, sondern den Sparkassen eine wertvolle Erweiterung ihres Private-Banking-Angebots zu bieten. Auf diese Weise können sie ihren Kunden nicht nur auf Augenhöhe begegnen, sondern auch ihren Einfluss im Vermögensbereich ausbauen und langfristig einen größeren Anteil am Vermögen ihrer Kunden sichern.
Weiß: Abgesehen von Zahlen ist es uns wichtig, ein Angebot zu schaffen, das von unseren Sparkassen gerne genutzt wird und sie als Lösungsanbieter bei ihren Kunden positioniert. Die Kunden kennen Vergleichsplattformen aus anderen Bereichen wie dem Einlagen- und Kreditgeschäft und werden zukünftig immer mehr vergleichen. Ein großer Erfolg wäre es, wenn die Sparkasse über den VV-Marktplatz ein breites Lösungsspektrum anbieten und gemeinsam mit dem Kunden das für ihn beste Angebot auswählen kann.
Herrmann: Der Marktplatz wird den Sparkassen dabei helfen, eine neue Form der Kundenbindung aufzubauen. Durch maßgeschneiderte Lösungen werden die Kunden eine professionelle und exklusive Beratung erleben – und genau das schafft Vertrauen. Vertrauen ist die Währung der Zukunft. Kurz gesagt: Es geht hier nicht nur um ein neues Produkt. Es geht um ein neues Selbstverständnis im Private Banking: maßgeschneiderte Lösungen innerhalb einer Open-Architecture-Plattform, statt der herkömmlichen Wahl zwischen festgelegten Optionen wie „Ich habe A und B, entscheide dich jetzt“.
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